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Studie: Jugendliche zahlen viel Geld für In-Game-Käufe

Es ist die erste große Studie zu In-Game-Käufen von Kindern und Jugendlichen in Österreich. Durchgeführt vom Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Graz. Mehr als die Hälfte der befragten Schülerinnen und Schüler gab bereits Geld für In-Game-Content aus. Die Art und Weise, wie Spielehersteller zu Käufen verführen, erinnere an die Mechanismen des Glücksspiels, so die Studienautoren.

Befragt wurden rund 2.600 Schülerinnen und Schüler aus allen Bundesländern. 55 Prozent von ihnen hatte in der Vergangenheit bereits Geld für In-Game-Content ausgegeben, im Schnitt etwa 170 Euro im Jahr. Einzelne von ihnen bezahlten sogar 10.000 Euro und mehr, sagt Studienautor Markus Meschik vom Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Graz.

Free-to-play mit Kaufoption

Gefragt wurde sowohl nach Spielen am Smartphone als auch auf Konsole und PC. Am weitesten verbreitet seien die sogenannten Free-to-Play-Games, vermeintlich kostenfreie Spiele, mit denen die Spielehersteller allerdings durch Kaufoptionen innerhalb des Spiels hohe Umsätze erwirtschaften, sagt Meschik. In den meisten Free-to-Play-Spielen kämen sogenannte „Dark Patterns“ zum Einsatz. Darunter versteht man manipulative Mechaniken, die die Jugendlichen zum Geld ausgeben bewegen sollen.

Virtuelle Mode gegen echtes Geld

Dabei würde etwa suggeriert, dass ein gewisses virtuelles Gut nur für kurze Zeit zur Verfügung stehe, so Meschik. Auf diese Weise werde auf die Spieler Druck aufgebaut, so schnell wie möglich zu kaufen. Beispiele für virtuelle Güter seien sogenannte „Skins“ in Videospielen, kosmetische Erweiterungen etwa, mithilfe derer Figuren anders aussehen. „Da können Spielfiguren dann beispielsweise ein Prinzessinnenkostüm tragen“, so Meschik. Für viele Spielerinnen und Spieler habe ein solches Outfit einen hohen Status. Besonders seltene oder teure Skins zu haben, kann innerhalb der Peergroup einen Statusgewinn bedeuten, so der Studienautor.

Trost und Belohnung

Mit 30 Jugendlichen aus der Studie führte Meschik, der auch Sozialpädagoge ist, ausführliche persönliche Gespräche über ihr Spielverhalten. Seine Hauptfrage war dabei, was Jugendliche dazu motiviert, Geld für eigentlich kostenfreie Spiele auszugeben. Einerseits seien das persönliche Motive, die Jugendlichen würden sich die virtuellen Güter kaufen, um sich zu trösten, nachdem sie schlecht gespielt haben oder auch, um sich für ein gutes Spiel zu belohnen, so der Sozialpädagoge.

Gruppendruck und Sonderangebote

Ein weiterer häufiger Grund sei Gruppenzwang. Selten werde allein Geld ausgegeben, meist kaufen die Spieler beim gemeinsamen Spielen über Soziale Netzwerke oder wenn sie gemeinsam auf der Couch sitzen. Besonders berührt hat Markus Meschik die Geschichte eines 15-jährigen Schülers, den er in einem Jugendzentrum in Wien interviewt hat. Dieser habe ein Handyspiel gespielt, bei dem es sogenannte „Events“ gegeben habe. Das sind kurzfristige Zeiträume, innerhalb derer man für dieselbe Spielleistung doppelte Punkte bekommen kann, so Menschik.

So würden Spielehersteller zum Beispiel anlässlich von Halloween für sogenannte „Halloween-Specials“ werben. Im Rahmen solcher Events seien manchmal auch virtuelle Güter günstiger zu haben als sonst, so der Studienautor. Im Falle des Jugendlichen aus Wien, habe das dazu geführt, dass dieser sich Geld von seinem Bruder ausgeborgt habe, um an einem solchen Event im Spiel teilnehmen zu können. „Man hat so massiven Druck auf ihn aufgebaut, dass er, obwohl er gerade kein Geld gehabt hat, zu sich gesagt hat: Ich muss da jetzt teilnehmen“, so Meschik.

Experte: Wie beim Glücksspiel im Casino

In vielen Punkten habe der Umgang der Jugendlichen mit Handy- und Videospielen Ähnlichkeiten mit klassischem Glücksspiel, sagt Sozialpädagoge Markus Meschik. Etwa bei der Konzentration der Ausgaben. Wie beim Glückspiel, geben auch innerhalb von Videospielen einige wenige sehr viel Geld aus. Außerdem komme es bei den Jugendlichen zu kognitive Verzerrungen. Ein solches Verhalten zeichne sich dadurch aus, dass etwa Casinobesucher Verluste, die sie an einem Tag erlitten haben, am nächsten Tag wieder ausgleichen wollen, indem sie erneut ins Casino gehen, so Meschik.

Lootboxen locken mit dem Unbekannten

Ein ähnliches Phänomen treffe auf Jugendliche zu, die sogenannte Lootboxen kaufen. Das sind zufallsgenerierte Inhalte, die man innerhalb eines Spieles kaufen kann. Zum Zeitpunkt des Kaufes einer Lootbox, weiß der Jugendliche noch nicht, was letztendlich drin ist, so der Studienautor. Mit Lootboxen würden sich die Jugendlichen Spielvorteile oder kosmetische Veränderungen kaufen; etwa eine andere Bemalung einer Waffe. Die Mechanik der Lootboxen werde sowohl in der Forschung als auch in der Politik gerade kontrovers diskutiert, sagt Markus Meschik. Dabei gehe es in erster Linie um ihre Ähnlichkeit zum Glücksspiel. Außerdem seien Personen, die Lootboxen kaufen, tendenziell stärker von Glücksspielsucht betroffen, so Meschik.

„Rund ein Prozent der Spieler könnte süchtig sein“

Rund ein Prozent der befragten Jugendlichen zeigen ein Verhalten, das die Kriterien klinischer Spielsucht erfüllen könnte, sagt Meschik. Dieses kennzeichnet einerseits eine verringerte Impulskontrolle, was bedeutet, dass Jugendliche öfter und mehr spielen als sie sich vorgenommen haben. Andererseits ist das Spielen bei Süchtigen wichtiger als alle anderen Lebensbereiche wie Freundschaften oder Hobbys. Das dritte Kriterium seien negative Konsequenzen des exzessiven Spielens. Dazu gehören häufig schlechtere Schulnoten und Streit mit den Eltern aufgrund des Videospielens. Trotzdem werde weitergespielt, so Meschik. Werden alle drei Kriterien über einen Zeitraum von zwölf Monaten erfüllt, diagnostizieren Ärztinnen und Ärzte eine Spielsucht, sagt Markus Meschik.

Steirische Fachstelle für besorgte Eltern

Neben seiner Arbeit als Wissenschaftler an der Universität Graz, ist Markus Meschik auch Leiter der kostenlosen Beratungsstelle „Enter – Fachstelle für digitale Spiele“. Das Angebot richtet sich an Eltern, die sich Sorgen um das Spielverhalten ihrer Kinder machen. Die Jugendlichen, deren Eltern in die Beratung kommen, würden in anderen Bereichen selten Erfolgserlebnisse haben: „Das sind oft sozial zurückgezogene Personen, die eher schüchtern sind und sich im sozialen Miteinander nicht immer leicht tun“, sagt Markus Meschik.

Experte: Meist lange Therapie erforderlich

In digitalen Spielen würden diese Jugendlichen es schaffen, Anerkennung von ihrer Peergroup zu bekommen. In der Beratung sucht der Sozialpädagoge gemeinsam mit den Eltern nach Handlungsalternativen, die es dem Jugendlichen ebenfalls ermöglichen, Anerkennung zu erhalten. Markus Meschik erzählt von einem Jugendlichen, der sich über Monate in seinem Zimmer verschanzt habe. Dann sei es den Eltern gelungen, mit ihrem Kind an einem Abend ein Brettspiel zu spielen. „Auf solchen Erlebnissen kann man aufbauen“, sagt Meschik. Spielsucht sei ein Verhalten, das sich häufig über Jahre entwickelt. Es sei vermessen, zu glauben, dass das innerhalb weniger Tage oder Wochen wieder verschwinden kann. Solche positiven Einzelerlebnisse seien aber hilfreich. In Summe könnten sie dazu führen, dass betroffene Jugendliche außerhalb ihres Suchtverhaltens wieder Selbstvertrauen entwickeln, so Meschik.