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AFP / CHRIS DELMAS
AFP / CHRIS DELMAS

Diskriminierung: Rabatte im Supermarkt nur mit Smartphone

Zwei Pensionistinnen ohne Smartphone ärgern sich darüber, dass sie in Supermärkten auf Rabatte verzichten müssen, weil sie die notwendigen Apps ohne Smartphone nicht nutzen können. Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark sieht darin eine soziale Diskriminierung von Menschen, die sich kein Smartphone leisten können, sowie eine Diskriminierung älterer Menschen.

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Seit der Covid-Pandemie melden sich bei der Antidiskriminierungsstelle Steiermark immer mehr Menschen, die sich darüber beklagen, dass sie sich von der zunehmenden Digitalisierung benachteiligt fühlen, sagt Leiterin Daniela Grabovac. Zunehmend würden Angebote die Verwendung von Apps und QR-Codes voraussetzen, was Personen ohne Smartphone ausschließe.

Keine Rabatte ohne App

Zuletzt meldeten sich zwei Pensionistinnen bei der Beratungseinrichtung, die sich darüber beklagen, dass sie in den Supermärkten, in denen sie regelmäßig einkaufen, bestimmte Rabatte nicht erhalten, weil sie die Apps der Lebensmittelketten ohne Smartphone nicht nutzen können. Beide Frauen haben Mobiltelefone, eine ein Seniorinnenhandy, auf denen aber keine Apps installiert werden können.

Über die Apps der Lebensmittelketten Lidl und Spar, die „Lidl Plus Vorteils-App“ und die „Spar-App“, könne man günstiger einkaufen als im Supermarkt, so Grabovac. Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark versuchte vergeblich, bei den Konzernen zu intervenieren.

Lidl: Keine analoge Alternative aus technischen Gründen

Spar schrieb an die Beratungsstelle, dass es üblich sei, dass Konsumentinnen und Konsumenten nicht zu allen Aktionen immer und überall Zugang haben. Das gelte etwa auch für regionale Flugblätter oder für Gutscheine aus Magazinen. Außerdem sei die Spar App jedem und jeder zugänglich. Wer sich gegen ein Smartphone entscheide, verzichte damit eben auf die exklusiven Angebote, so der Konzern.

Auch Lidl sieht keine Veranlassung, die Rabatte seiner App in analoger Form zugänglich zu machen. „Lidl Plus“ sei ein freiwilliges Zusatzangebot, von dem man wisse, dass man damit nicht alle Kundinnen und Kunden erreiche. Aus technischen Gründen sei das Service nur mit Smartphone abbildbar. Eine analoge Alternative gebe es keine, so die Lidl Österreich GmbH.

Screenshot: togoodtogo.com
Screenshot: togoodtogo.com
Ohne Smartphone wird aus dem gemeinsamen Essen nichts

Erst das Smartphone, dann die Ware

Ein ähnliches Problem tritt bei „Too Good To Go“ auf, einer Plattform über die Konsumentinnen und Konsumenten günstig Lebensmittelpakete kaufen können, die am selben Tag ablaufen. Dazu meldete sich eine Notstandshilfebezieherin bei der Antidiskriminierungsstelle, die ebenfalls kein Smartphone besitzt. Die Frau benutzte die App auf ihrem Laptop, wählte das gewünschte Paket aus und bezahlte online. Um ihren Einkauf im Supermarkt abzuholen, druckte sie sich den Bestätigungscode aus. Doch in der Filiale wurde ihr mitgeteilt, dass eine Abholung nur über Smartphone möglich sei. Ein ausgedruckter Zettel sei nicht ausreichend.

Auf eine schriftliche Anfrage hin bestätigte das Too Good To Go. Bei der Übergabe des gekauften Sackerls müsse der Kauf mittels Wischen über den Bildschirm bestätigt werden, so das Unternehmen.

"Ärmere und Ältere werden diskriminiert

„Landläufig ist man der Meinung, dass hierzulande alle Menschen ein Smartphone haben“, sagt Daniela Grabovac von der Antidiskriminierungsstelle Steiermark. Das sei aber nicht der Fall. Vor allem zwei Gruppen sieht sie in den genannten Fällen diskriminiert. Einerseits seien das Menschen, die sich ein Smartphone nicht leisten können, weil sie beispielsweise Schulden haben oder arbeitslos sind. Die andere Gruppe seien ältere Menschen, die sich bei der Verwendung von Apps auf Smartphones nicht auskennen.

Informatiker: Händler sollen alternativen Weg bieten

Auch Reinhard Posch, Professor für Angewandte Informatik an der TU Graz und Berater der Bundesregierung in IT-Fragen, ist der Meinung, dass ältere Menschen die gleichen Vorteile genießen können sollen wie andere, egal ob sie die Technologien haben oder nicht. Die Supermarktketten sollten diesen Menschen einen alternativen Weg anbieten, zu den Angeboten zu kommen, auch weil Seniorinnen und Senioren im Durchschnitt weniger Zugang zu den Technologien hätten. Die Diskriminieren dieser Gruppen sei problematisch, so Posch.

Dass gewisse Vergünstigungen an die Verwendung eines Smartphones gekoppelt sind, habe aber auch technische Gründe, sagt der Informatikprofessor. So sind bestimmte QR-Codes etwa nur einmal gültig. „Das ist wie bei einem Geldschein oder einem Gutschein, die auch nur einmal gültig sind“, sagt Posch. Sobald man diese Scheine hergebe, seien sie verbraucht. Eine Blatt Papier, das man kopieren kann, könne diese Funktion nicht leisten. Dafür brauche es, wie im Fall der Apps, eine Technologie dahinter.

Experte: App reduziert Personal und stärkt Kundenbindung

Bei Spar und Lidl vermutet Posch, dass Prozessoptimierungen dahinterstecken. Wer mit der App kauft, mache dem Personal weniger Arbeit. Außerdem verbessere sie die Kundenbindung: „Die Supermärkte wollen, dass Konsumentinnen und Konsumenten die App benutzen“, so Posch. Dabei sei es den Unternehmen nicht wichtig, die Person namentlich zu kennen, es reiche, dass ein Gerät mit einer Person verbunden ist, um deren Einkaufsvorlieben erfassen zu können. Das sei ein hoher Wert für den Händler, so Posch: „Die andere Seite der Medaille ist, dass man damit eine Gruppe, die das nicht machen will oder kann, de facto ausschließt“.

Eine Möglichkeit, die Rabatte analog anzubieten und damit auch für Menschen ohne Smartphones zugänglich zu machen, wären Kundenkarten, so Reinhard Posch. Eine Karte sei ein Unikat, so wie man es von der Jö-Karte bei Billa kenne. Das sei aber deutlich kostspieliger als eine App, weshalb viele Unternehmen dazu nicht bereit sein werden.

Die Konzerne müssten deshalb gesetzlich dazu verpflichtet werden, sagt Posch. Damit für österreichische Unternehmen dabei kein Wettbewerbsnachteil entstehe, müsse man über EU-weite Regelungen nachdenken. Das Gesetz müsse technologieneutral formuliert werden, weil der technische Fortschritt der nächsten Jahre nicht absehbar sei. Eine neutrale Formulierung erspare es dem Gesetzgeber, die Regelungen laufend zu überarbeiten. „Dazu kommt, dass solche Gesetze einen hohen Aufwand bedeuten und Jahre dauern, bis sie in Kraft treten“, so Posch.