Die Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittels, das den Wirkstoff Glyphosat enthält. (l
dpa-Zentralbild/Patrick Pleul
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Glyphosat: Global 2000 erstattet Strafanzeige gegen Bayer

Kommende Woche entscheiden die EU-Mitgliedsstaaten, ob Glyphosat für weitere zehn Jahre zugelassen wird. In diesem Zusammenhang hat die Umweltorganisation Global 2000 Strafanzeige gegen Bayer erstattet. Der Vorwurf: Der Konzern habe unvorteilhafte Daten aus eigenen Studien bewusst nicht vorgelegt, um eine krebserregende Wirkung von Glyphosat zu vertuschen.

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Die Erfolgsgeschichte von Glyphosat, dem meistverkauften Unkrautvernichtungsmittel der Welt, beginnt in den 50er-Jahren. Ein Schweizer Chemiker synthetisierte damals die neue Verbindung, ohne zu wissen, was er damit anfangen sollte, sagt der Biochemiker Helmut Burtscher-Schaden von Global 2000.

Das Mittel kam zunächst als Rohreiniger für Heißwassersysteme zum Einsatz. In den 70er Jahren entdeckte der Chemiekonzern Monsanto, dass man damit auch Unkraut bekämpfen kann und meldete ein Patent für Glyphosat als Herbizid an. Bereits in den 90er-Jahren stieg Glyphosat zum meistverkauften Unkrautvernichtungsmittel in den USA und Europa auf.

Krebserregend oder nicht?

Für die EU-weite Weiterzulassung im Jahr 2015 legte Monsanto Studien vor, die das Herbizid als „nicht krebserregend“ einstuften. Dem widersprach die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation WHO (IARC). Das IARC habe aufgezeigt, dass es zu dosisabhängigen und signifikanten Zunahmen von Tumoren bei jenen Labormäusen gekommen sei, die mit Glyphosat gefüttert worden waren, sagt Burtscher-Schaden. Deshalb habe die WHO-Agentur das Mittel als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft, wobei der Begriff „wahrscheinlich“ aber kein Hinweis darauf sei, dass die IARC an der Gefährlichkeit von Glyphosat irgendwelche Zweifel habe, so Burtscher-Schaden.

EFSA widerspricht der WHO

Laut EU-Gesetz müsste ein Wirkstoff, der als „wahrscheinlich krebserregend“, beziehungsweise im Tierversuch als „mit Sicherheit krebserregend“ eingestuft wurde, umgehend vom Markt genommen werden, sagt Burtscher-Schaden. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) kommen aber zu einer anderen Einschätzung. Im Glyphosat-Peer-Review wurden in den vergangenen 32 Monaten 2.400 Studien bewertet. Laut EFSA konnten „keine kritischen Problembereiche“ für Mensch oder Tier" festgestellt werden.

Experte: Keine neuen Krebsstudien seit 2009

Der Konflikt zwischen der EU und der WHO ist seit 2015 ungelöst, sagt Burtscher-Schaden. Das Argument der EU-Kommission sei damals gewesen, dass man in dieser Frage der eigenen Behörde vertrauen müsse. Das habe dazu geführt, dass Glyphosat im Jahr 2017 nicht wie ursprünglich vorgesehen für weitere 15 Jahre zugelassen wurde, sondern stattdessen nur für fünf Jahre.

Am 15. Dezember endet die aktuelle EU-Zulassung. In den vergangenen sechs Jahren sei keine einzige neue Krebsstudie gemacht, worden, um zu ermitteln, wie gefährlich Glyphosat tatsächlich ist, kritisiert Biochemiker Burtscher-Schaden. Die letzte Studie stamme aus dem Jahr 2009. Den aktuell laufenden Antrag auf Weiterzulassung von Glyphosat stellte Bayer, der Rechtsnachfolger von Monsanto.

Hat Bayer Tumorbefunde verschwiegen?

Seit diesem Frühjahr prüft Helmut Burtscher die Papiere, die der Konzern der EU vorgelegt hat: „Da war das Erschreckende für mich, dass Bayer signifikante Tumorbefunde in den Krebsstudien schlichtweg nicht berichtet hat“, so der Experte. Ein Vorgehen, wie man es bereits bei Monsanto erlebt habe. Die Tumorbefunde der WHO sind seit dem Bericht der Krebsforschungsagentur öffentlich bekannt, so Burtscher: „Für mich ist absolut nicht nachvollziehbar, was Bayer da macht".

EU will kommende Woche entscheiden

Ende September hat Global 2000 Strafanzeige gegen Bayer erstattet. Doch bereits kommende Woche wollen die EU-Mitgliedsstaaten entscheiden, ob Glyphosat für die nächsten zehn Jahre zugelassen wird oder nicht. Österreich wird dagegen stimmen, so Burtscher-Schaden. Das haben SPÖ, FPÖ und Grüne bereits 2017 im Nationalrat während des koalitionsfreien Raums beschlossen. Was das Ergebnis der EU-Abstimmung betrifft, ist der Experte skeptisch. Sollten Länder wie Italien oder Spanien nicht überraschend doch noch mit einer Enthaltung oder mit Nein stimmen, wären die Länder, von denen er glaube, dass sie mit Nein stimmen, in der Minderzahl: „Insofern kann es tatsächlich passieren, dass wir am 13. Oktober mit der Nachricht konfrontiert sind, dass Glyphosat für weitere zehn Jahre zugelassen ist“. Dann könne man nur hoffen, dass rechtliche Schritte die Zulassung noch stoppen können, sagt Helmut Burtscher-Schaden.

Bayer: Haben alle Studien eingereicht

„Bayer hat alle relevanten Studien eingereicht, die für das wissenschaftliche Dossier erforderlich waren“, so der Konzern in einer Stellungnahme gegenüber help.ORF.at. Bei der Bewertung der Auswirkungen von Glyphosat auf die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt seien keine kritischen Problembereiche identifiziert worden. Glyphosat sei nicht krebserregend, nicht genotoxisch, weder erbgutverändernd noch fortpflanzungsgefährdend. Insgesamt erfülle Glyphosat die in der EU-Pflanzenschutzmittelverordnung festgelegten Zulassungskriterien, so Bayer.