Ein Schild weist auf einen Privatparkplatz hin
IMAGO/Daniel Scharinger
IMAGO/Daniel Scharinger

Besitzstörung: Autofahrer beklagen Abzocke auf Privatgrund

Viele Autofahrer werden derzeit kräftig zur Kasse gebeten. In Abmahnbriefen wird ihnen vorgeworfen, sie hätten auf Privatgrund umgedreht bzw. wären über einen Privatparkplatz gefahren. Daher sollen sie 400 Euro bezahlen, andernfalls drohe eine Klage wegen Besitzstörung. Konsumentenschützer und Verkehrsjuristen kritisieren das Vorgehen als Geschäftemacherei. Die privaten Flächen seien in der Regel schlecht gekennzeichnet und für Autofahrer schlicht nicht erkennbar, die verlangten Geldbeträge viel zu hoch.

Als eine Wienerin in einem Farbengeschäft in Wien Penzing in der Lützowgasse 14A etwas besorgen wollte, fuhr sie mit dem Auto auf den Kundenparkplatz im Innenhof hinter dem Haus. Da dort mehrere Betriebe angesiedelt sind, fuhr sie das Innenflächen einmal ab, um sich zu orientieren. Schließlich entdeckte sie die Parkplätze, die dem Farbengeschäft zugeordnet waren, und parkte dort.

Frau sollte 400 Euro für Darüberfahren bezahlen

Wenig später erhielt sie einen Brief der Firma Zupf-di. Darin hieß es, sie habe eine Besitzstörung begangen, da sie Privatgrund befahren habe. Sie habe nun zwei Tage Zeit um 399 Euro zu bezahlen. Andernfalls werde man eine Besitzstörungsklage einreichen.

Die Lenkerin sah in ihrem Verhalten keinerlei Besitzstörung, sie sei weder stehen geblieben, noch habe sie geparkt. Sie sei nur über das unübersichtliche Gelände gefahren, bis sie den richtigen Kundenstellplatz gefunden habe.

Überwachungskameras erfassen Kennzeichen

Es habe sich auch vor Ort niemand gestört gefühlt oder beschwert, so die Wienerin. Das spielt allerdings keine Rolle, denn die Firmen überwachen ihre Parkplätze mit Videokameras, die die Kennzeichen automatisch erfassen, sobald man auf diesem Platz mit seinem Fahrzeug reversiert, parkt oder ihn auch nur kurz überfährt.

So wie der Frau geht es vielen Autofahrern. Fälle, in denen private Parkraumüberwacher wegen Besitzstörung abstrafen, haben in den letzten Jahren stark zugenommen. In Wien zählt neben dem Firmengelände in Penzing unter anderem auch die Breitenleerstraße 50/Ecke Walter Zehmann Gasse im 22. Bezirk zu den bekannten Abkassier-Orten.

Strenger Besitzschutz lädt zu Missbrauch ein

Die beiden Adressen sind auch Konsumentenschützern und Mobilitätsclubs durch Beschwerden von Konsumentinnen und Konsumenten bekannt. Der Besitzschutz ist in Österreich ausgesprochen stark ausgelegt – was nach Ansicht von Verbraucherschutzeinrichtungen und Mobilitätsclubs auch zu Missbrauch einlädt.

„Es gibt immer wieder Zeiten und Orte, wo sich diese Störungsfälle häufen. Wir nennen das Goldgräberstimmung, weil wieder einige findige Menschen die Idee hatten, daraus ein Geschäftsmodell zu kreieren“, so ÖAMTC-Jurist Mathias Wolf gegenüber help.ORF.at.

ÖAMTC: Darf keine Geldmacherei sein

Dass eine Besitzstörung vorliege sei nachvollziehbar und rechtlich gedeckt. Grundsätzlich sei jedes Überschreiten einer Grundstückgrenze schon eine Besitzstörung, unabhängig von der Dauer.

„Allerdings soll das Mittel der Abwehr einer echten Störung dienen und nicht der Geldmacherei“, so Wolf. Das kritisiert auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und andere Verbraucherschutzeinrichtungen. Einige Firmen wie Parkheld oder Zupf di haben sich darauf spezialisiert, solche Forderungen zu verschicken. Aber auch Anwälte verschicken solche Geldforderungen.

Schlecht erkennbare oder irreführende Schilder

Den Besitzstörungs-Hotspots ist gemein, dass sie meist schlecht erkennbar sind. Eine klare Kennzeichnung fehlt, Schranken, Zaun oder Poller, die ein Einfahren verhindern, gibt es nicht und wenn es eine Beschilderung gibt, ist diese in der Regel schlecht einsehbar oder irreführend. Im Fall der Wienerin etwa stand dort ein Schild „Kundenparkplatz – widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt“.

Da sie Kundin war und auch auf dem richtigen Kundenparkplatz parkte, sah sie kein Vergehen. Dass auch schon für das kurze Überfahren eines anderen Parkplatzes am gleichen Gelände Geld verlangt werde, war für sie an dem Schild nicht zu erkennen.

Gesetz schreibt nicht vor, wie gekennzeichnet sein muss

Das Problem: Laut Gesetz muss ein Privatgrund nicht unbedingt mit einem Schild gekennzeichnet sein. Es reiche, wenn für einen Außenstehenden erkennbar sei, dass es sich um einen Privatbesitz handle, so Wolf vom ÖAMTC. Wie das erfolgen muss, sei nicht vorgeschrieben. So genüge etwa auch eine abgeschrägte Gehsteigkante, ein anderer Belag oder eine Bodenmarkierung.

Dass Besitzer ihren Privatgrund nicht besser kennzeichnen, um wirklich zu verhindern, dass dort jemand zufährt, lässt auf eine Geschäftemacherei schließen, so auch die Kritik der betroffenen Autofahrer und Autofahrerinnen.

Kritik an überzogenen Geldforderungen

Auch die Geldforderungen von üblicherweise 400 Euro (wenn man binnen weniger Tage bezahlt) – wovon 200 die Besitzer des Privatgrundes bekommen, 200 Euro behält Zupf di – kritisieren ÖAMTC und VKI als unverhältnismäßig hoch.

Das sah auch das Landesgericht für Zivilsachen in einer Entscheidung gegen das Abschleppunternehmen Toman im Jahr 2021 so. Es entschied, dass 400 Euro zu viel seien – mehr dazu in Gericht schiebt überhöhter Parkstrafe Riegel vor. Doch das Urteil ist eine Einzelfallentscheidung und kann daher nicht allgemein angewendet werden. Jeder Fall muss weiterhin individuell beurteilt werden.

Die Abmahner drängen zudem in ihren Briefen auf eine möglichst schnelle Bezahlung – Hintergrund ist, dass eine Besitzstörung nur 30 Tage vor Gericht geltend gemacht werden kann. Danach ist es zu spät und der Privatgrundbesitzer kann keine Klage mehr einreichen.

Zupf di und Parkheld

Der Geschäftsführer der Firma Zupf di, Stefan Saverschel, erklärte gegenüber help.ORF.at, es sei keine Abzocke, sondern ein Service für chronisch gestörte Besitzer, die sich sonst nicht gegen Falschparker zu wehren wüssten. Würde die Besitzstörung vor Gericht gebracht, wären die Kosten noch weitaus höher.

Wie viele Klagen Zupf di bisher eingebracht hat oder wie viele Fälle die Firma so im Schnitt bearbeitet, dazu wollte sich Saverschel nicht äußern. Man sei jedenfalls seriös und habe ein Geschäftsmodell wie viele andere auch, das der Rechtslage in Österreich entspreche, so Saverschel.

Auch Parkheld weist den Vorwurf der Geldmacherei gegenüber help.ORF.at als „absurd“ zurück. Bei Parkheld.at würde je nach Fall und Aufwand eine angemessene Pauschale verrechnet, die auch nachvollziehbar sei, so die Firma.

Tipp: Sofort Rechtsberatung einholen

Der ÖAMTC rät betroffenen Autofahrern und Autofahrerinnen, die mit einer derartigen Forderung konfrontiert sind, dazu, nicht gleich zu bezahlen, sondern rasch eine Rechtsberatung bei einem Mobilitätsclub oder einem Konsumentenschutzverein einzuholen. Die dortigen Rechtsexpertinnen und -experten sehen sich jeden individuellen Fall an und unterstützen beim weiteren Vorgehen.

Zudem fordert der Mobilitätsclub eine Modernisierung des Besitzschutz-Gesetzes, das noch aus dem Jahr 1812 stammt. „Es bräuchte in Österreich klare Vorgaben, wie man Privatbesitz erkennt. Und es bräuchte auch klare gesetzliche Obergrenzen für diese Unterlassungserklärungen mit den Geldforderungen,“ so Wolf.