Der Auspuff eines Volkswagen auf einem Mitarbeiterparkplatz vor dem VW Werk in Wolfsburg (
APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Dieselskandal: Deutsches Urteil erleichtert Weg zu Schadenersatz

Ein aktuelles Urteil des deutschen Bundesgerichtshofes (BGH) gibt auch den Dieselklagen österreichischer Betroffener neuen Auftrieb. Demnach besteht auch bei Wagen mit Thermofenster-Software ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises. VW kündigte Berufung gegen das Urteil an.

Laut dem Urteil haben Verbraucherinnen und Verbraucher auch dann Anspruch auf Schadenersatz, wenn in ihren Fahrzeugen unzulässige – aber behördlich genehmigte – Abschalteinrichtungen mit Thermofenstern verbaut wurden.

Grundsätzlich stehe den betroffenen Autokäuferinnen und Autokäufern dann ein Schadenersatz in Höhe von fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises zu, urteilte der BGH. Ein Sachverständigengutachten sei dafür nicht erforderlich. Damit folgt Karlsruhe der Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg.

Betroffenen-Anwalt: „Urteil sensationell“

Was das Urteil des BGH für Verfahren bedeutet, in denen Gutachten einen höheren Schaden bescheinigen, bleibt offen. Der Linzer Anwalt Michael Poduschka hält es für wahrscheinlich, dass die vom BGH vorgegebene Bandbreite von fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises eine Untergrenze darstellt. Liegt also ein Gutachten vor, das für den Zeitpunkt des Autokaufs einen höheren Schaden feststellt, muss dies wohl bei der Bemessung des Schadenersatzes berücksichtigt werden.

„Das BGH-Urteil ist sensationell, weil erstmals in Mitteleuropa ein nationales Höchstgericht Schadenersatz zuspricht, um Schädiger von der Missachtung europarechtlicher Schutzgesetze abzuhalten“, so Poduschka. „In Zeiten des industrialisierten Betruges war das schon lange überfällig.“

Viele Geschädigte auch in Österreich

Der Linzer Anwalt führt im Dieselskandal etwa 1.000 Einzelverfahren gegen Volkswagen und VW-Händler und vertritt auch den Verein für Konsumenteninformation (VKI) in mehr als zehn Sammelklagen mit rund 10.000 Geschädigten.

Auch deutschen Sammelklagen anschließen

Auch Peter Kolba, Chefjurist des Verbraucherschutzvereins (VSV), sieht nach der Entscheidung des BGH neuen Schwung in die Diesel-Klagen kommen.

Inhaber von Fahrzeugen mit dem VW-Motor EA 288 und von Daimler können sich außerdem kostenlos an den Sammelaktionen des Verbraucherschutzvereins in Deutschland beteiligen, teilte der VSV mit.

VW und Audi gehen in Berufung

Von VW und der Konzerntochter Audi hieß es, der BGH habe keine Feststellungen zum Vorliegen eines Anspruchs auf die Erstattung eines etwaigen Minderwerts getroffen. Ob dieser Anspruch vorliege müssten die Berufungsgerichte jetzt klären.

Nach Auffassung von Volkswagen und Audi liegen in beiden Fällen die Anspruchsvoraussetzungen für einen Schadensersatz nicht vor, daher seien die Klagen abzuweisen. Volkswagen und Audi würden davon ausgehen, dass die Berufungsgerichte einen Anspruch auf Erstattung des Minderwerts ablehnen werden.

Die Thermofenster-Technik

Der deutsche Bundesgerichtshof hatte zuvor entschieden, Autohersteller müssen grundsätzlich Schadenersatz für Dieselautos mit Thermofenster-Technik zahlen.

Bei der Thermofenster-Technik handelt es sich um eine spezielle Software, die die Abgasreinigung in Autos steuert. Bei bestimmten Temperaturen wird diese Reinigung heruntergefahren oder ganz ausgeschaltet. Nach Angaben der Hersteller soll das den Motor schützen.

Der BGH hob damit Urteile von deutschen Gerichten auf, die Schadenersatzklagen abgewiesen hatten, und verwies sie zurück. Die Berufungsgerichte müssten die Haftungsfrage weiter aufklären, erklärte Richterin Eva Menges.