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Screenshot viagogo.at
Screenshot viagogo.at

Viagogo ignoriert weiterhin Urteile

Die Ticketplattform Viagogo ist dafür bekannt, Tickets für Konzerte und Sportevents zu einem überteuerten Preis zu verkaufen. Dafür wurde das Schweizer Unternehmen bereits vor Gericht zur Verantwortung gezogen. Das hält Viagogo nicht davon ab, trotzdem so weiterzumachen. Durch den Firmensitz in der Schweiz fehle es an einer rechtlichen Handhabe, so die Arbeiterkammer (AK).

Seit dem Jahr 2014 ist die Ticketverkaufsplattform Viagogo bei der Arbeiterkammer Steiermark (AK) bekannt: Jährlich gehen Dutzende Fälle von Konsumentinnen und Konsumenten ein, die bei Viagogo für Konzert- oder Fußballtickets um ein Vielfaches mehr bezahlen als sie beim Veranstalter kosten.

Trotz eines OGH-Urteils gegen Viagogo aus dem Jahr 2020 sieht sich die AK kaum in der Lage, rechtlich gegen das Unternehmen vorzugehen. Nachdem Viagogo seinen Firmensitz in der Schweiz hat, bestehe ein großes Risiko, auf den Exekutionskosten sitzen zu bleiben.

Viagogo verrechnete 312 statt 76 Euro für Tickets

Im letzten Fall zu Viagogo buchte eine Konsumentin aus Graz-Umgebung Karten für eine Veranstaltung mit dem Titel „Der magische Lichterpark“ am Golfclub Murhof, sagt Juristin Bettina Schrittwieser, Leiterin der Abteilung für Konsumentenschutz bei der AK Steiermark.

Für vier Tickets habe die Steirerin 312 Euro bezahlt. Erst als ihr die Karten zugeschickt wurden, habe sie festgestellt, dass eine Karte direkt beim Veranstalter nur 19 Euro gekostet hätte, so Schrittwieser. Damit habe die Konsumentin für die Tickets mehr als das Vierfache bezahlt.

Verstoß gegen Laesio enormis

Dieser Fall sei nur einer von vielen, so die Juristin. Das Unternehmen verletze mit seinen stark überhöhten Preisen gegen den Rechtsgrundsatz „Laesio enormis“ (Verkürzung über die Hälfte). Davon spreche das Gesetz, wenn man für eine Ware oder Dienstleistung mehr als das Doppelte des üblichen oder tatsächlichen Preises bezahlen muss. Ist das der Fall, sei das Geschäft rechtsunwirksam.

Sowie Verstoß gegen Wettbewerbsrecht

Doch damit nicht genug: Viagogo verstößt mit seiner Geschäftspraxis auch gegen das UWG, das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Das entschied der Oberste Gerichtshof im Jahr 2020. „Und zwar deshalb, weil Viagogo in Verträgen mit Konsumentinnen und Konsumenten den Verkäufer des Tickets nicht bekannt gibt“, so Schrittwieser.

Kaufvertrag kommt rein rechtlich garnicht zustande

Dass man als Käufer auch den Verkäufer kenne, sei eine wesentliche Voraussetzung für den rechtswirksamen Abschluss eines Kaufvertrages. Ist das nicht der Fall, könne der Vertrag wegen Nichtigkeit angefochten werden, so Schrittwieser.

Viagogo zahlt Geld trotz Urteilen nicht zurück

Auf Interventionsversuche der AK reagierte Viagogo entweder gar nicht oder, in seltenen Fällen, ablehnend, sagt . Zweimal habe die Arbeiterkammer Steiermark Viagogo erfolgreich geklagt. Das Unternehmen habe sich dennoch geweigert, zu zahlen.

Schwere Rechtsdurchsetzung in der Schweiz

Die AK habe in der Schweiz, wo Viagogo seinen Firmensitz hat, einen Exekutionsanwalt beauftragen müssen, der das Geld für die Konsumenten zurückholt habe. In einem Fall habe das Schweizer Exekutionsgericht allerdings entschieden, dass die Arbeiterkammer die Exekutionskosten von mehr als 3.000 Euro selbst bezahlen müsse.

Innerhalb der EU wäre das undenkbar, ärgert sich Schrittwieser. „Da wir gesehen haben, dass wir auch mit Klagen vor Gericht nicht weiterkommen, können wir derzeit in Einzelfällen keine Unterstützung bei Gerichtsverfahren mehr anbieten“, so die Juristin.

Neuer Gesetzesvorschlag soll Lage ab Mai verbessern

Das Justizministerium bestätigt gegenüber help.ORF.at die Schwierigkeit der Rechtsdurchsetzung bei Unternehmen wie Viagogo, die ihren Sitz in Drittstaaten haben. Das sei höchstwahrscheinlich Kalkül, um sich dem Regelungskorsett der EU zu entziehen. Zur Verbesserung des Übereinkommens mit Drittstaaten werde die EU-Kommission deshalb noch im Mai einen Gesetzesvorschlag vorlegen.

Viagogo weist alle Vorwürfe zurück

Viagogo erklärte gegenüber help.ORF.at: Weder kaufe noch verkaufe man Tickets, damit lege man auch die Höhe der Kartenpreise nicht selbst fest. Werden Tickets von gewerblichen Händlern verkauft, würde man diese vor Abschluss des Verkaufes deutlich anzeigen.

AK fordert Auslistung bei Suchmaschinen

Schrittwieser von der AK sieht derzeit nur eine Möglichkeit, gegen Viagogo vorzugehen: Große Suchmaschinen müssten Anzeigen von Viagogo sperren. Marktführer Google sieht dazu gegenüber help.ORF.at jedoch keine Veranlassung: In den Werberichtlinien des Unternehmens sei festgelegt, dass Wiederverkäufer wie Viagogo die Bedingungen, zu denen sie Tickets anbieten, transparent darstellen müssen.

Seit November 2019 verstoße das Unternehmen nicht mehr gegen Googles Werberichtlinien, damit dürfe Viagogo bei Google werben. Schließlich sei man keine Aufsichtsbehörde für den sekundären Tickethandel.

Derzeit Viagogo bei Google noch leicht zu finden

Schrittwieser hofft dennoch auf ein Umdenken der Suchmaschinen. „Derzeit sehen wir, dass, wenn man Karten für eine Veranstaltung sucht, in fast allen Fällen Viagogos Anzeigen als erste Suchergebnisse auf großen Suchmaschinen erscheinen“, so Schrittwieser.

Würden die Suchmaschinen die Anzeigen von Viagogo nicht mehr entgegennehmen, wäre den Konsumentinnen und Konsumenten sehr geholfen, weil sie nicht so rasch zu dieser Plattform geleitet würden, ist Schrittwieser überzeugt.