Paragrafensymbole an den Türgriffen eines Gerichtsgebäudes
APA/dpa/Oliver Berg
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Erstes Verbot von Nikotinbeuteln für Jugendliche

„Snusen“ heißt ein Trend, der sich in den vergangenen Jahren unter Teenagern verbreitet. Weiße Nikotinbeutelchen werden unter die Oberlippe geschoben, das Nikotin dringt über die Schleimhaut direkt in den Körper. In Vorarlberg hat die Landesregierung nun ein Verbot für unter-18-Jährige beschlossen. Suchtexperten fordern eine österreichweit einheitliche Regelung.

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„Begonnen hat es in der Corona-Zeit, da konnten sich Jugendliche hinter der Maske unbemerkt Nikotinbeutel unter die Oberlippe schieben“, sagt Andreas Prenn, Leiter der Suchtpräventionsstelle des Landes Vorarlberg (SUPRO). Nachdem Nikotin eine der am schnellsten und stärksten süchtig machenden Substanzen sei, seien inzwischen bereits sehr viele Jugendliche abhängig. Ein Nikotinbeutel enthalte drei- bis fünfmal so viel Nikotin wie eine Zigarette, aber keinen Tabak, so Prenn.

Experte: Zahnfleischerkrankungen und Krebs als Folge

Anders als beim Rauchen, wo man unterschiedlich tief inhalieren kann, sei man bei den Beuteln nicht in der Lage, die Aufnahme des Nikotins zu beeinflussen. Die Folgen seien verheerend: „Was man sofort feststellen kann, ist, dass es zu Zahnfleischbluten kommt und Parodontose entsteht“, so Prenn. Außerdem könne es zu Krebs im Mundraum kommen: von Zungen-, Rachen- bis hin zu Kehlkopfkrebs, aus dem skandinavischen Raum seien hier schon viele Fälle bekannt. „Nikotinbeutel sind keineswegs die gesündere Alternative zu Zigaretten, wie in der Werbung behauptet wird“, so der Suchtexperte.

Nikotinbeutel im Jugendschutzgesetz nicht umfasst

Vergangenes Jahr hat die SUPRO eine Reihe von Testkäufen mit Teenagern durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass sogar Jugendliche unter 16 in Trafiken Nikotinbeutel kaufen können. Die Bezirkshauptmannschaft leitete ein Verfahren ein, ein Trafikant wurde bestraft, legte aber Berufung ein und gewann schließlich. Das Gerichtsurteil im Herbst 2021 besagt, dass Nikotinbeutel vom Jugendschutzgesetz nicht umfasst sind.

„Folgt man der Entscheidung des Gerichts, könnten Kindergartenkinder diese Nikotinbeutel bei einer Abgabestelle kaufen“, sagt Prenn. Die meisten Tabaktrafikanten und anderen Abgabestellen, wo man Zigaretten- und Nikotinprodukte bekommt, würden aber nicht an Jugendliche unter 18 verkaufen. Solange das Jugendschutzgesetz Nikotinbeutel aber nicht miteinschließt, könnten Teenager für deren Konsum nicht bestraft werden.

Suchtexperte fordert bundesweites Verbot

Das soll sich jetzt ändern. Die Vorarlberger Landesregierung hat diese Woche einen Entwurf zur Änderung des Jugendschutzgesetzes vorgelegt. Dieser sieht ein Verbot von Nikotinbeuteln für unter-18-Jährige vor. Im Frühjahr soll das Gesetz beschlossen werden. Zum bereits bestehenden Einnahmeverbot von Tabakprodukten und Alkohol wird eine dritte Gruppe aufgenommen: „sonstige Rausch- und Suchtmittel, die geeignet sind, rauschähnliche Zustände oder Abhängigkeit hervorzurufen“.

Nikotinbeutel fallen unter diese Gruppe, da sie keinen Tabak enthalten. Nachdem Jugendschutz aber Ländersache ist, wird das neue Gesetz nur in Vorarlberg gelten. Wünschenswert wäre ein österreichweites Verbot, sagt der Suchtexperte: „Die Tabak- und Nikotingesetzgebung sollte bundesweit auf den neuesten Stand gebracht werden“. Andreas Prenn geht davon aus, dass Gesundheitsminister Johannes Rauch im Frühjahr 2023 einen entsprechenden Entwurf vorlegen wird.

Regierung, Schulen und Eltern gefordert

Mit der Gesetzgebung allein könne man den Konsum von Nikotinbeuteln bei Teenagern aber nicht verhindern, ist Prenn überzeugt. Dafür brauche es weiterhin Vorträge und Workshops an Schulen, um Jugendliche für das Thema zu sensibilisieren und die Risiken aufzuzeigen. Aber auch die Schulen selbst seien gefordert.

Der Experte schlägt klare Regelungen in den Schulordnungen vor und fordert Lehrerinnen und Lehrer dazu auf, zum Thema Nikotinbeutel eindeutig Stellung zu nehmen: „Bitte gebt das raus, das hat bei uns nichts verloren“, so Prenn. Eine wichtige Rolle käme auch den Eltern zu. Es läge in deren Erziehungsverantwortung, dass ihre Kinder das nicht konsumieren. „Wenn Eltern klar Haltung beziehen, fangen die Jugendlichen im Idealfall erst gar nicht damit an“. Das sei eine wesentliche Präventionsmaßnahme.