ÖBB Nightjet
ÖBB/Harald Eisenberger
ÖBB/Harald Eisenberger

Zugfahren im Rollstuhl bleibt beschwerlich

Die ÖBB werben mit Barrierefreiheit auf vielen Bahnverbindungen. Doch auf ihren gebuchten Nightjet mit Rollstuhlabteil wartete eine Wienerin am Bahnsteig vergeblich. Statt ein paar Tage nach Amsterdam, ging es für sie wieder zurück nach Hause.

Gemeinsam mit ihrer Freundin wollte eine Wienerin ein paar Tage in die Niederlande reisen, um dort die Floriade, eine internationale Gartenschau, zu besuchen.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1 und als Podcast.

Da sie einen Rollstuhl nutzt, buchte sie für die Hin- und Rückfahrt nach Amsterdam ein Ticket im Nightjet der ÖBB. Dieser wird als barrierefrei beworben, da er über ein Rollstuhlabteil mit zwei Liegeplätzen verfügt. Zum Ein- und Aussteigen mit Rollstuhl wird außerdem eine Hebebühne benötigt, um die hohen Stufen im Nightjet zu überwinden.

Die Buchung erfolgte über die ÖBB-Hotline. Mit dem gebuchten Einstiegsservice und den bezahlten Tickets im Gepäck machten sich die Freundinnen auf den Weg zum Wiener Hauptbahnhof.

eine Mitarbeiterin der ÖBB hilft einem gehbehinderten Fahrgast beim Ausstieg über eine Heberampe
ÖBB/Harald Eisenberger
In vielen Zügen wird noch eine Hebebühne für das Einsteigen benötigt

Zug hatte gar kein Rollstuhlabteil

Als der Zug in den Bahnhof einfuhr, stellte sich allerdings heraus, dass dieser gar kein behindertengerechtes Abteil hatte. Ein Ausweichen in ein Standard-Abteil war nicht möglich, da die Wienerin mit dem Rollstuhl erst gar nicht soweit kommt.

Sowohl die Türen als auch die Gänge in dem Zug sind so schmal, dass mit einer durchschnittlichen Rollstuhlgröße kein Durchkommen möglich ist. Die Rollstuhlfahrerin hätte die mehr als zwölfstündige Fahrtzeit im lauten und zugigen Vorraum verbringen müssen, wobei sie noch nicht einmal die Toilette hätte nutzen können, da der Rollstuhl auch hier nicht hineinpasst.

Fehlinformationen am Bahnsteig

Die Wienerinnen konnten ihre lange im Voraus geplante Reise also nicht antreten. Statt nach Amsterdam zur Floriade ging es für sie wieder nach Hause.

Die ÖBB-Mitarbeiter am Bahnsteig waren ebenfalls keine Hilfe, sondern sorgten für weitere Verwirrungen. Sie erzählten der Wienerin, der Zug nach Amsterdam sei nie mit einem Rollstuhlabteil ausgerüstet. Eine Fehlinformation, wie sich später herausstellte.

Keine Information, dass Abteil defekt

Die ÖBB erklärten uns gegenüber, der Nachtzug nach Amsterdam verfüge in der Regel über ein rollstuhlgerechtes Multifunktionsabteil. An diesem Tag sei es aber leider zu einem Defekt gekommen, so dass der Wagen nicht eingesetzt werden konnte.

Wäre die Kundin im Vorfeld über dieses Gebrechen informiert worden, hätte sie sich zumindest die Fahrt zum Hauptbahnhof samt Gepäck erspart. Ihre Kontaktdaten hatte sie bei der Buchung hinterlegt.

Mann im Rollstuhl in einem Zug der ÖBB
ÖBB/Harald Eisenberger
Genug Platz zum Befahren mit dem Rollstuhl gibt es nur auf eigenen barrierefreien Plätzen

Passagiere haben Fahrgastrechte

Auf unsere Nachfrage erklärten die ÖBB, dass bei der Hotline offenbar ein Tippfehler bei der Eingabe der E-Mail-Adresse passiert sei und die Kundin deswegen keine automatische Information erhalten habe. Man entschuldige sich vielmals bei der Wienerin. Wie in den EU-Fahrgastrechten vorgesehen, erstattete ihr die ÖBB die Hotel- und Ticketkosten zurück, zusätzlich erhielt sie einen 60-Euro-Gutschein als Entschädigung.

Probleme wie diese seien leider kein Einzelfall, erklärt Markus Ladstätter vom Verein BIZEPS – Zentrum für Selbstbestimmtes Leben, der selbst einen Elektrorollstuhl nutzt: „Solche Geschichten haben wir leider schon öfter gehört“.

Auch viele Bahnhöfe nicht barrierefrei

Das Reisen im Rollstuhl sei immer noch beschwerlich, aufgrund von baulichen Barrieren wie nicht barrierefreien Fahrzeugen oder auch mangelhafter Services, wodurch die Beförderung erschwert oder verhindert werde.

Zwar habe sich das Angebot für Menschen mit Behinderungen in den vergangenen Jahren verbessert – von echter Barrierefreiheit könne aber noch nicht die Rede sein. So seien etwa viele Bahnhöfe noch immer nicht rollstuhlgerecht ausgebaut.

eine Rollstuhlfahrerin beim Aussteigen aus einem Aufzug
Wolfgang Bellwinkel
Auch viele Bahnsteige sind immer noch nicht barrierefrei

Ziel: Reisen wie jeder andere auch

Ziel müsse sein, dass Menschen im Rollstuhl ohne fremde Hilfe von A nach B fahren können, so Ladstätter: „Behinderte Menschen müssen die Dienstleistungen der ÖBB so nutzen können wie nicht behinderte Menschen auch“.

Es könne natürlich auch einmal Fälle geben, wo das nicht möglich sei. „Doch da sollten die ÖBB rechtzeitig darüber informieren“, so Ladstätter. Bei Flugreisen würden Passagiere von den Fluggesellschaften ja auch informiert, wenn ein Flug gestrichen werde. Das sollte die ÖBB noch verbessern.

Rechte einfordern, Organisationen unterstützen

Bis selbstständiges Reisen für mobilitätseingeschränkte Menschen zur Selbstverständlichkeit wird, müssen sie weiter ihre Rechte einfordern, sagt Ladstätter. Behindertenorganisationen und Konsumentenschutzeinrichtungen unterstützen Betroffene dabei.