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APA/dpa/Marijan Murat
APA/dpa/Marijan Murat

Schreckgespenst Inflation: Strategien gegen Teuerung

Viele Österreicherinnen und Österreicher fürchten die Folgen der Inflation. Die Europäische Zentralbank (EZB) tut derzeit aber wenig, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten. Auch die heimische Politik wirkt mehr oder minder ratlos. Kann man die Situation in absehbarer Zeit in den Griff bekommen, oder werden wir als Gesellschaft mittelfristig ärmer werden?

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Alles wird teurer, die hohen Energiekosten machen sich mittlerweile auf allen Ebenen bemerkbar. Neben Heizgas und Benzin sind auch Lebensmittel und Baustoffe im Preis stark gestiegen. Umfragen zufolge ist die anhaltende Inflation mittlerweile die größte Sorge vieler Österreicherinnen und Österreicher.

Experte: EZB steckt in einem Dilemma

Gegensteuern könnte die Europäische Zentralbank, etwa indem sie die Zinsen anhebt, die nach wie vor bei null Prozent liegen. Noch zögert die Behörde allerdings. Die EZB befinde sich in einem Dilemma, sagt der Chefökonom des österreichischen Momentum-Instituts, Oliver Picek. Würden die Zinsen angehoben, könnte man die Inflation zwar eindämmen, würge aber die Wirtschaft ab, so Picek. Höhere Zinsen bewirken eine geringere Nachfrage nach Krediten für Investitionen, da die Gewinnaussichten der Unternehmen sinken. Die Folge ist eine verringerte Geldnachfrage, das Preisniveau stabilisiert sich.

Angesichts der geringeren Gewinnerwartung und höherer Investitionskosten würden die Unternehmen wohl auf niedrige Lohnabschlüsse drängen. Auf der einen Seite würden Konsumentinnen und Konsumenten also durch stabilere Preise entlastet, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch geringere Löhne aber wiederum belastet.

Europäische Zentralbank (EZB)
AFP / ANDRE PAIN
Die Europäische Zentralbank in Frankfurt am Main ist die oberste Währungsbehörde der Europäischen Währungsunion

„Lohnsteigerungen müssen Teuerung abfedern“

Hauptgrund für die momentane Unruhe auf den Märkten ist der Krieg in der Ukraine. Russland hat die Fördermengen reduziert, weswegen die Preise in Europa gestiegen sind. Da man auf die Marktpreise der Energieträger keinen direkten Einfluss habe, könne man auch nur schwer gegensteuern, so Picek. Zwar könne man die Preise deckeln, wie das momentan in Ungarn und Slowenien gemacht wird, das sei aber ein starker Markteingriff, zu dem die österreichische Bundesregierung derzeit nicht bereit sei.

Der Ökonom sieht hierzulande die Gewerkschaften und Sozialpartner gefordert. Um die aktuelle Teuerung abzufedern und auch den Mittelstand zu entlasten, sei es ratsam, Lohnsteigerungen auszuhandeln, die nicht allzu sehr hinter der Teuerung zurückbleiben, so Picek.

Experte warnt vor negativen Folgen eines Gasembargos

Momentan setzt die EZB ihre Nullzinspolitik fort und setzt darauf, dass sich die Lage in absehbarer Zeit von selbst stabilisiert. Sollten die Preise allerdings weiter so stark steigen, werde man reagieren müssen, meint Picek. Die Wirtschaftslage sei nach wie vor halbwegs zufriedenstellend, daher sollte es möglich sein, mittels steigender Löhne die Kaufkraft zu erhalten.

Gaszähler
APA/GEORG HOCHMUTH
Rund 80 Prozent der österreichischen Gasimporte stammen aus Russland

Sollte der Krieg allerdings länger andauern, sei nicht auszuschließen, dass die Wirtschaft längerfristig Schaden nimmt. Auch ein Gas- oder Ölembargo hätte für Österreich negative Folgen. In so einem Fall würde die Arbeitslosigkeit steigen, die Teuerung könnte über die Gehaltsverhandlungen wohl nicht mehr abgefedert werden, warnt der Experte. Die enormen Preissteigerungen würden dann wohl auch für kommende Jahre erhalten bleiben.

„Kurz- und mittelfristig auf russisches Gas angewiesen“

Der Krieg in der Ukraine hat die Abhängigkeit von russischem Gas deutlich gemacht. Die Europäische Union möchte diese Abhängigkeit in den kommenden Jahren und Jahrzehnten drastisch reduzieren. Der Ausbau erneuerbarer Energien sei hier ein wesentlicher Hebel. Wenn es gelinge, die Notwendigkeit fossiler Energieträger in einem großen Ausmaß zu reduzieren, könnte Energie in Zukunft tatsächlich günstiger werden, so Picek. Allerdings handelt es sich hierbei um eher langfristige Perspektiven.

Kurz- und mittelfristig sei Österreich für einen Ausstieg aus russischem Gas weit weniger gut gerüstet als andere Länder, so der Experte. Russisches Gas ist günstig und kommt seit jeher über Pipelines, die schon lange in Betrieb sind. Will Österreich seinen Bedarf über andere Anbieter decken, müssten neue Erdgasleitungen errichtet werden, was mehrere Jahre in Anspruch nehmen dürfte.

Flüssiggas: Import nur über Drittländer möglich

Andere Länder tun sich da leichter. Italien hat dem Vernehmen nach einen erweiterten Liefervertrag mit Algerien abgeschlossen, die notwendigen Pipelines sind in diesem Fall aber bereits vorhanden, weil Italien schon jetzt etwa 30 Prozent seines Erdgasvorrats aus Algerien bezieht.

Alternativ könnte man zu dem teureren Flüssiggas (LPG = Abk. für Liquefied Petroleum Gas) greifen, das aber erst in drei oder vier Jahren in ausreichenden Kapazitäten zur Verfügung stehen dürfte, so Picek. Außerdem müsste LPG über Drittstaaten importiert werden. Österreich und Deutschland verfügen derzeit über keine Hafenanlagen, die Import und Aufbereitung von Flüssiggas ermöglichen. Während Deutschland nun ein entsprechendes Terminal errichten möchte, kann Österreich ein solches Vorhaben mangels Meereszugang nicht realisieren. Letztlich hätten also wohl beide Varianten zur Folge, dass die Energiepreise für österreichische Verbraucherinnen und Verbraucher in den kommenden Jahren weiter steigen würden.

Inflation im internationalen Vergleich
APA
Nicht nur Österreich leidet an den Folgen der Inflation

Ökostromanbieter nutzen Krise zur Gewinnmaximierung

Im Moment könne Österreich also nur hoffen, dass es zu keinem Lieferstopp oder Embargo von russischem Gas kommt, sagt Picek. Anderenfalls gebe es enorme Auswirkungen auf die heimische Industrie und die damit verbundenen Arbeitsplätze. Auch die Versorgungssicherheit könnte leiden, die Blackout-Gefahr würde wohl ansteigen, befürchtet der Experte.

Alles in allem keine guten Aussichten für Verbraucherinnen und Verbraucher, zumal steigende Preise im Handel früher oder später an die Kundinnen und Kunden weitergegeben werden. Es gebe aber auch Unternehmen, die von der momentanen Situation profitieren, sagt Picek. Als Beispiel nennt der Ökonom den Verbund, dessen Kosten nur gering gestiegen seien, da das Unternehmen einen Großteil seiner Energie aus Wasserkraft bezieht. Trotzdem könne auch der Verbund unter Berücksichtigung der aktuellen Großhandelspreise liefern und auf diese Weise gute Gewinne lukrieren.

Umverteilung als Weg aus der Krise

Auch Benzin- und Dieselproduzenten wie die OMV konnten in der momentanen Situation ihre Gewinne maximieren, sagt Picek. In solchen Fällen hätte der Staat durchaus die Möglichkeit, regulierend einzugreifen und die Teuerungswelle zu dämpfen. Der Staat könne solche Preisaufschläge etwa über eine Sondersteuer abschöpfen und hätte auf diese Weise Geld zur Verfügung, um kleine und mittlere Einkommen zu entlasten, meint Picek.

Gesamtwirtschaftlich sei die Situation nach wie vor überschaubar, sagt Picek. Wer allerdings auf fossile Energieträger beim Heizen oder auf das Auto angewiesen ist, dürfte die Teuerung tatsächlich noch stark zu spüren bekommen, sollte die Inflation weiter steigen. Für die Bundesregierung, aber auch die Sozialpartner werde die große Herausforderung darin bestehen, die bevorstehenden Wohlstandsverluste aufzuteilen. Ohne eine entsprechende Umverteilung werde man kaum gut durch die Krise kommen, so der Chefökonom des Momentum-Instituts.