Ein Notenhaufen mit 10er-, 20er- und 50er-Schweizer-Franken-Noten
Schweizerische Nationalbank
Schweizerische Nationalbank

OGH-Entschluss zu Fremdwährungskrediten stärkt Verbraucherrechte

Bei Fremdwährungskreditverträgen der Bank Austria mangelt es an Grundlegendem, hat der Oberste Gerichtshof (OGH) festgestellt: Die tatsächliche Kreditsumme lässt sich nach den Klauseln des Vertrags nicht nachvollziehbar berechnen. Die Folge: Der Vertrag ist nichtig, weil intransparent.

Der OGH folgt damit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) – mit weitreichenden Konsequenzen für Verbraucherverträge: Zwar führen unzulässige Klauseln nicht automatisch und in jedem Fall zur Vertragsunwirksamkeit. Wenn aber die Hauptleistung unbestimmt bleibt, etwa die Kreditsumme oder der Kaufpreis, dann kann der Vertrag nicht durchgeführt werden

Fremdwährungskredite an Privatpersonen sind zwar seit 2009 verboten, vorbei ist die Geschichte allerdings noch lange nicht. Verträge, die in den Nullerjahren abgeschlossen wurden, werden die Instanzen noch jahrelang beschäftigen. Das Problem: Die seinerzeit als besonders günstig beworbenen Kredite, meistens in Schweizer Franken, entpuppten sich als ruinös teuer. Spätestens nachdem die Bindung des Franken zum Euro 2015 aufgegeben wurde und der Euro gegenüber der Schweizer Währung in Folge abstürzte.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1 und als Podcast.

Starker Franken, schwacher Tilgungsträger

Die Kredite sind meist endfällig, das heißt: Bis zum Ende der Laufzeit werden nur Zinsen verrechnet, die gesamte Kreditsumme muss zum Schluss auf einmal zurückgezahlt werden. Das hätte durch sogenannte Tilgungsträger aufgefangen werden sollen: Finanzprodukte, die so viel abwerfen sollten, dass sich die Kreditsumme locker ausgehen, und sogar noch etwas mehr übrigbleiben sollte. Ein Versprechen, dass sich in Luft auflöste. Die Performance der meisten Tilgungsträger war erbärmlich, der starke Franken ließ die Zinszahlungen in Euro explodieren und die Kreditsumme schwoll auf unerträgliche Maße an.

Höchstrichterliche Forderung nach Transparenz

Klagen wegen mangelhafter Beratung und unzulässiger Vertragsklauseln waren die Folge. Die Prozesse warfen grundlegende Fragen auf: Beanstandet und meist gekippt wurden vor allem Bestimmungen zur Währungsumrechnung. Sie müssen jede Umrechnung für die Kund:innen genau nachvollziehbar machen, stellte der EuGH Ende 2019 schließlich fest. Wenn das durch die Vertragsklauseln nicht möglich wird, sind sie intransparent – und nach Ansicht des EuGH kann somit der gesamte Vertrag nichtig sein. Die bloße Reparatur einzelner Klauseln ist dann nicht möglich. Die Folge: Die Chancen sind gestiegen, dass Kreditnehmer:innen den Wechselkursverlust nicht alleine verkraften müssen, ihre Verhandlungsposition gegenüber der Bank wurde gestärkt.

Kreditsumme nicht feststellbar

Soweit die europäische Vorlage. Ende Februar kam in Österreich nun der Oberste Gerichtshof zu einem weiteren Ergebnis. Anlassfall war ein Fremdwährungskreditvertrag mit der Bank Austria, der nach typischem Muster gestrickt war. „Bei der Bank Austria war es immer so: In die Verträge wurde nie ein bestimmter Schweizer-Franken-Betrag hineingeschrieben, und es wurde auch nur ein bestimmter Eurobetrag ausbezahlt. Insofern bleibt es tatsächlich vollkommen im Dunkeln, wie nun die Kreditsumme in Schweizer Franken bestimmt werden kann“, sagt Sebastian Schumacher, Rechtskonsulent der Ö1-Konsumentenredaktion.

Hauptleistung unklar, Vertrag nichtig

Kreditnehmer:innen wissen weder, wie viel Geld sie sich tatsächlich geliehen haben, noch, wie viel sie noch schulden. In den Verträgen war nur die Rede von einer Summe in Franken, die einem bestimmten Wert in Euro entsprechen soll; eine kaum bestimmbare Variable. Das, sagte der OGH, geht nicht – der Vertrag ist nichtig. Eine Entscheidung von großer Bedeutung, so Schumacher: „Wenn es sich um eine Klausel handelt, die die sogenannte Hauptleistung eines Vertrages regelt, wie zum Beispiel der Kaufpreis oder die Kreditsumme, und letztlich solche Faktoren unbestimmbar bleiben, dann kann der Vertrag nicht mehr durchgeführt werden.“

Erleichterungen bei Rückzahlung möglich

Denn eine „Reparatur“ ist laut EuGH nicht möglich. Welche konkreten Folgen sich nun für einen solchen Vertrag ergeben, hat der OGH noch nicht entschieden, dafür braucht es noch weitere Klärungen. Rechtsanwalt Schumacher zufolge sind jedoch deutliche Erleichterungen bei der Rückzahlung absehbar. Die Höchstrichter ließen erkennen, dass der tatsächlich ausbezahlte Eurobetrag und nicht die Kreditsumme in Schweizer Franken zurückgezahlt werden muss: „Alles andere wäre ja auch eigentlich nicht möglich. Es wäre ein bisschen absurd, wenn zuerst der Kreditbetrag nicht bestimmbar ist, und ich ihn dann zurückzahlen muss. Aus meiner Sicht spricht da schon sehr viel dafür, dass man den faktischen Eurobetrag annimmt“, so Schumacher.

Ball liegt bei den Banken

Wechselkursverluste würden dadurch abgefedert. Die Entscheidung des OGH dürfte für alle Fremdwährungskredite relevant sein, so Schumacher, da sie alle ähnlich problematische Klauseln enthalten. Einen Automatismus gibt es jedoch nicht: Verträge müssen nach wie vor einzeln geprüft werden, von Verbraucherschutzorganisationen oder Anwält:innen. Empfehlenswert sei es jedenfalls, mit der Bank zu sprechen, sagt Sebastian Schumacher, die jüngste Entscheidung des OGH müsste ihre Verhandlungsbereitschaft gesteigert haben: „Der erste Schritt wäre wohl bei der Bank gelegen, dass sie hier konkrete Lösungen anbietet.“