Transparente Schiene zur Zahnkorrektur
Getty Images/Kadir bolukcu
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Kritik an Onlineanbietern von Zahnkorrekturen

Onlineanbieter für Zahnkorrekturen versprechen ein strahlendes Lächeln in kurzer Zeit und für wenig Geld. Erreicht werden soll das durch Zahnschienen per Post und eine App, die den Behandlungsfortschritt festhält. Der VKI und die österreichische Zahnärztekammer warnen jedoch vor undurchsichtigen Preismodellen und gesundheitlichen Gefahren.

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Unternehmen wie „Dr Smile“ oder „Plus Dental“ bieten im Internet Zahnkorrekturen mit sogenannten Alignern an. Diese transparenten Kunststoffschienen werden nach einem Zahn-Scan in einer zahnärztlichen Ordination individuell hergestellt und per Post an Kundinnen und Kunden verschickt. Sie müssen 22 Stunden am Tag getragen werden und dürfen nur zum Essen und Trinken herausgenommen werden. Alle sieben bis 14 Tage folgen neue Schienen. Der Behandlungsfortschritt soll per App überprüft werden, regelmäßige Termine beim Kieferorthopäden entfallen.

Die Anbieter versprechen eine bequemere und günstigere Behandlung als bei einer niedergelassenen Ordination. Doch oft ist die Zahnkorrektur teurer als gedacht, daneben gibt es gesundheitliche Risiken.

Aggressive Influencer-Werbung

„Konsumenten sehen diese Werbung auf Facebook oder Instagram, viele Influencer werben für Dr Smile oder Plus Dental, das sind sehr aggressive Werbemethoden“, berichtet Reinhold Schranz, Jurist beim Europäischen Verbraucherzentrum Österreich (EVZ) im VKI. Die Zahnschienen würden dadurch wie ein Lifestyletrend und nicht wie medizinische Produkte dargestellt.

Der Wunsch nach einem schönen Lächeln allein sei nicht unbedingt ausreichend, um eine Zahnkorrektur vorzunehmen, sagt Erwin Jonke, Leiter des Fachbereichs für Kieferorthopädie an der Universitätszahnklinik in Wien: „Primär geht es um die Funktion, die Optik wird natürlich mitgeliefert, aber nur wegen der Ästhetik macht man keine ganz großen Bewegungen“.

Mangelnde ärztliche Betreuung durch App

Das größte Problem bei Zahnkorrektur durch Onlineanbieter liegt laut EVZ in der mangelnden ärztlichen Betreuung. Denn neben dem Scan-Termin zu Beginn sind in der Regel keine weiteren Besuche in einer Ordination vorgesehen. „Konsumenten wiegen sich in der Sicherheit, dass sie laufend von Zahnärzten und Kieferorthopäden betreut werden, aber es fehlt eindeutig der persönliche Kontakt“, bemängelt Schranz. Die medizinische Begleitung der Behandlung wollen die Onlineanbieter durch eine App sicherstellen, in der Patientinnen und Patienten Fotos hochladen und mit Fachleuten in Kontakt treten können.

Von „Dr Smile“ heißt es auf help-Anfrage: „Der Verlauf der Zahnbewegung wird auf der Grundlage von Fotos des Mund-Kiefer-Raums wöchentlich genauestens dokumentiert und erforderlichenfalls kommentiert“. Bei Plus Dental ist ein ähnlicher Ablauf vorgesehen: „Über regelmäßige Foto-Check-ups und weitere Informationen in der PlusDental-App überprüft das erfahrene zahnmedizinische Team den Fortschritt der Patientinnen und Patienten“. Beide Anbieter versichern, dass Patientinnen und Patienten bei Problemen zur Untersuchung an die Partner-Ordinationen verwiesen werden. „Dr Smile“ betont weiters, dass sie sich auch jederzeit selbstständig an diese wenden können.

Zahnärztekammer rät von Alignern aus dem Internet ab

Birgit Vetter-Scheidl von der Österreichischen Zahnärztekammer weist darauf hin, dass eine kieferorthopädische Behandlung nur unter persönlicher zahnärztlicher Begleitung erfolgen sollte. Die Kieferorthopädin warnt vor Risiken einer unsachgemäßen Zahnkorrektur: „Fehlbelastungen einzelner Zähne führen nicht nur zu Parodontalabbau, sondern teilweise zu Zahnverlust oder sogar Störungen des muskulären Gleichgewichts im Kiefer-, Gesichts- und Nackenbereich“. Dadurch könnten Kiefergelenksbeschwerden, sowie Kopf- und Nackenschmerzen entstehen. Die österreichische Zahnärztekammer rät deshalb von Onlinanbietern für Zahnkorrekturen grundsätzlich ab.

Jonke von der Universitätszahnklinik Wien hält regelmäßige Artzbesuche bei einer Zahnkorrektur ebenfalls für unerlässlich: „Die Kontrolle hat mehrere Funktionen: Man kontrolliert ob die Schiene richtig sitzt und ob die Mitarbeit beim Patienten richtig funktioniert“. Ein Termin in der Ordination sei je nach individueller Situation alle vier bis zwölf Wochen nötig.

Behandelnde Ärzte merken bei einem Kontrolltermin durch den Sitz der Schiene, ob diese auch getragen wurde, zudem könne Problemen vorgebeugt werden, betont der Kieferorthopäde. In manchen Fällen brauche es bei einer Aligner-Therapie zusätzliche Maßnahmen, zum Beispiel sogenannte Attachments, durch die ein Zahn besser bewegt werden kann. Es kann auch nötig werden, Zähne zu polieren, um deren Größe zu verringern.

Beschwerden über gesundheitliche Schäden

Beim EVZ häufen sich derweil Berichte von Menschen, die nach Abschluss einer Zahnkorrektur vom Onlineanbieter bleibende gesundheitliche Beschwerden haben. „Konsumenten berichten uns zum Beispiel, dass sie Schäden am Zahnfleisch oder am Kiefergelenk haben, oder dass sie einen offenen Biss haben“, sagt Schranz.

Sowohl „Dr Smile“ als auch „Plus Dental“ betonen auf help-Nachfrage, dass sie Patientinnen und Patienten bei Problemen unterstützen und die Kosten erforderlicher Weiterbehandlungen übernehmen. In der Praxis verlaufe das allerdings selten reibungslos, so der EVZ-Jurist: „Wenn sie Mängel haben: Sichern sie Beweise, machen sie Fotos oder bitten einen Zahnarzt ihres Vertrauens um eine Bestätigung, treten sie in Kontakt mit einer Rechtsschutzversicherung, weil es in solchen Fällen häufig zu Gerichtsverfahren kommt.“

Kosten oft höher als gedacht

Daneben kritisiert der Konsumentenschützer die teilweise irreführende Preisgestaltung: „Die Zahnkorrektur wird oft sehr marktschreierisch angeboten, mit Aussagen wie: Reguliere dir deine Zähne zum Preis einer Packung Kaugummi am Tag“. Viele Kundinnen und Kunden seien sich deshalb der Gesamtkosten für die Behandlung nicht bewusst. Der Preis ist abhängig von der Schwere der Zahnfehlstellung. Das jeweils günstigste Angebot von „Dr Smile“ und „Plus Dental“ kostet bei Einmalzahlung derzeit mehr als 1.600 Euro. Bei Ratenzahlung fallen mehrere hundert Euro zusätzlich an.

Der Verein für Konsumentenschutz (VKI) hat im vergangenen Jahr einen weiteren Onlineanbieter für Zahnkorrekturen, „Smile Direct Club“, wegen mangelnder Kostentransparenz erfolgreich geklagt. Das Unternehmen hat sich vom österreichischen Markt zurückgezogen. Auf der Webseite des Unternehmens heißt es, dass nur bestehende Patientinnen und Patienten weiter behandelt werden, Neukunden werden nicht mehr aufgenommen.

Vertragsabschluss im „Haustürgeschäft“

Interessierte Konsumentinnen und Konsumenten werden auf den Webseiten und Social-Media-Kanälen der Anbieter aufgefordert, sich einen unverbindlichen Termin in einer Partner-Ordination zu vereinbaren. „Die Konsumenten gehen in diese Ordination, eine Assistentin macht den Scan und in den Fällen, die mir vorliegen, sehen die Konsumenten den Zahnarzt überhaupt nicht und werden wieder nach Hause geschickt“, so Schranz.

Anschließend komme es zu einer Beratung per Anruf oder Videotelefonat, in dem der Behandlungsplan besprochen wird. Konsumentinnen und Konsumenten würden hier häufig zum Vertragsabschluss gedrängt, berichtet der EVZ-Jurist. Wenn ein Konsument die Therapie doch nicht beginnen will, erstattet „Dr Smile“ die Kosten nur, „wenn noch keine Leistungen in Anspruch genommen worden und/oder Laborkosten entstanden“ sind, wie es auf help-Anfrage heißt. Bei „Plus Dental“ gibt es nur dann Geld zurück, wenn die Produktion der Aligner noch nicht begonnen hat. Das Unternehmen erklärt, dass kein Widerrufsrecht besteht, weil es sich um Sonderanfertigungen handelt.

EVZ-Jurist Schranz sieht das anders: „Unserer Ansicht nach haben Konsumenten hier ein Widerrufsrecht nach dem Haustürgeschäft, weil sie diesen Vertrag über die Zahnschienen außerhalb einer Arztpraxis und außerhalb eines Geschäfts abschließen“. Dieser Widerruf muss binnen 14 Tagen erfolgen. Es sei ratsam, sich in so einem Fall auch gleich an eine Konsumentenschutzorganisation zu wenden.