Einkaufswagen eines Onlineshops (Cart) mit Finger, der draufzeigt
AFP/JOHN MACDOUGALL
AFP/JOHN MACDOUGALL

Onlinehandel und Ladengeschäfte im Klimacheck

In Österreich steht erneut ein allgemeiner Lockdown an. Von dieser Maßnahme könnte der Onlinehandel einmal mehr profitieren. Wer online einkauft, war lange Zeit als Klimasünder verschrien. Das Einkaufen im Straßengeschäft galt als umweltfreundlicher, weil etwa lange Transportwege gespart würden. Neue Studien zeichnen ein differenzierteres Bild.

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Die Klimakrise kann nicht mehr geleugnet werden. Die Treibhausemissionen müssen runter und das eher zügig, da sind sich Expertinnen und Experten einig. Angesichts der Coronaviruskrise verzeichnete der Onlinehandel enorme Umsatzzuwächse, der Onlineeinkauf war allerdings lange Zeit als Klimakiller verschrien. Laut einer Studie der Unternehmensberatung Oliver Wyman und der Logistics Advisory Experts GmbH, einem Spin-off der Universität St. Gallen, müssen Konsumentinnen und Konsumenten, die gerne per PC bestellen, aber kein allzu schlechtes ökologisches Gewissen haben.

Studie: Geringerer Treibhausausstoß beim Onlinehandel

Gemäß der Studie ist der Onlinehandel nämlich ganz klar im Vorteil, wenn es um die Ökobilanz geht. Ein online verkauftes Produkt erzeuge ein CO2-Äquivalent von 815 Gramm, knapp 2000 Gramm würden beim stationären Handel fällig. Auch das deutsche Umweltbundesamt hat Studien verglichen und kommt zu dem Schluss, dass der Onlinehandel weniger CO2-Ausstoß verursacht als Supermärkte oder Einkaufszentren.

Im stationären Handel werden große Energiemengen allein für den Betrieb benötigt. Produkte müssen beworben werden, die Geschäfte sind klimatisiert und oft 24 Stunden am Tag hell erleuchtet. Onlinehändler können hier deutlich effizienter vorgehen, sagt Philipp Hietler vom Österreichischen Ökologie Institut. Diese verfügen über große Warenlager, die etwa auch mit klimafreundlichen Energieträgern ausgestattet sein können. Warenlieferungen können außerdem gebündelt in eine Region transportiert und dann gezielt an die Endabnehmerinnen und Endabnehmer geliefert werden, so Hietler.

„Same Day Delivery“ trübt Klimabilanz

Der primäre Energiebedarf ist im stationären Handel also eindeutig höher als bei Onlinehändlern. Auf der anderen Seite hat aber auch das Paketaufkommen in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Während in Deutschland im Jahr 2009 etwa 2,5 Milliarden Pakete transportiert wurden, so mussten im Jahr 2020 bereits gut 4 Milliarden Pakete ausgeliefert werden. Hietler verweist hier auch auf die Problematik der stark gestiegenen Einzellieferungen. Durch Expresszustellungen wie etwa „Same Day Delivery“ Services habe die Bündelung der zu liefernden Produkte nachgelassen. Diese Einzellieferungen erzeugen hohe CO2-Äquivalente, was sich auf die Klimabilanz des Onlinehandels wiederum negativ auswirkt, so Hietler.

Wenn man die Möglichkeit hat, ein Produkt im Einzelhandel vor Ort zu erwerben und den Einkauf zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen kann, solle man das tun, meint Hietler. In so einem Fall würde sich die Klimabilanz des stationären Handels dem Onlinehandel jedenfalls annähern, in manchen Fällen könnte das sogar vorteilhaft sein, auch wenn hier genaue Berechnungen noch fehlen würden, meint der Ökologieexperte.

Retouren und Paketlieferdienste als Problem

Beobachtungen zufolge wird in Deutschland jedes fünfte online bestellte Produkt wieder retourniert. Der dadurch fällige Transportaufwand habe eine eindeutig negative Auswirkung auf die Klimabilanz des Onlinehandels, sagt Hietler. Auch schleißige Paketlieferdienste, die die Pakete mit dem Verweis auf nicht erfolgreiche Zustellversuche manchmal tagelang durch die Gegend fahren, bevor sie dann in einem Paketshop zur Abholung landen, schmälern die ökologischen Vorteile des Versandhandels. Eine effiziente Zustellung mittels Fahrrad und E-Fahrzeugen könnte helfen, die Klimabilanz in diesem Punkt positiv zu beeinflussen, so Hietler.

Warenrücksendungen sollte man wenn möglich generell vermeiden, rät der Experte. Zusätzlich zu den dadurch anfallenden Transportwegen stelle sich nämlich auch die Frage, wie Onlineshops mit retournierten Produkten umgehen. Werden sie wieder verkauft? Werden sie zumindest fachgerecht entsorgt? Oder werden sie einfach weggeworfen? Laut einer Untersuchung der Universität Bamberg würden vier Prozent der Retourwaren vernichtet, sagt Hietler. Angesichts der Milliarden an verkauften Konsumgütern sei das eine beträchtliche Zahl, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht.

„Abholstation besser als Hauszustellung“

Durch Lieferdienste hat der Verpackungsmüll in den vergangenen Jahren stark zugenommen. Auch in diesem Punkt verweist der Experte auf den momentanen Trend zur Einzellieferung, die für den Endkunden zwar praktisch sein mag, aus ökologischer Sicht aber problematisch sei. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten darauf achten, unnötige Kartonage-Verpackungen zu vermeiden, meint Hietler. Statt auf Hauszustellung zu bestehen, wäre es aus ökologischer Sicht sinnvoll, bestellte Produkte grundsätzlich gesammelt in Abholzentren hinterlegen zu lassen und dann zu Fuß abzuholen, so der Experte..

Letztlich werde der Handel allein den Klimawandel nicht aufhalten können, sagt Hietler. Der ökologische Fußabdruck der durchschnittlichen Österreicherinnen und Österreicher sei jedenfalls überstrapaziert. Alles in allem gehe es darum, den Konsum zu drosseln, zu versuchen, die Nutzungsphase von Produkten zu erhöhen und sich zu überlegen, ob der nächste Einkauf auch tatsächlich notwendig ist.