Kind im Auto hält sich aus Übelkeit Hand vor den Mund
Getty Images/iStockphoto/Alona Siniehina
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Die besten Mittel gegen Reiseübelkeit

Ob Fähre, Flugzeug oder Auto: Für viele Menschen beginnt die Urlaubsreise mit einem flauen Gefühl im Magen, gefolgt von Schweißausbrüchen und Schwindel bis hin zum Erbrechen. Sie leiden an einer „Kinetose“, umgangssprachlich auch als Seekrankheit bezeichnet. Medikamente können der Übelkeit entgegenwirken und Betroffenen helfen.

Das Phänomen der Reisekrankheit ist seit dem Altertum bekannt, die Seefahrer haben bereits darunter gelitten. Mit der zunehmenden Mobilität, Motorisierung und Technologisierung betrifft das Problem viele Menschen. Denn auch Virtual-Reality-Brillen und selbstfahrende Autos können die Reisekrankheit verursachen.

„Um sich im Raum problemlos zu bewegen, benötige ich Informationen von meinen Sinnesorganen: Die visuelle Information der Augen, das Gleichgewichtsorganen im Innenohr vermittelt die Bewegung im Raum und die propriozeptive Information der Muskeln, Knochen und Gelenke“, so Gerald Wiest, Leiter der Spezialambulanz für Schwindel und Gleichgewichtsstörungen im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) in Wien. Bei der Reisekrankheit kommt es zu einer Verwirrung dieser Sinneseindrücke.

Fehlannahmen erzeugen Übelkeit

Das Problem entsteht, wenn dem Gehirn widersprüchliche Infos vorliegen, ob der Körper gerade in Bewegung ist oder nicht. Ist man in seiner Schiffskabine meldet das Gleichgewichtsorgan zwar die Bewegungsreize der Fahrt, aber die Augen empfangen keinen visuelle Bestätigung, sie sind die ganze Zeit ziemlich gleich und signalisieren daher einen Ruhemodus.

„Diese Fehlinterpretation genügt, dass es im Gehirn – konkret im Hirnstammbereich – zu einem vermehrten Ausschütten von Transmittern kommt. Wir wissen, dass hier Histamin sehr stark freigesetzt wird und das führt zu Unwohlsein, Schwindel und Erbrechen“, so Wiest.

Frau mit Schwindelgefühlen nach Schiffsreise
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Viele Urlauber haben im Auto, Flugzeug, Schiff oder Bus mit Schwindel und Übelkeit zu kämpfen

Gene scheinen Rolle zu spielen

Betroffene beherzigen meist die gängigen Tipps: Vor der Fahrt nur leichte Kost, ein Sitzplatz vorne, aus dem Fenster schauen, viele Pausen, frische Luft und eine tiefe Bauchatmung. Oft jedoch vergebens.

Manchen wird schon nach wenigen Metern Autofahrt schlecht, anderen nur auf dem Schiff, wieder andere überstehen selbst die Achterbahn ohne Probleme. „Zwillingsstudien haben gezeigt, dass wenn ein Zwilling erkrankt ist, dementsprechend der andere Zwilling auch betroffen ist. Das spricht dafür, dass eine genetische Komponente bei der Reisekrankheit eine Rolle spielt“, so der AKH-Neurologe.

Verschiedene Mittel sollen helfen

„Das“ Wundermittel gegen Reiseübelkeit gibt es nicht. Jede und jeder muss selbst ausprobieren, was ihr oder ihm am besten hilft.

Seit langem werden etwa Antihistaminika der ersten Generation, also frühere Allergietabletten, eingesetzt, um Brechreiz und Übelkeit auf Reisen zu unterdrücken. „Diese Antihistaminika blockieren sogenannte H1-Rezeptoren im Innenohr und im Hirnstammbereich und können dadurch Reisekrankheitssymptome vermindern“, so Schwindelexperte Wiest.

Antihistaminika der ersten Generation

Sehr gut geeignet ist der Wirkstoff Diphenhydramin, der etwa in Dibondrin- und Calmaben-Dragees enthalten ist. Sie werden zur Behandlung der Reisekrankheit, sowie als leichtes Schlafmittel eingesetzt und machen entsprechend müde.

Auch in Vertirosan-Tabletten und Travelgum-Kaugummis steckt Diphenhydramin, diesmal gepaart mit Chlortheophyllin, das die Schlappheit verringern soll, und heißt dann Dimenhydrinat. Ob es wirklich weniger müde macht, ist nicht belegt. Die Tabletten sollten ungefähr eine Stunde vor Reisebeginn eingenommen werden, damit sie dann beim Losfahren wirken.

Kombinationspräparat

„Es gibt auch Kombinationspräparate, die laut Studien sogar noch etwas effektiver sind. Die enthalten Dimenhydrinat in Kombination mit dem Calcium-Antagonisten Cinnarizin. Die Tabletten können am Reisetag bis zu dreimal am Tag eingenommen werden“, so Wiest. Ein Medikament mit dieser Wirkstoff-Kombination sind Arlevert-Tabletten.

Zu den Nebenwirkungen der Antihistaminika zählt Mundtrockenheit und ein gewisses Benommenheitsgefühl. Für die Betroffenen ist das aber immer noch erträglicher als die Übelkeit.

Pflaster hinters Ohr für mehrtägige Reisen

Für längere Reisen – etwa einer mehrtägigen Schiffsfahrt – eignet sich wiederum der Wirkstoff Scopolamin, der entspannend auf den Magen-Darm-Trakt wirkt.

„Dieses Produkt eignet sich besonders auch für Kinder, weil es in Pflasterform vorliegt und die Wirkung auch länger anhält. Das heißt das Pflaster gibt man so circa sechs bis acht Stunden vor Reisebeginn auf die Haut und kann es dann drei Tage dort belassen und die Wirkung hält auch so lange dann an“, so Wiest. Auch hier kann es zu Mundtrockenheit und Müdigkeit kommen.

Die Pflaster zum Hinters-Ohr-Kleben sind nicht im offiziellen österreichischen Arzneispezialitätenregister gelistet und können daher über Apotheken nur aus dem Ausland bestellt werden.

Einnahme mit Hausärztin oder Hausarzt abklären

Betroffene sollten die Medikamente immer in ärztlicher Absprache verwenden, erklärt Wiest von der AKH-Schwindelambulanz.

„Es kann bei diesen Medikamenten bei bestimmten Erkrankungen zu Problemen kommen. Dazu zählt etwa ein Glaukom wie beim grünen Star oder eine Prostata-Hypertrophie oder Harnverhalt. Es sollte daher immer der Hausarzt konsultiert werden“, so der Neurologe.

Ingwer kann Übelkeit zumindest reduzieren

Eine pflanzliche Alternative für Reisekranke ist Ingwer. Pulverisiert und konzentriert in Kapselform eingenommen, kann die Wurzel Übelkeit abschwächen, wie Studien belegen.

Auch Akupressurbänder, die an den Handgelenken getragen werden, werden von manchen Betroffenen als symptomlindernd empfunden. Nachgewiesen ist dieser Effekt allerdings nicht.