Die Statue der Justitia am Obersten Gerichtshof (OGH),
APA/ROLAND SCHLAGER
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Gewährleistung neu: Kritik an „ambitionsloser Umsetzung“

Im Juli wird das Gewährleistungsrecht neuen Vorgaben aus Brüssel angepasst. Mussten Konsumentinnen und Konsumenten bisher bereits nach sechs Monaten den Nachweis erbringen, dass ein Mangel bereits beim Kauf bestand, wird das nun erst nach einem Jahr der Fall sein. Der Verbraucherschützer Peter Kolba kritisiert die Umsetzung der Richtlinie als ambitionslos. Der geplanten Obsoleszenz beispielsweise sei nichts entgegengesetzt worden.

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An der Länge der gesetzlichen Gewährleistungsfrist wird sich durch den neuen Gesetzesentwurf nichts ändern. Es bleibt bei zwei Jahren. Bisher gilt: Wird etwa eine Waschmaschine innerhalb dieser Zeit kaputt, hat der Käufer Anspruch auf Gewährleistung und kann Mängel geltend machen. Tritt der Mangel innerhalb des ersten halben Jahres auf, muss der Händler nachweisen, dass dieser zum Zeitpunkt der Übernahme noch nicht bestanden hat, um aus der Gewährleistungspflicht entlassen zu werden. Bei Mängeln, die danach auftreten, liegt es am Konsumenten zu beweisen, dass er sie nicht selbst verursacht hat.

Beweislastumkehr wird den EU-Vorgaben angepasst

Das soll sich nun ändern. Die Frist, bis diese sogenannte Beweislastumkehr zu Ungunsten der Konsumenten eintritt, wird mit dem neuen Gesetz verdoppelt: Von sechs auf zwölf Monate. „Das war eine Vorgabe der EU, die wir eins zu eins umgesetzt haben“, so Jurist Johannes Stabentheiner, Abteilungsleiter der Zivilrechtssektion im Justizministerium und einer der Autoren des Gesetzes. Wenn der Unternehmer beweisen müsse, dass der Mangel erst später aufgetreten ist, sei das eine deutlich bessere Ausgangslage für Verbraucherinnen und Verbraucher. Dann gelinge es auch eher, sein Gewährleistungsrecht durchzusetzen, so Stabentheiner.

Peter Kolba
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Verbraucherschützer Peter Kolba vermisst den Nachhaltigkeitsgedanken bei der österreichischen Umsetzung der EU-Richtlinie

Eine weitere Vorgabe der EU sei gewesen, das Gewährleistungsrecht auch auf digitale Güter auszuweiten. So sollen Unternehmer künftig verpflichtet werden, etwa für Mobiltelefone oder Smarte Kühlschränke kostenlose Software-Updates zur Verfügung zu stellen. Bei digitalen Leistungen wie Cloud-Diensten muss über die gesamte Vertragslaufzeit eine fortlaufende Bereitstellung garantiert werden. Die wesentliche Neuerung dabei: Die Gewährleistungsbestimmung soll auch dann gelten, wenn für digitale Dienstleistungen von Konsumentinnen und Konsumenten kein Geld bezahlt wurde, sondern ausschließlich personenbezogenen Daten zur Verfügung gestellt wurden. Etwa bei kostenlosen Streaming-Plattformen oder Sozialen Medien.

Gewährleistung auch für „digitale Güter“

Als Beispiel nennt der Jurist Cloud-Dienste, auf die man Fotos und Dokumente hochladen kann. Wenn das Abrufen der Inhalte irgendwann nicht mehr funktioniere oder die Daten verzerrt oder verfälscht dargestellt würden, könne der Kunde von seinem Gewährleistungsrecht Gebrauch machen. Er habe dann unter Umständen das Recht, den Vertrag aufzulösen, sein Geld zurückzufordern oder könne verlangen, dass der Anbieter die personenbezogenen Daten des Verbrauchers nicht mehr nutzen darf.

Der Gesetzesentwurf geht nur in einem Detail über die Mindestanforderungen aus Brüssel hinaus: Nach Ablauf der zweijährigen Gewährleistungspflicht haben Käufer künftig drei Monate länger Zeit, ihre Ansprüche einzufordern. „Wenn im letzten Monat der zweijährigen Gewährleistungsfrist ein Mangel auftritt, kommt der Verbraucher in die Bredouille“, so Stabentheiner. Deshalb sollen Konsumentinnen und Konsumenten sich in diesen drei Monaten außergerichtlich mit dem Unternehmer auf eine einvernehmliche Lösung einigen können. Gelingt das nicht, könne man bei Gericht einen Prozess einleiten, so der Jurist.

Kolba: Auf geplante Obsoleszenz wurde vergessen

Eine solche Regelung sei nur für sehr wenige Fälle relevant, kritisiert Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein. Ihm gehen die Änderungen im Gewährleistungsrecht nicht weit genug. Wichtig sei etwa ein Verbot der geplanten Obsoleszenz, dem vorsätzlich eingebauten Verschleiß von Produkten durch die Hersteller. „Dass ein Bauteil in einer Waschmaschine dazu führt, dass diese nach drei Jahren mit einer gewissen Verlässlichkeit kaputt geht, ist ärgerlich“, so Kolba.

In Frankreich würde geplante Obsoleszenz im Strafgesetzbuch bekämpft. Sei das der Fall, könnten versteckte Mängel, die erst nach Ablauf der gesetzlichen Gewährleistung auftreten, dennoch geltend gemacht werden, so der Verbraucherschützer. „Eine Ausdehnung des Gewährleistungsrechts wäre ein Beitrag zur Nachhaltigkeit gewesen, die ein wesentlicher Bestandteil im Wahlprogramm der Grünen war. Diese Chance hat man nicht ergriffen“, so Kolba.

Das Justizministerium will die Bekämpfung von geplanter Obsoleszenz noch nicht ins Gesetz aufzunehmen, sagt Stabentheiner, da die EU dazu bereits eine Regelung angekündigt habe. Diese wird in den kommenden Jahren erwartet. Nachdem das grüne Ministerium den Gesetzentwurf mit dem türkisen Regierungspartner abgestimmt habe, geht Johannes Stabentheiner davon aus, dass das neue Gewährleistungsrecht ohne große Änderungen am 1. Juli 2021 in Kraft treten wird.