Ein KFZ-Servicetechniker in einer Autowerkstatt hält die Abdeckung vor einem vom Abgas-Skandal betroffenen Dieselmotor vom Typ EA189.
APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Abgasskandal: Neue Chance für VW-Kunden

Nach einem Urteil des deutschen Bundesgerichtshofs (BGH) vom Mai könnte sich die Verjährungsfrist im Abgasskandal deutlich verlängern. Österreichische VW-Kundinnen und Kunden, die sich bisher noch keiner Klage angeschlossen haben, könnten damit eine neue Chance auf Schadenersatz bekommen.

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Die Geschichte des Dieselskandals ist gut dokumentiert: 2015 wurde bekannt, dass bei einer Motorenbaureihe von Volkswagen die Abgasreinigung im Normalbetrieb nicht funktioniert. Nur, wenn die Steuerelektronik einen Prüfzyklus erkannte, lief die Abgasreinigung nach Vorschrift. Damit werden Emissionsvorschriften unterlaufen, solche sogenannten Abschalteinrichtungen sind deswegen verboten. EA189 hieß die betroffene Motorenbaureihe, hinten auf den Autos stand meistens 2.0 TDI.

Unmittelbar nachdem der Skandal öffentlich wurde, stellte sich die Frage nach Schadenersatz für Käuferinnen und Käufer dieser Autos. Ihnen sind immerhin Fahrzeuge mit falscher Zulassungsgrundlage verkauft worden; sie hätten nicht auf die Straße gelassen werden dürfen. Die Autos sind auch nach Rückrufen und Nachrüstungen von Fahrverboten bedroht und haben deutlich an Wert verloren.

BGH (D): Arglistige Täuschung von Behörden und Verbrauchern

„Was diesen Motor betrifft gibt es eine Entscheidung des deutschen Bundesgerichtshofs aus dem Mai dieses Jahres. Der BGH sagt: das war eine arglistige Täuschung der Behörden und der Käufer gewesen, und damit auch eine sittenwidrige Schädigung“, sagt Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein (VSV) im Gespräch mit help.ORF.at. Die Entscheidung sei grundsätzlich zu begrüßen – es gebe allerdings einen Pferdefuß.

Der deutsche Bundesgerichtshof verkündet sein urteil im Mai 2020 gegen VW
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„Arglistige Täuschung“: Der deutsche Bundesgerichtshof entschied im Mai 2020 gegen VW

„Der BGH hat – zum Schutz vom VW – dann auch gesagt, dass man sich bei einer Rückabwicklung eine Nutzungsentschädigung für gefahrene Kilometer abziehen lassen muss. Umgekehrt – und das wäre das Pendant dazu – bekommt man jedoch keine Zinsen auf das eingesetzte Kapital, den Kaufpreis, den man bezahlt hat“, kritisiert Kolba.

30-jährige Verjährung in Österreich möglich

Das Urteil des BGH hat dennoch eine weitere positive Konsequenz für betroffene Konsumentinnen und Konsumenten: Die Verjährungsfrist könnte deutlich länger ausfallen als bisher angenommen. Wer sich bisher weder einer der Sammelaktionen gegen VW, die unter anderem vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) und der Klagsplattform COBIN gestartet wurden, angeschlossen, oder selbst Klage eingereicht, muss damit rechnen, dass die Ansprüche nach drei Jahren verjährt sind. Das würde die meisten Autos mit dem berüchtigten Schummelmotor betreffen.

Ein KFZ-Servicetechniker in einer Autowerkstatt hält die Abdeckung vor einem vom Abgas-Skandal betroffenen Dieselmotor vom Typ EA189.
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MIt diesem Motor fing alles an: Ein TDI der Baureihe EA189 von Volkswagen

Hier gebe es neue Hoffnung, so Kolba: „Der VSV wird Musterprozesse dazu führen, dass nach österreichischen Recht und im Lichte der Rechtsprechung des BGH man eigentlich von einer 30-jährigen Verjährungsfrist ausgehen könnte. Das, was der BGH entschieden hat, ist nichts anderes als gewerbsmäßiger Betrug. In einem solchen Fall würde in Österreich eine Verjährungsfrist von 30 Jahren gelten, dann kann man Ansprüche auch noch länger geltend machen.“

Individuelle Klagen mit Prozessfinanzierer

Wer sich einer Sammelaktion angeschlossen hat, für den oder die heißt es: Abwarten. Die Klage des VKI beispielsweise wird noch eine Weile laufen, gestritten wird vor 16 Landesgerichten. Wertminderungen müssen aufwendig von Sachverständigen festgestellt werden. Wer sich als Privatbeteiligte dem Strafverfahren gegen VW oder der Sammelaktion der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) in Deutschland angeschlossen hat, braucht eine Verjährung ebenfalls nicht zu fürchten. Allerdings hat die Aktion des vzbv für österreichische VW-Kundinnen und -Kunden kein Ergebnis gebracht.

Hier könne der VSV helfen, so Kolba: „Wir bieten Hilfe bei individuellen Klagen in Deutschland an. Entweder mit der eigenen Rechtsschutzversicherung RSV oder mit einem Prozessfinanzierer, damit sind solche Klagen kosten- und risikolos. In der Regel werden sie von VW auch rasch verglichen.“

Weitere Motoren und Marken betroffen

Der Autokonzern biete laut Verbraucherschützer Kolba üblicherweise eine Abschlagszahlung in Höhe von zwischen zehn und 20 Prozent des Kaufpreises an. Wird mit Hilfe eines Prozessfinanzierers vorgegangen, verrechnet dieser 35 Prozent davon als Provision.

Mercedes-Stern-Reklame auf einem Gebäude in Stuttgart
APA/dpa/Sebastian Gollnow
Auch andere Marken könnten illegale Abschalteinrichtungen verbaut haben

Der Dieselskandal ist bereits fünf Jahre alt, und noch ist kein Ende in Sicht. Die Motorenbaureihe EA189, die auch in anderen Marken des VW-Konzern eingebaut wurde, dürfte nicht der einzige Diesel gewesen sein, bei dem nicht alles mit rechten Dingen zuging. „Man darf nicht übersehen, dass auch andere Motoren von VW, Audi, auch von Daimler, solche Abschalteinrichtungen haben, die aus unserer Sicht illegal sind“, mahnt Kolba. „Das heißt, das Thema wird sich nicht mit EA198 erschöpfen. Dort ist es aber am weitesten gediehen.“ Beim VSV kann online überprüft werden, ob das eigenen Auto betroffen ist.