Abfüllanlage einer Brauerei
dpa/dpaweb
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Mehr Mehrweg: Ohne Quote wird das nichts

Die freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Erhaltung des Mehrwegsystems ist gescheitert, kritisieren Fachleute der Abfallwirtschaft. Der Mehrweganteil ist seit ihrer Einführung um die Jahrtausendwende von mehr als 50 auf knapp 20 Prozent abgestürzt, neue gesetzliche Maßnahmen seien dringend notwendig. Etwas Hoffnung auf eine Trendwende macht der Erfolg von Milch in Mehrwegflaschen.

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Als im Frühjahr 2018 Milch in Einwegglasflaschen eingeführt wurde, zeigte sich die Zivilgesellschaft, allen voran Umweltschutzorganisationen, entsetzt. Einwegglas ist ein Verpackungsmaterial mit ausgesprochen schlechter Umweltbilanz – und die Mehrwegquote in Österreich ohnehin im Keller.

Zwei Millionen Euro hatte Berglandmilch damals in eine Abfüllanlage für Einwegflaschen in Tirol investiert und gemeinsam mit den Handelsketten in intensiver Öffentlichkeitsarbeit versucht, Einwegflaschen als die umweltfreundlichere Variante darzustellen. Die Reinigung der Flaschen sei zu energieaufwendig, der Transport des Leerguts würde unnötig CO2 produzieren und – so hieß es auf der Website von Berglandmilch – „die rasanten Fortschritte in der Glasherstellung hinsichtlich Ressourcenschonung deuten darauf hin, dass Einwegglas zukünftig Nachhaltigkeitsvorteile gegenüber Mehrweg haben wird“.

Milch in Mehrwegflaschen – ein überraschender Erfolg?

Zwei Jahre später sieht die Sache anders aus. Berglandmilch hat weitere acht Millionen Euro in Infrastruktur investiert – und füllt Milch seit dem Frühjahr 2020 in Mehrwegflaschen ab. Dieser bemerkenswerte Sinneswandel ist nicht nur ein Erfolg von Umweltschutzorganisationen, die gegen die Einwegmilch Sturm liefen, sondern eine klare wirtschaftliche Entscheidung. Der Absatz brummt. Zu Beginn wurden laut Berglandmilch 150.000 Flaschen pro Woche verkauft, innerhalb von Monaten verdoppelte sich diese Zahl auf 300.000 Mehrwegflaschen pro Woche.

„Ich denke, das kann auch eine Lehre für andere Abfüller sein“, sagt Elmar Schwarzlmüller von der Umweltberatung gegenüber help.ORF.at. „Einerseits die Lehre, dass es funktioniert, dass es angenommen wird. Man sieht es auch daran, dass jetzt schon weitere Produkte auf Mehrwegglas umgestellt.“ Neben Kuhmilch sind auch Getreidedrinks in Mehrwegglas erhältlich, Joghurt soll bald folgen.

Leergutreinigung weniger aufwendig als befürchtet

Andererseits habe sich gezeigt, dass sich manche Befürchtungen nicht bewahrheitet hätten. So teilte Berglandmilch fast überrascht mit, dass die Leergutreinigung viel weniger aufwendig sei als gedacht. Dieser Erfolg ruft auch Mitbewerber auf den Plan, etwa die niederösterreichische Egger-Gruppe, die neuerdings unter anderem Eigenmarkengetränke für die Handelskette Spar in Mehrweggebinden abfüllt.

All das ist ein Schritt in die richtige Richtung, sagt Abfallwirtschaftsexperte Schwarzlmüller von der Umweltberatung, aber eben nur einer. „Mehrwegflaschen sind nach wie vor ein Nischenprodukt. Ich hoffe das es der Start ist für eine Bewegung in Richtung Mehrweg, aber da muss sicherlich noch mehr kommen. Damit wir wieder in den Bereich der hohen Mehrwegquoten kommen, braucht es verbindliche rechtliche Maßnahmen.“

„Freiwillige Selbstverpflichtung greift nicht“

Verbindliche Maßnahmen gab es in Österreich schon einmal – bis zur Jahrtausendwende. Damals wurde unter dem zuständigen Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer (ÖVP) die Quote gesenkt. Die niedrigere Quote wurde daraufhin vom Verfassungsgerichtshof gekippt. Das Resultat war aber nicht eine Rückkehr zu den alten Quoten, sondern eine freiwillige Selbstverpflichtung der Wirtschaft zur Erhaltung der Mehrwegsysteme. Im Geiste der 90er Jahre hieß es: Der Markt soll es richten. Wie auch anderswo konnte das der Markt aber nicht.

„Wir waren damals bei Mehrwegquoten von weit über 50 Prozent und sind jetzt bei rund 20 Prozent. Man sieht, dass die Freiwilligkeit einfach nicht greift“, sagt dazu Schwarzlmüller. Das Vorhaben der grünen Umweltministerin Leonore Gewessler, das neben steigenden, verpflichtenden Mehrwegquoten auch ein Einwegpfand vorsieht, hält Elmar Schwarzlmüller in dieser Kombination für den richtigen Ansatz. Beispiele aus dem Ausland hätten gezeigt, dass solche Maßnahmen den richtigen Effekt hätten.

Widerstand gegen verpflichtende Quote

Von NGOs wird der Vorschlag begrüßt, aus der Wirtschaft kommen dagegen hauptsächlich skeptische Töne. Vor allem kleine Händler würden unter den Kosten eines Einwegpfandsystems zusammenbrechen, heißt es unter anderem.

Schwarzlmüller hat dafür wenig Verständnis: „Es werden jetzt immer wieder die kleinen Händler hervorgekramt, an die sonst realtiv wenig gedacht wird. Diese Ängste, die dort geschürt werden, sind einfach nicht berechtigt.“ Auch in anderen Ländern sei das Sterben der kleinen Händler überhaupt nicht der Fall gewesen. „Dazu kommt: Wenn man sich anschaut, wie die Struktur in verschiedenen europäischen Ländern ist, dann ist es in Österreich so, dass die Kleinen fast keine Rolle spielen. In Österreich ist der Lebensmittelhandel auf ganz wenige Firmen konzentriert.“

Das Beispiel der Milch in Mehrwegflaschen habe gezeigt, dass der Hebel der Nachfrageseite nicht zu unterschätzen ist, sagt Elmar Schwarzlmüller. Wer also mehr Mehrweg möchte und Interesse daran hat, dass die Skepsis gegenüber der verpflichtenden Quote gebrochen wird, die oder der sollte das den Handelsketten mitteilen – auch um das häufige Argument, Mehrweg würde nicht gewünscht, zu entkräften.