Frau sitzt vor einem Tisch mit Rechnungen
Getty Images/Z+/Ziga Plahutar
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Wenn die Coronavirus-Krise in die Inkassofalle führt

Kontoüberziehungen, Konsumkredite und Kreditkartenschulden: Die Coronavirus-Krise hinterlässt auf den Konten vieler Österreicherinnen und Österreicher ihre Spuren. Knapp ein Viertel der Haushalte hat laut einer Umfrage der ING-Bank derzeit Liquiditätsprobleme. Worauf Konsumentinnen und Konsumenten achten müssen, wenn eine Rechnung nicht bezahlt werden kann und das Inkasso droht.

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Die private Verschuldung steigt bereits seit Jahren, die Coronavirus-Pandemie hat die Situation zusätzlich verschärft. Laut Erhebung der ING-Bank hatten im Jahr 2018 16 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher ein überzogenes Konto, im März 2020 waren bereits 23 Prozent der Befragten im Minus. Dies bedeute, dass fast ein Viertel der Bevölkerung Liquiditätsprobleme habe, heißt es seitens der Bank.

Auch kleine Beträge können in die Schuldenfalle führen

Auch bei der Schuldnerberatung rechnet man mit einem Anstieg verschuldeter Haushalte im Jahr 2021, sagt Gudrun Steinmann, Leiterin des Projekts Finanzbildung bei der Schuldnerberatung-Wien. Der Weg in die Verschuldung beginne oft schleichend, so die Expertin. Auch kleine Rechnungen können eine Schuldenspirale auslösen, wenn man sie nicht begleichen kann.

Man sollte bereits vorsichtig sein, wenn eine Rechnung kommt, von der man weiß, dass man sie nicht zahlen kann. Spätestens, wenn man die erste Mahnung erhält, sollten die Alarmglocken läuten, so die Expertin.

Keinesfalls den Kopf in den Sand stecken

Offene Rechnungen müssen in der Regel gleich nach Erhalt beglichen werden. Das Unternehmen ist auch nicht verpflichtet, eine Mahnung zu schicken. Im Normalfall erhalte man zwar zwei bis drei Mahnungen, einen gesetzlichen Anspruch darauf habe man aber nicht, so Steinmann.

Wer nicht fristgerecht zahlen kann, sollte umgehend mit dem Gläubiger Kontakt aufnehmen. Dies könne man zunächst telefonisch erledigen, man sollte den Gläubiger aber auch schriftlich über die Lage informieren und eine Kopie des Schreibens zu Beweiszwecken aufbewahren, sagt die Schuldnerberaterin: „Das Wichtige ist immer, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern selbst aktiv zu werden.“

Zahlungsaufschub wegen Krankheit oder Arbeitslosigkeit

Gegenüber dem Gläubiger sollte man auch angeben, warum man die Rechnung nicht bezahlen kann. Etwa, weil man coronabedingt den Arbeitsplatz verloren hat oder sich in Kurzarbeit befindet. Auch Krankheiten und familiäre Sorgen können ins Treffen geführt werden, um einen Zahlungsaufschub oder eventuell eine Ratenvereinbarung zu erwirken, sagt die Expertin.

Ein Informationsaustausch mit dem Gläubiger sei extrem wichtig, weil unbezahlte Rechnungen nicht nur einem Inkassobüro übergeben werden, sondern letztlich auch vom Gericht eingetrieben werden können, sagt Steinmann. Man erlebe es häufig, dass Gläubiger dann vor Gericht argumentieren, dass man gar nicht gewusst habe, warum der Kunde nicht bezahlt. Hätte man die Information gehabt, dass der Kunde etwa den Arbeitsplatz verloren hat, hätte man gemeinsam eine Lösung finden können, so die Gläubiger vor Gericht.

Inkassokosten können Schulden verzehnfachen

Wenn bereits ein Inkassobüro mit der Eintreibung der Schulden beauftragt wurde, sollte man auch dieses Unternehmen über die Zahlungsschwierigkeiten informieren. Inkassokosten seien gesetzlich geregelt, die genaue Höhe sei für Laien aber kaum zu eruieren, weil das Inkassobüro je nach Einzelfall völlig unterschiedliche Positionen in Rechnung stellen könne. Man sollte daher ein Inkasso in jedem Fall vermeiden, meint Steinmann, die Zusatzkosten können beträchtlich sein.

Zu den zusätzlichen Kosten zählen Bearbeitungsgebühren, die Spesen für die Mahnungen, Evidenzhaltungsgebühren oder auch Kosten, die entstehen, wenn man etwa die Adresse des Schuldners ausfindig machen muss, so Steinmann. Auf diese Weise können Schulden von wenigen hundert auf mehrere tausend Euro anwachsen.

Inkassomitarbeiter nicht in die Wohnung lassen

Manche Inkassobüros seien bei der Eintreibung offener Forderungen auch nicht gerade zimperlich. Mitarbeiter des Unternehmens schauen gelegentlich auch persönlich vorbei und fordern Unterschriften ein. Meist wollen sie dazu drängen, Schulden anzuerkennen, wodurch die Betroffenen diese Beträge in der Folge in jedem Fall zu zahlen hätten. Oft würden die Inkassomitarbeiter auch versuchen, die Lebenspartner oder Personen, die im selben Haushalt leben, dazu zu bringen, entsprechende "Schuldanerkenntnisse“ zu unterzeichnen.

Die Expertin rät, keinesfalls etwas zu unterschreiben, wenn Mitarbeiter eines Inkassobüros vor der Wohnungstür auftauchen. Auch sollte man diesen keinesfalls Zutritt zu der Wohnung gewähren. Dazu sei man in keinem Fall verpflichtet, so Steinmann.

Höhere Gesamtschulden trotz Ratenzahlung

Auch bevor man eine Ratenzahlung vereinbart sollte man vorsichtig sein. Ratenzahlungen seien oft sinnvoll, um Schulden abzubauen, allerdings nur dann, wenn die einzelnen Teilbeträge in einem angemessenen Verhältnis zur Gesamtschuld stehen. Problematisch könne es werden, wenn die Schulden hoch sind, aber nur kleine Raten zurückgezahlt werden können.

In solchen Fällen würden die Raten häufig nicht einmal die fälligen Zinsen decken, so Steinmann. Es könne also sein, dass die Betroffenen über viele Jahre monatlich zwanzig oder dreißig Euro einzahlen, die Gesamtschulden sich in diesem Zeitraum aber trotzdem verdoppelt oder gar verdreifacht haben, warnt die Expertin.

Schuldnerberatung berät kostenlos

Wer in der momentanen Situation in Zahlungsschwierigkeiten gerät, sollte daher in jedem Fall mit der Schuldnerberatung Kontakt aufnehmen, um Fehler zu vermeiden, die künftig zu großen Problemen führen können. Die Schuldnerberatung berät kostenlos, sowohl telefonisch als auch im Rahmen eines persönlichen Termins, den man jederzeit vereinbaren kann.

Angesichts der Coronavirus-Krise seien viele Österreicherinnen und Österreicher unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Diese Zahl werde in den kommenden Monaten noch weiter ansteigen, ist Steinmann überzeugt. Die Schuldnerberatung appelliert daher auch an die Bundesregierung, ihr Budget aufzustocken, um die Folgen der Krise zu bewältigen und den Menschen beistehen zu können.