Negativzinsen: OGH stärkt Kreditnehmer

Müssen negative Zinsen an Kreditnehmerinnen weitergegeben werden? Sind Zinsuntergrenzen zulässig? Zwischen Verbraucherschützern und der Bankenbranche gibt es dazu unterschiedliche Ansichten. Das gegenwärtige Niedrig- und Negativzinsumfeld ist für alle Beteiligten Neuland - häufig landen solche Streitfragen beim Obersten Gerichtshof (OGH). Ein jüngstes Urteil scheint die Verbraucherseite zu stärken.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1

Bisher war die Sache einfach: Wenn Zinsen steigen, werden Kredite teurer, bei fallenden Zinsen sinkt auch die monatliche Belastung. Was aber, wenn sie auf oder sogar unter Null abrutschen? Diese bisher theoretische Frage wurde in den vergangenen Jahren konkret und ist noch längst nicht endgültig beantwortet. In wie weit müssen negative Zinsen an Kreditnehmer weitergegeben werden?

In einem Fall ließ ein Bankinstitut die „Null“ als Untergrenze eines Kreditvertrags festschreiben, sagt Beate Gelbmann, Juristin und Leiterin der Abteilung Klagen beim Verein für Konsumenteninformation (VKI). So könne es sein, dass der Kreditnehmer zwar keine Zinsen mehr zahlen müsse, er würde aber nichts zurückbekommen, sollten die Zinsen unter Null fallen. Diese Regelung erkannte der OGH in einem Urteil vom vergangenen April als rechtens an, der VKI blitzte damals mit einer Verbandsklage ab. Die Fragen zur Zinsuntergrenze bei negativen Zinsen war damit jedoch noch nicht ausgeräumt; vor kurzem folgte eine weitere höchstrichterliche Entscheidung:

Marge als Zinsuntergrenze unzulässig

Im diesem Fall wollte die Bank die „Null“ als Untergrenze nicht akzeptieren. Die Bank habe eine fest vereinbarte Marge als verpflichtenden Aufschlag gefordert, so Gelbmann. Bei den variablen Zinsen sei es so, dass ein Referenzzinssatz und zusätzlich ein Aufschlag festgesetzt werde. Dieser Referenzzinssatz könne steigen oder fallen, mit den entsprechenden Auswirkungen auf den Kreditzinssatz. Nun hätten die Banken erklärt, einen Aufschlag von 1,5 Prozent auch dann zu verrechnen, wenn der Referenzzinssatz niedrig, oder sogar im Minusbereich sei. Dieses Vorgehen habe der OGH für unzulässig erklärt, so Gelbmann.

Im konkreten Fall sei es um einen Fremdwährungskredit gegangen, bei dem die Bank nachträglich eine Zinsuntergrenze einzog: Zu zahlen sei jedenfalls die Marge. Geklagt hat der Kreditnehmer in diesem Fall übrigens auf eigenen Faust; der VKI hat zwar ähnliche Klagen laufen, sei hier jedoch nicht involviert gewesen. Der springende Punkt sei in diesem Fall jedoch die nachträgliche Vertragsänderung, so VKI-Juristin Gelbmann: „Die Bank hat argumentiert, dass sie nicht gewusst habe, dass das Zinsniveau auch ins Negative absacken könnte. Das mag so sein oder auch nicht, dazu gibt es unterschiedliche Ansichten; es rechtfertigt aber nicht, dass eine gültige Vetragsklausel nachträglich geändert wird.“ Dieses Vorgehen sei eine einseitige Vertragsänderung, und das sei nach geltendem österreichischem Recht nicht erlaubt.

Einseitige Vertragsänderung geht nicht, sagt OGH

Eine Vertragslücke, die eine entsprechende Anpassung erlaubt hätte, hat es nicht gegeben, stellten nun auch die Obersten Richter fest. Der VKI sieht eine Grundsatzfrage geklärt. Als Konsequenz empfiehlt Gelbmann, dass Kreditnehmer ihre Bank nun anschreiben sollten: „Man kann nun verlangen, dass zu viel gezahlte Zinsen rückerstattet werden. Auch eine sogenannte Saldorichtigstellung kann verlangt werden. Die Konsumenten haben zu viel Zinsen bezahlt, zu viel von ihrem Geld liegt bei der Bank, und dementsprechend muss die Bank den Kontostand für den Kredit richtig stellen.“

Die Banken sehen im OGH-Urteil keine Entscheidung von allgemeiner Gültigkeit, sondern sprechen von einem Urteil in einem Individualprozess. Das möchte man nicht als Verzögerungstaktik verstanden wissen, heißt es gegenüber help.ORF.at bei der Bundesparte Banken und Versicherung in der Wirtschaftskammer. Man warte vielmehr auf einige weitere Entscheidungen, mit denen die Grundsatzfrage geklärt werden würde, und rechne damit, dass es noch in diesem Sommer soweit sei.

VKI sieht Grundsatzfrage geklärt, Banken warten ab

Betroffene Verbraucher sollten nach Sicht der Branchenvertretung jedenfalls noch „einige Wochen abwarten“, bevor sie sich per Musterbrief an ihre Bank wenden. Betroffen sind übrigens nur Kredite mit variabler Verzinsung, die um 2015 herum noch nicht in der Fixzinsphase angelangt waren.

„Bei Neuverträgen haben einige Banken von vornerein die Marge als Untergrenze festlegt. Dazu läuft ebenfalls eine Klage“ sagt VKI-Expertin Gelbmann. Das Oberlandesgericht (OG) Wien gab den Verbaucherschützern in erster Instanz Recht: „Demnach es nicht zulässig, wenn von vornerein als Untergrenze die Marge festgelegt wird aber gleichzeitig keine Obergrenze vereinbart wird. Hier hat das Gericht gesagt, eine solche Bestimmung ist einseitig zu Gunsten der Bank. Dieses Urteil Entscheidung ist aber noch nicht rechtskräftig, der OGH muss entscheiden“, so VKI-Juristin Beate Gelbmann.

Links

Mehr zum Thema