Der hohe Preis für Billigelektronik

Designed in California, made in China: Hinweise wie dieser sind auf so manchem Smartphone oder Laptop zu lesen. Millionen von chinesischen Arbeiterinnen und Arbeitern fertigen diese Produkte für den österreichischen Markt - unter teils katastrophalen Bedingungen.

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Die Löhne sind niedrig und die Umweltauflagen vergleichsweise harmlos - das sind nur zwei der Argumente, die aus Sicht der Elektronikindustrie für eine Fertigung in China sprechen. Auch Österreich gehört zu den Abnehmern dieser Produkte. Hier ist die Zahl der Importe aus China in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. 2017 haben österreichische Unternehmen Waren im Wert von fast 8,5 Milliarden Euro aus China eingeführt, beim Großteil handelt es sich um elektronische Geräte.

Bleiben auf den Überstunden sitzen

Dass die Arbeitsbedingungen der Zulieferbetriebe und Fertigungsanlagen jedoch oft katastrophal sind, werde in Europa jedoch zu wenig wahrgenommen, sagt der Arbeitsrechtsexperte Kin Wan vom Labour Education and Service Network (LESN) mit Sitz in Hongkong. Kin, der auf Einladung der Menschenrechtsorganisation Südwind in Wien war, berichtet, dass ein Großteil der Arbeiter an sechs Tagen in der Woche arbeiten müsse, dass sie mit teilweise giftigen Chemikalien hantieren und Überstunden nicht ausgezahlt werden.

Beschäftigte in einer Fabrik für TV-Geräte in Lianyungang/China

APA/AFP

Beschäftigte in einer chinesischen Fabrik für TV-Geräte

LESN möchte chinesische Arbeiterinnen und Arbeiter über ihre Rechte aufklären und ihnen dabei helfen, diese auch durchzusetzen. Denn in den Fabriken stünden zahlreiche arbeitsrechtliche Übertretungen auf der Tagesordnung, sagt Kin. Das chinesische Arbeitsrecht sieht eine Normalarbeitszeit von acht Stunden pro Tag vor, für Überstunden fällt eine eineinhalbfache Überzahlung an. Doch die ließen viele Unternehmen unter den Tisch fallen, sagt Kin. Den Arbeitern bliebe nur das sehr niedrige Grundgehalt.

90-Stunden-Woche nicht unüblich

Die Arbeiter müssten ohnehin zwölf Stunden am Tag, sechs Tage die Woche arbeiten, erklärt Kin. „Wenn der Produktionsdruck steigt, etwa in der Weihnachtszeit, müssen sie dazu noch Überstunden machen, und wir reden hier von 90-Stunden-Wochen“, so der Arbeitsrechtsexperte. Problematisch sei zudem, dass viele Fabriken diese Überstunden nur teilweise auszahlten, manche täten es gar nicht.

Arbeiter in einer Fabrik für Lithiumbatterien in Haimen/China

APA/AFP/STR

China ist weltweit führend bei der Produktion von Lithiumbatterien

Noch problematischer findet Kin allerdings den laxen Umgang mit Sicherheits- und Umweltauflagen. In China gebe es unzählige kleine Zulieferbetriebe, die Elektronikkomponenten fertigen. Diese zu kontrollieren sei so gut wie unmöglich. Und genau dort werde immer noch Benzol, eine gefährliche Chemikalie, für die Endreinigung der Produkte eingesetzt. „Die Dämpfe sind beim Einatmen giftig, aber es gibt keine entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen für die Arbeiterinnen und Arbeiter“, betont Kin.

Von Blindheit bis Blutkrebs

Die gesundheitlichen Folgen für die Arbeiterinnen und Arbeiter reichen von Müdigkeit und Apathie bis zu Blindheit und Krebserkrankungen. Bei großen Firmen wie dem Apple-Zulieferer Foxconn sei die Situation mittlerweile anders, so Kin. Aufgrund des Drucks von Konsumentinnen und Konsumenten und ihres Hauptkunden Apple habe das Unternehmen mittlerweile auf den Einsatz von Benzol verzichtet. Die Kampagne richtete sich gegen die laxen Sicherheitsvorkehrungen bei Foxconn, weil einige Arbeiterinnen und Arbeiter an Blutkrebs erkrankt waren.

Deswegen sei es so wichtig, sich auch in Europa über die Arbeitsbedingungen in China zu informieren, sagt Matthias Haberl von der Menschenrechtsorganisation Südwind, die mit Kin und seinen Kollegen zusammenarbeitet. Darüber hinaus sollten die Konsumentinnen und Konsumenten ihr Kaufverhalten überdenken, Smartphones länger nutzen oder auch wiederaufbereitete Computer kaufen.

In Europa protestieren

Haberl fordert die Verbraucherinnen und Verbraucher außerdem dazu auf, sich politisch und zivilgesellschaftlich zu engagieren."Man kann gegenüber der hiesigen Politik zumindest den Wunsch äußern, sich für andere Rahmenbedingungen in China einzusetzen", so Haberl. Die öffentliche Hand habe zudem eine enorme Marktmacht, die man nutzen könne, um sich für faire Arbeitsbedingungen einzusetzen.

Denn in China selbst hätten weder die Arbeiter noch die Menschenrechtsaktivisten die Möglichkeit, sich für bessere Arbeitsbedingungen einzusetzen, ergänzt Kin von LESN. Wer offen protestiert, werde von den Behörden verfolgt. Und die Regierung wolle nichts unternehmen, was dem Exportland China schaden könnte. Deswegen toleriere man niedrigste Löhne, Ausbeutung und problematische Arbeitsbedingungen.

Marlene Nowotny, help.ORF.at

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