Kfz-Werkstatt hält Fahrzeug zurück

Wer nach einem unverschuldeten Autounfall denkt, dass dank der Kfz-Versicherung keine finanziellen Belastungen zu befürchten sind, kann eine böse Überraschung erleben. Dann nämlich, wenn die Versicherung den Schaden nicht übernimmt, der Mechaniker für die Schadensabwicklung aber trotzdem Geld sehen will. Muss man den dann wider Erwarten zahlen, obwohl keine Reparatur vorgenommen wurde?

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Sabina Weidrich, den Namen haben wir geändert, fährt einen etwa 17 Jahre alten VW-Bora-Kombi. Kürzlich touchierte ein Lastwagen im Rückwärtsgang das geparkte Fahrzeug mit der Folge, dass die Tür eingedrückt wurde. Was folgte, war Routine: Der Lastwagenfahrer gab seine Versicherungsdaten her, Sabrina Weidrich verständigte die Kfz-Werkstatt Liberty Autoservice GmbH. Sie habe sich telefonisch mit der Werkstatt in Verbindung gesetzt und gefragt, ob diese einen Versicherungsfall annimmt, erzählt Sabina Weidrich. Die Frage, ob für sie Kosten anfallen würden, habe der Mechaniker verneint, er würde alles mit der Versicherung abwickeln.

Versicherung verweigert die Kostenübernahme

Fünf Tage später kam die Hiobsbotschaft per Telefon. Aus Sicht der Versicherung liege ein Totalschaden vor, da die Reparatur 3.600 Euro kosten würde, der Zeitwert des Autos aber nur noch 1.600 Euro beträgt. Die Versicherung lehnte es ab, den Großteil der anfallenden Reparaturkosten zu übernehmen. Nun habe der Mechaniker wider Erwarten 120 Euro für die Schadensabwicklung in Rechnung gestellt. Die Versicherung würde davon nur 70 Euro plus Umsatzsteuer übernehmen, das sei dem Mechaniker zu wenig gewesen, so Weidrich. Als sie sich weigerte, den geforderten Betrag zu übernehmen, habe man sich im Gegenzug geweigert, den Wagen wieder herauszugeben.

Werkstatt will Geld für Schadensabwicklung

Auf Nachfrage durch help.ORF.at beharrte die Werkstatt auf der Abgeltung einer Arbeitsstunde. Die Kundin habe das Unternehmen beauftragt, den Schaden zu beheben und „soweit möglich“ mit der Versicherung zu verrechnen, so Liberty Autoservice in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber help.ORF.at: „Wir haben in der Folge mit der Versicherung Kontakt aufgenommen, einen Besichtigungstermin mit dem Sachverständigen vereinbart, die Besichtigung an sich abgewickelt und auch noch das Nachgespräch mit dem Sachverständigen und dem Schadensreferenten geführt. Dabei wurde uns von Seiten der Versicherung mitgeteilt, dass eine Reparatur des Schadens nicht übernommen wird.“

Die Werkstatt habe die Kundin darauf hingewiesen, dass diese Reparatur in diesem Ausmaß von der Versicherung des Unfallgegners nicht bezahlt würde und daher der Differenzbetrag von ihr zu tragen wäre: „Selbstverständlich wollte die Kundin unter diesen Umständen keine Reparatur des Fahrzeuges. Nichtsdestotrotz haben wir für die bisherige Abwicklung einen gewissen Aufwand gehabt, den wir ja nur bei der Kundin geltend machen können.“

Kundin: „Das Geld steht ihm nicht zu“

Als man in der Folge versuchte, die Sache auszudiskutieren, verhärteten sich die Fronten. Verärgert habe sie zu guter Letzt einen Freund mit den geforderten 120 Euro in die Werkstatt geschickt, um das Fahrzeug endlich auszulösen, erklärt Sabina Weidrich. Doch statt der vereinbarten 120 Euro habe der Mechaniker nun 144 Euro, also 120 Euro plus Umsatzsteuer gefordert. Zu diesem Zeitpunkt sei die Atmosphäre bereits derart vergiftet gewesen, dass man unverrichteter Dinge wieder abzog. Der Wagen befindet sich nach wie vor auf dem Parkplatz der Autowerkstatt. Nach Auffassung der Versicherung und des ARBÖ stehe dem Mechaniker kein Geld von ihrer Seite zu, so Weidrich. Was ihm zustehe, seien 70 Euro, und die erhalte er ohnehin von der Versicherung, argumentiert die Kundin.

Preisangaben gegenüber Kunden müssen Brutto sein

Der Fall sei ohne genaue Detailkenntnisse schwer zu beurteilen, sagt der Leiter der ÖAMTC-Rechtsabteilung Martin Hoffer. Sollte der Automechaniker aber tatsächlich 120 Euro verlangt haben, dann dürfe er im Nachhinein nicht plötzlich 144 Euro fordern. Auch nicht mit Verweis auf die Umsatzsteuer. Laut Konsumentenschutzgesetz (KSchG) sei es vorgeschrieben, dass bei Preisangaben gegenüber den Kunden grundsätzlich der Brutto-Betrag zu nennen sei, so Hoffer: „Wenn er 120 sagt, dann hat er auch 120 gemeint zu haben.“

ÖAMTC und ARBÖ bewerten den Fall unterschiedlich

Grundsätzlich sei ein Unternehmer zwar berechtigt, ein Fahrzeug einzubehalten, sollte er für eine verlangte Dienstleistung nicht entlohnt werden, so Hoffer. Im gegenwärtigen Fall sei der Mechaniker aber wohl gut beraten, das Fahrzeug gegen maximal 120 Euro freizugeben. Anderenfalls riskiere er eine Besitzstörungsklage der Kundin, die in so einem Fall auch Schadenersatz geltend machen könnte, etwa für die Kosten eines Mietwagens.

Darf er aber überhaupt Geld verlangen? Obwohl davon gesprochen wurde, dass der Fall mit der Versicherung abgerechnet wird und der Kundin keine Kosten entstehen? Ja, meint der ÖAMTC-Jurist. Dass in einem telefonischen Erstgespräch vereinbart werde, dass alles über die Versicherung läuft, sei durchaus üblich, so Hoffer. Daraus eine bindende Zusage abzuleiten, dass es nie und unter keinen Konstellationen zu einer Kostenbeteiligung der Konsumentin kommen könne, sei nach Meinung des Experten „außerhalb der Lebenserfahrung.“ Man müsse einem mündigen Konsumenten unterstellen können, dass ihm bewusst ist, dass Versicherungen nicht immer alles zahlen, so Hoffer.

Ein Streit „um des Kaisers Bart“

Gerald Hufnagel von der ARBÖ-Rechtsabteilung beurteilt den konkreten Fall anders. Er gehe, zumindest nach den Schilderungen von Sabina Weidrich, davon aus, dass sie keinen konkreten Reparaturauftrag erteilt habe und somit auch nicht davon ausgehen musste, dass Kosten anfallen. Somit wären die geleistetes Tätigkeiten des Mechanikers bestenfalls als Vorbereitungen zu einem Vertragsabschluss zu werten und als solche nicht kostenpflichtig, so Hufnagel. Er würde raten, die geforderte Summe zunächst zu begleichen, um sie anschließend auf dem Klagsweg zurückzuholen.

Martin Hoffer vom ÖAMTC würde hingegen eine außergerichtliche Lösung vorziehen. Er rät beiden Parteien, noch einmal zusammenzukommen, um die Angelegenheit ins Reine zu bringen: „Auto her, Geld rüber und fertig.“ Ob die Versicherung dann den vollen Betrag oder nur einen Teil der Kosten übernehme, sei bei der Höhe des gegenwärtigen Streitwerts aus Sicht Hoffers ein „Streit um des Kaisers Bart.“

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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