Energiediskonter lehnt wechselfreudige Neukunden ab

Der Energiediskonter Top Energy wirbt mit erheblichen Rabatten um Neukunden. Im Preismonitor der E-Control brachte das dem Anbieter den obersten Platz in der Liste der günstigsten Stromanbieter. In manchen Fällen lehnt das Unternehmen jedoch Neukunden ab - und das, obwohl der Liefervertrag schon zustande gekommen war.

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Das Wiener Unternehmen Top Energy wirbt auf seiner Webseite damit, dass neue Kunden ihren Strom und ihre Gaslieferung einen Monat im Jahr gratis erhalten. Und zwar für einen Zeitraum von vier Jahren nach Vertragsabschluss. Das Angebot richtet sich vor allem an Kunden, die ökologisch nachhaltige Energielösungen suchen. Laut Homepage werden Strom (und verblüffenderweise auch Gas) zu hundert Prozent aus Wasserkraft gewonnen.

Nach der Vertragsbestätigung kam die Ablehnung

Ein interessantes Angebot, fand der Oberösterreicher Werner Lüttich (Name geändert). Da auch der Tarifkalkulator der Energie-Control Austria GmbH (E-Control), die für die Regulierung der Elektrizitäts- und Erdgaswirtschaft zuständig ist, das Produkt empfahl, entschloss sich der Konsument, sein Heizgas ab sofort von Top Energy zu beziehen. Am zweiten Februar erhielt Werner Lüttich im Anhang einer E-Mail ein Willkommenschreiben, in dem das Zustandekommen des Liefervertrags bestätigt wurde.

Zwei Tage später folgte die Ernüchterung. In einer weiteren Mail wurde dem Kunden mitgeteilt, dass Top Energy die Bestellung abgelehnt hat und es zu keinem Vertrag kommen werde: „Wir müssen Sie leider darüber informieren, dass unser Unternehmen mit Ihnen kein Vertragsverhältnis eingehen möchte.“ In dem knappen Schreiben waren lediglich noch die Worte „Grundsatz der Vertragsfreiheit“ in Klammer gesetzt.

Top Energie beruft sich auf „Vertragsfreiheit“

Der in dem Schreiben angeführte „Grundsatz der Vertragsfreiheit“ besagt, dass es sowohl dem Kunden als auch dem Lieferanten frei steht, ob er einen Vertrag abschließt, oder ob er einen Vertragsabschluss verweigert, erklärt der Vorstand der E-Control Wolfgang Urbantschitsch. Allerdings dürfe der Energielieferant nicht diskriminierend vorgehen, und man müsse im Einzelfall prüfen, ob die Ablehnung eines Kunden auch gerechtfertigt sei, so Urbantschitsch.

Auf Nachfrage durch den abgelehnten Kunden führte Top-Energy Engpässe bei der Versorgung an und schrieb: „Ihre Bestellung wurde aufgrund von Mangel an internen Kapazitäten abgelehnt. Bitte suchen Sie sich daher einen anderen Lieferanten, der Ihre Belieferung übernimmt. Wir wünschen einen schönen Tag.“ Den Verweis auf mangelnde Kapazitäten beurteilt E-Control-Vorstand Urbantschitsch kritisch. Schließlich würden die Unternehmen um neue Kunden werben. Wenn diese dann aufgrund interner Kapazitätsprobleme abgelehnt würden, dann müsse man sich die Frage stellen, ob die Werbung überhaupt in dieser Form zulässig war, so Urbantschitsch. Die E-Control prüft den Fall und hat das Unternehmen um eine Stellungnahme ersucht.

Abgelehnte Kunden wechselten häufig Energieanbieter

Der Ö1-Konsumentenredaktion sind mittlerweile mehrere Fälle bekannt, in denen Top-Energy Neukunden abgelehnt hat. Auffällig war, dass es sich immer um Personen handelte, die häufig ihre Energielieferanten wechseln - sich als Konsumenten also so verhalten, wie es Verfechter der Liberalisierung des Energiemarkts befürworten. Das trifft auch auf Herrn Lüttich zu. Er wechsle zwar nicht in jährlichen Abständen, sei aber in der jüngeren Vergangenheit nie länger als zwei Jahre bei einem Anbieter geblieben, so der Konsument gegenüber help.ORF.at. Ob zwischen der Beweglichkeit der Kunden und der Ablehnung durch Top Energy ein tatsächlicher Zusammenhang besteht, ließ sich nicht restlos klären. Das Unternehmen wollte uns gegenüber zu diesem Punkt keine Angaben machen.

Ein neuer Energieanbieter könne zwar nicht direkt erkennen, ob ein potentieller Kunde häufig die Lieferanten wechsle oder nicht, meint Urbantschitsch, der neue Anbieter kenne aber zumindest den Vorlieferanten, da er ja in der Regel den Wechsel in die Wege leite. Da manche Lieferanten ihrerseits mit hohen Rabatten um neue Kunden buhlen, könne das durchaus Rückschlüsse auf das Kundenverhalten zulassen, so Urbantschitsch. Ein neuer Energielieferant könne auf diese Weise zumindest mutmaßen, ob ein Kunde seine Anbieter häufig wechselt oder nicht.

Help-Jurist: Ablehnung des Kunden nicht rechtens

Gegenüber help.ORF.at beharrt Top Energy jedenfalls darauf, dass die erwähnten Kapazitätsprobleme der Grund dafür waren, dass man Werner Lüttich als Kunden abgelehnt habe. Nichtsdestotrotz verhalte sich das Unternehmen im konkreten Fall nicht rechtskonform, sagt Help Jurist Sebastian Schumacher. Grundlage dafür seien hier die Geschäftsbedingungen, die Top Energy selbst festgelegt hat. In diesen sei klar formuliert, dass der Vertrag bereits mit der Annahme des Angebots durch den Kunden zustande komme. Auf Vertragsfreiheit könne sich das Unternehmen also nicht mehr berufen, so Schumacher.

Top Energy behalte sich zwar Rücktrittsgründe vor, diese seien aber in den AGB des Unternehmens genau definiert. Ein Vertragsrücktritt von Seiten der Top Energy sei nur dann zulässig, wenn der Kunde ein anderes Angebot einreicht, als jenes, das dem Antragsformular von Top Energy entspricht, wenn Zweifel an der Bonität oder Identität des Kunden bestehen, oder wenn Probleme bei der Herstellung des Services angenommen werden müssen. Keiner dieser in den AGB beschriebenen Rücktrittsgründe könne im konkreten Fall geltend gemacht werden, so Schumacher. Mangelnde Kapazitäten seien als Rücktrittsgrund nicht angeführt, und lediglich der Umstand, dass man mit einem Kunden nun doch kein Vertragsverhältnis eingehen wolle, rechtfertige einen Rücktritt nicht.

Top Energy hatte gegenüber help.ORF.at zunächst angegeben, dass man die Allgemeinen Geschäftsbedingungen nun erweitert habe und dass die Kunden nun über die Möglichkeit einer Vertragsablehnung aufgrund mangelnder Kapazitäten in Kenntnis gesetzt würden. Laut E-Control muss jedoch jede Änderung von Allgemeinen Lieferbedingungen der E-Control Kommission gemeldet werden. Diese habe die Aufgabe, eventuell ungesetzliche Bestimmungen zu untersagen. Sobald eine Anzeige der neuen Geschäftsbedingungen an die E-Control erfolgt sei, werde man eine rechtliche Prüfung einleiten, so E-Control Vorstand Urbantschitsch.

Top Energy: Stellen Kundenwerbung nicht ein

In dem Schreiben an help.ORF.at hatte Top Energy zunächst angekündigt, die Werbung um neue Kunden vorläufig einzustellen. Konkret heißt es: „Es wäre uns nun durch die internen Kapazitäten aufgrund der aktuellen Einstellung der Kundenakquise möglich Herrn Lüttich anzuschalten, wenn er noch Interesse hat.“ Laut E-Control habe Top Energy ein Angebot aus dem Tarifkalkulator entfernt und sei derzeit nur mehr mit einem Angebot gelistet.

Von einer generellen Einstellung der Kundenwerbung nimmt Top Energy in einem aktuellen Schreiben an die Redaktion derweil Abstand und betont: „Wir, wie auch alle anderen Anbieter, arbeiten mit unterschiedlichen Tarifen und Aktionen. Es ist lediglich eine Aktion ausgelaufen, welche im E-Control Tarifkalkulator für kurze Zeit federführend war.“ Mittlerweile haben uns weitere Fälle erreicht, die von ähnlichen Problemen mit dem Energieanbieter berichten.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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