Kinderarbeit: Glänzen um jeden Preis

Glimmer oder Mica wird eine Gruppe von Mineralien genannt, die Lidschatten, Rouge oder auch Shampoos einen leuchtenden Schimmer verleiht. Große Glimmervorkommen findet man im Nordosten Indiens - wo die meisten Minen illegal sind und Kinderarbeit gang und gäbe ist.

Der Glimmerabbau in Indien beschäftigt ganze Familien und das bedeutet, dass Kinderarbeit auf der Tagesordnung steht. Die Kinder kommen bereits als Babys mit in die Minen, in Tragetüchern auf dem Rücken ihrer Mütter. Sobald sie 5, 6 Jahre alt sind, beginnen sie selbst mitzuarbeiten.

90 Prozent der Minen illegal

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Laut Zahlen des spendenfinanzierten Kinderhilfswerks Terre des Hommes arbeiten rund 20.000 Kinder in den Glimmerminen im Nordosten Indiens und das unter widrigen Bedingungen. Denn die meisten Familien, die in der Mica-Industrie arbeiten, gehören zur Kaste der Dalit, der untersten Kaste im indischen Kastensystem. Diese Menschen seien ohnehin diskriminiert und ausgebeutet, sagt Antje Ruhmann, die bei der NGO als Referentin für Kinderrechte arbeitet.

Ein junges Mädchen arbeitet in einem indischen Steinbruch

dpa/Doreen Fiedler

Etwa 20.000 Kinder arbeiten in der indischen Glimmer-Industrie

Die Kinder müssen in den Minen mit gefährlichem Gerät hantieren, schwere Lasten tragen und Gesteinsstaub einatmen. Laut Terre des Hommes haben nur zehn Prozent der Minen eine offizielle Genehmigung. Die illegalen Minen, in denen die Kinder arbeiten, seien baulich nicht ausreichend abgesichert, so Ruhmann.

Keine Chance auf Schulbildung

Die Kinder verletzen sich regelmäßig bei der Arbeit. Immer wieder kommen Kinder zu Tode, weil sie in einstürzenden Schächten begraben werden. „Zu der Gefahr kommt, dass sie so gut wie keine Freizeit haben, kein Wochenende und auch keine Chance eine Schule zu besuchen“, ergänzt Ruhmann.

Nachdem es für die Familien keine beruflichen Alternativen in der Region gibt, sind sie auf die Beschäftigung in den Minen angewiesen. „Die Hauptursache für die Kinderarbeit in der Region ist auf jeden Fall die große Armut der Familien“, so die Referentin für Kinderrechte. Deswegen müssten die Kinder zum Familieneinkommen beitragen. Das könne nur verhindert werden, wenn den Erwachsenen existenzsichernde Löhne bezahlt würden.

Glimmer statt Mikroplastik

Indien gehört neben China zu den größten Exporteuren von Glimmer. Zu den weltweiten Abnehmern zählt neben Herstellern von Autolacken und Elektronikgeräten auch die Kosmetikindustrie. Die zermahlenen Mineralien verleihen Lidschatten, Rouge oder Lippenstiften einen schimmernden Glanz und lassen in Produkten wie Shampoo, Conditioner oder Duschgel kleine Glitzerpartikel leuchten. Ob Glimmer enthalten ist, erkennt man, wenn „Mica“ bei den Inhaltsstoffen aufgeführt ist.

Ein Model wird geschminkt

APA/dpa/Jens Kalaene

Mica lässt Lippen, Wangen und Augenlider glänzen

Mica ist für Kosmetikunternehmen nicht nur interessant, weil es schön glitzert. Das natürlich vorkommende Mineral könne in einigen Produkten einen anderen, in Verruf geraten Stoff ersetzen, sagt Birgit Schiller, Projektleiterin beim Verein für Konsumenteninformation im Bereich Kosmetik, und zwar Mikroplastik. Die kleinen Plastikpartikel gelangen in den Wasserkreislauf wenn sie abgewaschen werden und können dort zu einer Belastung für Fische und Vögel werden.

Keine echte Alternative für Mica

Man müsse also aufpassen, dass man nicht ein Übel durch ein anderes ersetze, so Schiller. Weitere Alternativen für die glitzernden Plastikpartikel wären synthetisch hergestellter Glimmer bzw. kleine Glaspartikel, die vor allem in Naturkosmetik zum Einsatz kommen. Ob letztere ein Umweltproblem darstellen, ist allerdings unklar, denn es gibt noch keine entsprechenden Studien. „Einen idealen Ersatz gibt es nicht so ganz, denn bei allen synthetischen Stoffen kann man einfach nicht sagen, ob die über die gesamte Produktionskette hinweg umweltfreundlich und nachhaltig sind“, meint Schiller.

Mica durch synthetische Alternativen zu ersetzen ist auch für das Kinderhilfswerk Terre des Hommes keine Alternative. Denn die Familien in Indien sind vom Glimmerabbau abhängig. Antje Ruhmann und ihre Kollegen setzen sich deswegen für faire Löhne in der Region ein und fordern schärfere Kontrollen. Denn Kinderarbeit ist auch in Indien gesetzlich verboten. Der indische Staat und die internationalen Abnehmer der Mineralien müssten ihre Kontrollen und ihre Engagement in der Region verstärken.

Fair geschürften Glimmer fordern

Neben Kosmetikprodukten und Metallic-Autolacken gehören Elektronikgeräte zu den Produkten, in den Mica verarbeitet wird. Wegen der geringen Leitfähigkeit wird Mica hier unter anderem als Isolierung eingesetzt. Terre des Hommes empfiehlt verunsicherten Konsumenten, sich bei den Produzenten zu erkundigen, ob Mica verarbeitet wird, woher es stammt und die Unternehmen dazu aufzufordern, nur fair geschürften Glimmer zu verarbeiten.

Marlene Nowotny, help.ORF.at

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