Verkaufsschmäh: Milchprodukte mit extra viel Protein

Eiweiß hat den Hobbysport und das Fitnessstudio erobert. Es verspricht viel Energie und noch mehr Muskelaufbau. Proteinriegel und -shakes gibt es mittlerweile im Supermarkt, nun versprechen auch immer mehr Milchprodukte eine extra Portion Eiweiß. Und das, obwohl Topfen & Co schon in ihrer natürlichen Form viel Protein enthalten. Es empfiehlt sich auf die Zutatenliste zu schauen.

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Eine neue Topfencreme auf dem Markt wird als „optimaler Trainingsabschluss zum Löffeln“ angepriesen und soll vor allem ernährungsbewusste und sportbegeisterte Menschen ansprechen. Doch bei genauerer Betrachtung der Nährwerttabelle und der Zutatenliste wird ersichtlich: Das Produkt enthält weniger Protein als handelsüblicher Magertopfen.

Andere Proteinprodukte werden mit Milcheiweiß angereicht, erklärt die Ernährungswissenschaftlerin und ausgebildete Köchin Andrea Ficala. Doch aus ernährungswissenschaftlicher Sicht seien proteinangereicherte Produkte in der Regel nicht notwendig. Eine ausgewogene Mischkost deckt den Eiweißbedarf eines Erwachsenen ab, auch wenn dieser ein- oder zweimal in der Woche Sport betreibt.

Topfencreme in Schüsseln

Getty Images/Basilios1

Topfen und Frischkäse enthalten auch ohne Zusatz viel Eiweiß

Erst wer Leistungssport treibt, braucht mehr Eiweiß

Selbst wer vier Mal pro Woche moderat Sport mache, habe keinen erhöhten Proteinbedarf, sagt Andrea Ficala. Wie viel Protein man täglich zu sich nehmen sollte, ist vom Körpergewicht abhängig: 0,8 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht lautet die Formel. Ein 70 Kilogramm schwerer Mensch soll demnach pro Tag rund 56 Gramm Eiweiß zu sich nehmen. Dieser Richtwert wäre mit einer einzigen Portion Fleisch von 200 Gramm bereits erfüllt. Wer sich ausgewogen ernährt, deckt den täglichen Proteinbedarf ohne Schwierigkeiten.

Generell essen Österreicherinnen und Österreicher genug Eiweiß; im Durchschnitt sogar zu viel als zu wenig, besagt der aktuelle österreichische Ernährungsbericht aus dem Jahr 2017. Einen erhöhten Eiweißbedarf haben Leistungssportler, Menschen mit zehrenden, chronischen Krankheiten wie Krebs und Menschen ab 65, deren Körper den Nährstoff aus der Nahrung schlechter aufnimmt. Selbst schwangere oder stillende Frauen, die einen leicht erhöhten Bedarf haben, können durch abwechslungsreiche Ernährung genügend Eiweiß zu sich nehmen, sagt Ficala. „Vor allem ist man mit einer Mischkost im sicheren Bereich, dass man nicht zu viel erwischt.“

Zu viel Protein belastet schwache Nieren

Der Grundsatz „viel hilft viel“, gilt bei Protein nicht. Nimmt man den Nährstoff im Übermaß zu sich, etwa durch angereicherte Nahrungsmittel, schlägt sich das buchstäblich auf die Nieren. Darauf weisen die Daten hin, die sich mit dieser Forschungsfrage beschäftigen, so Ernährungswissenschaftlerin Ficala. Beim Abbau von Eiweiß entsteht Harnstoff, der in der Niere gefiltert wird. „Wenn die Niere schwach arbeitet und man viele dieser Eiweißshakes zu sich nimmt, belastet man ein Organ unnötigerweise“, sagt Ficala. Zudem steige das Risiko, an Gicht zu erkranken.

Natürliche Eiweißquellen sind tierische Produkte wie Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte sowie pflanzliche Nahrungsmittel wie Nüsse, Getreide, Kartoffeln und Hülsenfrüchte. Da Österreicher dem Ernährungsbericht zufolge zu viel Fleisch und Wurst essen - Männer nehmen das dreifache der empfohlenen Menge zu sich - raten Ernährungswissenschaftler wie Andrea Ficala, mehr pflanzliche Eiweißquellen zu konsumieren: „Linsen, Bohnen und Erbsen sind gute Eiweißquellen und kalorienärmer als Fleisch und Wurst.“

Proteinshake

Getty Images/Burcu Atalay Tankut

Topfen, Milch und Früchte mixen - und fertig ist der Eiweißdrink

Wie gut der Körper das Eiweiß aufnehmen kann

Es kommt nicht nur auf die Menge, sondern vor allem auch auf die Qualität des Proteins an, wie gut der menschliche Körper das Eiweiß aufnehmen kann. „Das optimale Eiweiß liefert das Hühnerei, weil es unser Körper besonders gut umwandeln kann“, erklärt Ficala.

Kombiniert man bestimmte Lebensmittel, erhöht das ihre biologische Wertigkeit. Spiegelei mit Kartoffeln ist eine Kombination, die sich nicht nur kulinarisch bewährt hat, sondern auch ernährungsphysiologisch sinnvoll ist. Die Proteinbestandteile, die Aminosäuren von Ei und Kartoffeln ergänzen sich besonders gut und der Körper kann das enthaltene Protein optimal aufnehmen.

Wenig Protein, viel Zucker und andere Süßmacher

„Ein ungesundes Nahrungsmittel wie ein Schokoriegel wird dadurch, dass er mehr Protein enthält auch nicht gesünder“, gibt Andrea Ficala zu bedenken. Viele Proteinriegel, Drinks und Shakes schnitten in Produkttests schlecht ab, weil sie viel Zucker oder Zuckeraustauschstoffe enthalten.

Andrea Ficala rät stattdessen, sich seinen Proteindrink selbst zu machen. Dazu Topfen mit Wasser oder Apfelsaft mixen und nach Wunsch mit Früchten, Nüssen oder Leinsamen verfeinern.

Johanna Steiner, help.ORF.at

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