Besitzer von Viagogo-Tickets müssen zittern

Für einige Ed Sheeran-Fans hatte das Wien-Konzert des Songwriters eine böse Überraschung auf Lager. Ihre Tickets waren ungültig, der Einlass wurde ihnen verweigert. Das Problem: Sie hatten die Karten über Viagogo bezogen. Viagogo ist ein Portal, auf dem Schwarzhändler vorher aufgekaufte oder sogar gefälschte Karten überteuert weiterverkaufen. Was Konsumenten in so einem Fall tun können.

Hinter dem Onlineticketmarktplatz Viagogo steht eine britische E-Commerce-Firma mit Hauptsitz in der Schweiz. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren schon einige Gerichte beschäftigt. Abmahnungen, einstweilige Verfügungen, der Wikipedia-Eintrag von Viagogo weist immerhin 17 juristische Auseinandersetzungen seit dem Jahr 2016 auf.

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„Viagogo zieht Verfahren in die Länge“

Kürzlich konnten die Kabarettisten Viktor Gernot und Monika Gruber einen Erfolg vor dem Landesgericht Linz erzielen: Viagogo darf ihre Tickets nicht mehr anbieten. Nun müsse das Urteil aber erst übersetzt, zugestellt und angenommen werden, bevor es rechtskräftig werden kann, sagt der Rechtsanwalt der beiden Künstler, Johannes Hintermayr. Viagogo sei aber ein Meister darin, ein Verfahren zu verschleppen. Etwa indem man Urteile schlicht ignoriert und nicht reagiert. Entsprechende Versäumungsurteile und die entsprechenden Strafen kann sich Viagogo offensichtlich problemlos leisten.

Laut Wikipedia wurde Viagogo von dem US-amerikanischen Geschäftsmann Eric Baker gegründet. Er fungiert seither als CEO. Baker hatte zuvor bereits den Ticket-Reseller StubHub ins Leben gerufen und dieses Unternehmen letztlich um 350 Millionen US-Dollar an eBay verkauft. Welche Aktionäre aber genau hinter Viagogo stecken, sei nicht bekannt, es gebe auch kein Register, um das aufzuzeigen, so Hintermayr. Der Anwalt vermutet, dass hier sehr viel Geld im Spiel ist, anderenfalls sei es nur schwer möglich, so viele Verfahren dermaßen in die Länge zu ziehen.

Fälschungen und Wucherpreise

Dabei könne man Viagogo einiges anlasten, meint Hintermayr. Das Portal fungiere als digitaler Schwarzmarkt für Veranstaltungstickets. Vorher aufgekaufte Kontingente würden zu überhöhten Preisen gehandelt, auch gefälschte Tickets würden angeboten. Die Authentizität werde von den Betreibern ebenso wenig kontrolliert wie der Preis. So könne es passieren, dass der fünffache Kartenpreis verlangt werde, so der Jurist: „Es ist einfach schlimm, dass so eine Plattform existieren kann und weiter existieren soll.“

Bildschirm mit Viagogo Webseite

APA/AFP/STR

Konzert- und Sporttickets werden auf Viagogo zu Wucherpreisen weiterverkauft

Beim Ticketkauf würden die Konsumenten mittels eines laufenden Countdowns unter Kaufzwang gesetzt, den tatsächlichen Preis erfahre man erst nach abgeschlossener Buchung. Ein derartiges Vorgehen verstoße sowohl gegen das österreichische Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz (FAGG) als auch gegen das E-Commerce-Gesetz. Aus Sicht Hintermayrs würden die Konsumentinnen und Konsumenten zum Teil betrogen, zum Teil getäuscht und in jedem Fall irregeführt.

Anwalt: Auch Verkäufer machen sich strafbar

Nicht nur Viagogo selbst, auch Personen, die über das Portal Karten zum Verkauf anbieten, machen sich strafbar, so Rechtsanwalt Hintermayr. Wenn man tatsächlich dahinterkommt, wer hinter den Pseudonymen, die in der Regel bei Viagogo verwendet werden, steckt, dann könne man diese Personen klagen. Auch die Anbieter auf Viagogo würden schließlich die Konsumenten schädigen. Außerdem würde keiner der Verkäufer über eine gültige Gewerbeberechtigung verfügen, obwohl viele in der Regel den Handel gewerblich ausüben würden, so Hintermayr.

Viagogo vertritt den Standpunkt, dass man nur die Handelsplattform zur Verfügung stelle. Für die gehandelten Waren sei man daher nicht verantwortlich. Der Jurist lässt diese Argumentation nicht gelten. Viagogo kontrolliere das gesamte Geschäftsmodell. Inklusive Countdown, um die Kunden unter Druck zu setzen. Außerdem würde das Unternehmen beträchtliche Provisionen kassieren.

„Ticketbesitzer sollen Veranstalter kontaktieren“

Der Käufer einer Schwarzmarktkarte von Viagogo mache sich aber noch nicht strafbar. Die Plattform sei hochprofessionell gestaltet, und einem Käufer sei es nicht zuzumuten, zu überprüfen, ob der Händler, bei dem er die Karte bestellt, über eine gültige Gewerbeberechtigung verfüge oder nicht.

Konsumentinnen und Konsumenten, die ein Veranstaltungsticket über Viagogo erworben oder eines geschenkt bekommen haben, rät der Jurist, umgehend mit dem verantwortlichen Veranstalter Kontakt aufzunehmen, um sich zu erkundigen, welche Maßnahmen man treffen kann, um etwa Probleme beim Einlass zu vermeiden.

Barracuda-Music: Sind auf Urlaub - kaum Kommentar

Ob das in jedem Fall so einfach funktioniert, ist allerdings fraglich. Der Musikveranstalter Barracuda-Music hat im vergangenen August zwei Ed Sheeran Konzerte organisiert, bei denen Viagogo-Kartenbesitzer auf Wunsch des Künstlers draußen bleiben mussten. Auf Anfrage durch help.ORF.at antwortete man bei Barracuda-Music eher lapidar: „Unsere Geschäftsleitung ist derzeit auf Urlaub. Ich darf Ihnen jedoch mitteilen, dass wir Kunden bitten, nur bei den von uns kommunizierten Vorverkaufsstellen Tickets zu kaufen und jegliche Art von Sekundärplattformen zu meiden, um nicht möglicherweise ungültige oder überteuerte Tickets zu erhalten.“

In manchen Fällen zahlt Viagogo Geld zurück

Dass bereits geschädigte Viagogo-Kunden ihr Geld wiedersehen, sei nicht auszuschließen, so Hintermayr. Er habe selbst einen Fall bearbeitet, bei dem Viagogo den Schaden letzten Endes, sehr zur Überraschung des Anwalts, wie er sagt, ersetzt habe. Auf der anderen Seite weiß er von einem Fall, bei dem die Arbeiterkammer (AK) wegen nur 500 Euro zum Mittel der Exekution schreiten musste, um eine offene Forderung einzutreiben.

Die Durchsetzung einer finanziellen Forderung gegenüber Viagogo dürfte aber in jedem Fall mit juristischem Aufwand verbunden sein. So könne man versuchen, an den Verkäufer heranzukommen und diesen zu klagen, so Hintermayr. Diese würden sich zwar hinter einem Pseudonym verstecken, auf Anfrage müsste Viagogo die Daten aber herausgeben. Sofern die Kontaktaufnahme mit dem Unternehmen gelingt. E-Mails bleiben meist unbeantwortet, die verfügbaren Telefonhotlines bieten wenn überhaupt nur Tonbandinformationen zu Kauf und Verkauf von Tickets. Hintermayr rät dazu, einem Anwalt die Kontaktaufnahme zu übertragen. Dazu sollte man aber vorher prüfen, ob man eine passende Rechtsschutzversicherung hat. Auch help.ORF.at hat versucht, mit Viagogo Kontakt aufzunehmen. Eine Stellungnahme des Unternehmens haben wir bis Redaktionsschluss nicht erhalten.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at