Freie Mitarbeiter: Problem Rechtsschutzversicherung

Freie Dienstnehmer werden auf dem Arbeitsmarkt oft benachteiligt. Sie verdienen meist mäßig, arbeiten nicht selten auf Provisionsbasis und genießen kaum Arbeitnehmerrechte. Ein help-Hörer vermittelte Immobilien für ein Maklerbüro. Der Chef blieb Provisionen schuldig - der Mitarbeiter wollte vor dem Arbeitsgericht klagen. Dann die Überraschung: Die Rechtsschutzversicherung verweigerte die Unterstützung.

Bernhard Kofler (Name geändert) vermittelte Grundstücke und Wohnungen für eine bekannte Immobiliengesellschaft in Tirol. Als freier Dienstnehmer und auf Provisionsbasis. Schließlich kam es zum Streit, der Arbeitgeber sei Provisionen schuldig geblieben, die wollte der Mitarbeiter vor dem Arbeitsgericht einklagen. Bei der VAV-Versicherung hatte er den Versicherungsbaustein Arbeitsgerichtsrechtsschutz abgeschlossen, diesen wollte er nun in Anspruch nehmen. Der junge Mann weilt derzeit im Ausland, deswegen sprachen wir mit seinem Vater. Der Versicherer habe sich den Dienstvertrag zusenden lassen, so der Vater gegenüber help.ORF.at. „Uns wurde mitgeteilt, dass kein Versicherungsschutz besteht, weil mein Sohn ein selbstständiger Unternehmer sei.“

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Arbeitnehmer oder Selbstständiger

Auch gegenüber help.ORF.at argumentierte die VAV zunächst mit der angeblichen Selbstständigkeit ihres Klienten. Sein Sohn könne aber gar nicht selbstständig gewesen sein, meinte Kofler Senior. Unter anderem deshalb, weil man zum selbstständigen Handel mit Immobilien einen Gewerbeschein benötigt. Auf erneute Nachfrage präzisierte die VAV: „Herr Kofler war freier Dienstnehmer. Das bestreitet die VAV nicht. Aber bei der gegenständlichen rechtlichen Beurteilung geht es ausschließlich darum, ob er laut seinem konkreten Dienstvertrag als arbeitnehmerähnliche Person zu werten ist. Ein freier Dienstnehmer ist nicht automatisch auch eine arbeitnehmerähnliche Person.“

Laut den Versicherungsbedingungen der VAV sind freie Dienstnehmer eben nur dann versichert, wenn sie, so die Juristensprache, arbeitnehmerähnliche Personen sind. Diesen Status will die VAV ihrem Klienten nicht zugestehen. Sie argumentiert mit Details aus dem Dienstvertrag: kein Fixgehalt, keine regulären Arbeitszeiten. Help-Jurist Sebastian Schumacher hält dem entgegen, dass das Arbeitsrecht weitgehend zwingendes Recht sei. Im Streitfall käme es weniger auf den Vertragsinhalt an als vielmehr um die Frage, wie ein Arbeitsverhältnis in der Praxis gelebt wird.

Richter im Gerichtssaal

ORF.at/Patrick Wally

Ohne Rechtsschutz kann der Gang vor das Gericht teuer werden

Die Krux mit der Scheinselbstständigkeit

Kofler habe ausschließlich für einen Arbeitgeber gearbeitet, so der Vater. Das Arbeitsmaterial - von PC und Software über das Telefon bis zur Visitenkarte - wurde vom Dienstgeber gestellt. Kofler habe in der Firma einen Schreibtisch gehabt und einen Büroschlüssel. Nebenbeschäftigungen seien vom Chef untersagt gewesen. Dass die Versicherung trotz dieser Umstände die Hilfe vor dem Arbeitsgericht verweigert, ist für Schumacher unverständlich. Aus seiner Sicht sprächen die vom Hörer geschilderten Umstände eher dafür, dass man von einem Dienstverhältnis ausgehen müsse.

Auch Finanzexperte Christian Prantner von der Arbeiterkammer Wien (AK) meint, dass die zur Verfügung gestellten Dokumente eher dafür sprächen, dass Kofler von seinem Arbeitgeber wirtschaftlich abhängig war. Sollte außerdem das Arbeits- und Sozialgerichts tatsächlich zuständig sein, wäre das ein weiterer Beleg dafür, dass die Versicherung zahlen müsse. Dass die VAV ihrem Kunden unterstellt, falsche Angaben zu machen, sei seltsam und irritierend, so Prantner. Kofler senior ist von der VAV-Versicherung enttäuscht. Er findet es befremdlich, mit welcher Vehemenz alles unternommen werde, um den Versicherungsschutz zu verweigern.

VAV-Versicherung gibt Makler die Schuld

Die VAV beharrt auf ihrem Standpunkt und sieht sich nicht in der Pflicht. Dass sie mit einem Kunden einen für ihn letztlich wertlosen Versicherungsbaustein abgeschlossen hat, liege nicht in der Verantwortung des Unternehmens:

„Der Versicherungsnehmer hat sich in diesem Fall für den Abschluss der Versicherung an einen unabhängigen Versicherungsmakler gewandt. Dieser hat die Beratung durchgeführt und wurde vom Kunden selbst ausgewählt.“

Diese Argumentation lässt AK-Experte Prantner nicht gelten. Ein Versicherungsvertrag werde zwischen der Versicherung und dem Versicherten abgeschlossen. Wer den Vertrag vermittelt hat, sei letztlich unerheblich. Letzten Endes werde die Frage, ob die Versicherung nun zahlen muss oder nicht, im Rahmen einer Deckungsklage gerichtlich geklärt werden müssen. Betroffene Kunden haben nach Ablehnung durch die Versicherung ein Jahr Zeit, eine solche einzubringen. Die AK bietet in solchen Fällen Unterstützung an.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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