Ferien, Strand, Coronavirus: Was Reisende erwartet

Soll man jetzt neu buchen, wird der Flug überhaupt durchgeführt, bleibt man auf einem Gutschein sitzen, wird die Versicherung zahlen? Sicher dürfte nur eines sein: „Urlaub im Sommer 2020 ist ein Abenteuer“, sagt der Verbraucherschützer Peter Kolba.

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Seit 16. Juni können Reisende aus den meisten Ländern der EU wieder ohne Kontrollen in Österreich einreisen, die Reisewarnung des Außenministerium der Stufe vier gilt jedoch weiterhin. Das hat Konsequenzen: Wer beispielsweise im Streit mit Reiseveranstaltern, Fluglinien und Hotels wegen coronavirusbedingter Absagen auf die Rechtsschutzversicherung hofft, wird enttäuscht werden. „Pandemien sind bei Rechtschutzversicherungen in Österreich ein Ausschlussgrund“, so Kolba vom Verbraucherschutzverein (VSV) gegenüber help.ORF.at. Das gelte auch für viele andere Versicherungen wie Reiserücktritts- und Krankenversicherungen.

Versicherungen leisten bei Warnstufe vier meist nicht

Die Marktführerin unter den Reiseversicherungen, die Europäische Reiseversicherung, mache hier eine Ausnahme, so Kolba: Nach gegenwärtigem Stand werde auch bei Reisewarnstufe vier Deckung zugesagt. „Das ist allerdings differenziert geregelt. Wer dort versichert ist, sollte die aktuellen Bestimmungen im Auge behalten.“

Einschränkungen könnte es etwa dann geben, wenn die Reisewarnstufe wieder erhöht wird. Bei allen Anbietern sollte man sich unbedingt nach den aktuellen Bedingungen erkundigen, rät Kolba: „Ich kann nicht davon ausgehen, dass mich der Ambulanzjet in jedem Fall nach Österreich zurückbringt.“

Frau mit Maske am Strand

Reuters/Borja Suarez

Sommerurlaub 2020 ist von großen Unsicherheiten geprägt

Eine „massive Gefahr“ seien Pleiten in der Reisebranche, warnt Kolba. Welche Folgen das haben kann, zeige die Insolvenz von Thomas Cook im September 2019. Damals buchten rund 5.000 Österreicherinnen und Österreicher nicht bei Thomas Cook Austria, sondern bei der deutschen Tochter des britischen Konzerns - mit der Folge, dass sie nach dem Konkurs nur knapp ein Fünftel der bereits bezahlten Summe ersetzt bekommen sollen. Der Grund: In Deutschland ist die Insolvenzabsicherung per Gesetz mit 110 Millionen Euro gedeckelt.

Restbetrag bei angezahlten Reisen zurückhalten

Nach wie vor buchen viele Reisende von Österreich aus in Deutschland, zum Beispiel beim Branchenriesen TUI. Sollte auch dieser Konzern in Schieflage geraten, könnte sich das Ganze wiederholen. „Man kann nur versuchen, dass man möglichst wenig Geld vorweg bezahlt“, empfiehlt Kolba.

Bei bereits angezahlten Buchungen für diesen Sommer, die aus der Zeit vor der Coronavirus-Krise stammen, sollte der Restbetrag zurückgehalten werden: „Hier ist es sinnvoll, eine ‚Unsicherheitseinrede‘ zu erheben. Die Idee ist: Wenn jemand feststellen muss, dass nicht sicher ist, ob die Leistung erbracht werden kann, dann kann damit die Zahlung zurückgehalten werden, bis sich herausstellt, ob die Reise überhaupt stattfindet.“

Der VSV bietet dazu einen Musterbrief an. Wichtig ist dabei, auch die Bank oder das Kreditkartenunternehmen zu informieren, um Abbuchungen zu vermeiden. Es gelte, so Kolba: „Das Geld, das ich nicht aus der Hand gebe, ist am sichersten.“ Wer noch nicht gebucht hat, sollte so lange wie möglich warten. „Der Sommer 2020 wird ein Last-Minute-Sommer.“ Mehr zum Thema Flug- und Reisestorno finden Sie hier.

Mit privaten Prozessfinanzierern Ticketkosten eintreiben

Mit der Erstattung von Ticketkosten für gestrichene Flüge lassen sich Fluglinien gegenwärtig Zeit. Automatisierte Erstattungssysteme seien deaktiviert worden, so Kolba, „um möglichst lange Liquidität zu bunkern, weil sie befürchten, unter Umständen in Insolvenz zu gehen.“ Das müsse man jedoch nicht hinnehmen: Kolba empfiehlt, sich an private Prozessfinanzierer zu wenden, wenn die Rückzahlung länger nicht erfolgt. Rechtschutzversicherungen würden sich hier höchstwahrscheinlich auf die Pandemieklauseln berufen und nicht einspringen.

Auch der VSV arbeitet mit einem solchen Unternehmen zusammen. „Damit übergibt man den Fall, dort wird er von Anwälten betreut, die schreiben einmal einen Brief, und wenn da kein Geld kommt, dann wird geklagt. Da wird es wahrscheinlich auch sehr rasch einen rechtskräftigen Zahlungsbefehl geben. Ich bin davon überzeugt, dass die Fluglinien jene, die klagen und so einen Zahlungsbefehl haben, zuerst bezahlen. Das ist der Druck, der notwendig ist, dass das Geld auch wirklich zurückkommt“, so Kolba. Die privaten Prozessfinanzierer arbeiten nicht kostenlos. Wer eine solche Klage über den VSV betreibt, zahlt zwischen 14 und maximal 28 Prozent des zurückerhaltenen Betrags.

Kolba: Keine vorrangige Erstattung an Reisebüros

Die Forderung aus Teilen der Wirtschaft, Reiseveranstalter und Fluglinien sollten bereits bezahlte Buchungen vorrangig an Reisebüros und nicht direkt an die Kundinnen und Kunden erstatten, sieht Peter Kolba kritisch. Auch hier bestehe die Gefahr, dass sich Befürchtungen in der Branche bewahrheiten und Reisebüros insolvent werden - dann sei das Geld weg. Der Anspruch auf direkte Erstattung bestehe jedenfalls. Der Verbraucherschützer rät, dem Reiseveranstalter eine 14-tägige Frist zu setzen und danach ebenfalls zu klagen.

Mann mit Sonnenschirmen

Reuters/Guglielmo Mangiapane

Schirm zu, Strand geschlossen: Gutschein statt Geld kann eine praktische Lösung sein

In manchen europäischen Ländern, etwa den Niederlanden und Italien, ist es erlaubt, Rückzahlungen mit Gutscheinen zu erledigen. Das stehe in Widerspruch zu europäischen Vorschriften, so Kolba. Ob man darauf eingeht, sei daher in erster Linie eine praktische Frage: Wird man das direkt gebuchte Hotel an der Adria wahrscheinlich auch im kommenden Jahr besuchen, könne ein Gutschein die unkomplizierteste Lösung sein. Die Erstattung in bar vor Gericht durchzusetzen, könne dagegen - gerade in Italien - einen langen Atem voraussetzen.

Matthias Däuble, help.ORF.at

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