Vom Holz zum Hemd: Lyocell, Viskose und Co.

Lyocell, Modal, Viskose haben eines gemeinsam: Alle drei Textilien werden in chemischen Verfahren auf der Basis von Holz hergestellt. Doch es gibt Unterschiede in der Umweltverträglichkeit.

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Wer auf der Suche nach möglichst nachhaltiger Kleidung ist, bleibt häufig zuerst bei Naturfasern hängen: Baumwolle, Leinen und Hanf haben einen guten Ruf; Materialien, deren Namen teilweise markenrechtlich geschützte Kunstwörter sind, schon weniger. Doch was viele nicht wissen: Lyocell, Tencel, Modal, Rayon und Viskose basieren ebenfalls auf einem natürlich nachwachsenden Rohstoff: Holz.

Chemisches Verfahren löst Zellulose aus dem Holz

Damit aus einem Baumstamm ein T-Shirt werden kann, ist ein chemisches Verfahren notwendig. In einem ersten Schritt wird die Zellulose, die etwa 50 Prozent im Holz ausmacht, von den anderen Bestandteilen getrennt. „Die Zellulosefasern werden dann in einem Lösungsmittel aufgelöst und durch eine Düse in ein Spinnbad gepresst“, erklärt Wolfgang Gindl-Altmutter, Professor für Naturfasermaterialien am Institut für Holztechnologie und nachwachsende Rohstoffe der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Tulln.

Die sogenannten Zellulose-Regenerat-Fasern werden anschließend aus dem Spinnbad genommen, gewaschen und zu Endlosfasern aufgewickelt, die zu Stoffen weiterverarbeitet werden können. In ihren Eigenschaften sind die Fasern aus Holz Baumwollfasern nachempfunden und können deshalb genauso gut gefärbt und bedruckt werden. In Mitteleuropa wird vor allem Buchenholz für die Herstellung verwendet, global gesehen spielen Eukalyptus und Bambus eine große Rolle.

Frau beim Shopping

ORF.at/Dominique Hammer

Kleidung aus Viskose ist gegenwärtig einfacher zu finden als solche aus Lyocell

Lyocell umweltfreundlicher als Viskose

Es gibt mehrere Varianten der Fasergewinnung aus Holz, am wichtigsten sind das Viskose- und das Lyocellverfahren. „Beim Viskoseverfahren werden Natriumhydroxid und eine Schwefelverbindung eingesetzt, sodass die Zellulose löslich wird“, sagt Gindl-Altmutter. Diese Chemikalien verursachen jedoch eine intensive Geruchsbelastung und sind problematisch für das Grundwasser.

Bei der Produktion von Viskose, selten auch als Rayon bezeichnet, ist viel Energie nötig. Beim neueren Lyocellverfahren ist der Energieverbrauch geringer, außerdem kommt ein weniger bedenkliches Lösungsmittel zum Einsatz. Es wird in einem Kreislaufverfahren rückgewonnen, weshalb die Lyocell-Herstellung als umweltfreundlich gilt. Der oberösterreichische Hersteller Lenzing vertreibt Lyocell unter dem Markennamen Tencel.

Kein Mikroplastik und geringer Wasserverbrauch

Während Polyester und andere erdölbasierte Materialien Mikroplastik verursachen und nicht biologisch abbaubar sind, können Fasern aus Holz kompostiert werden. In der Herstellung verbrauchen sie weitaus weniger Wasser und schneiden in der Hinsicht auch deutlich besser ab als Baumwolle. Die Umwelthilfe hat berechnet, dass für ein Kilogramm Lyocell-Fasern 263 Liter Wasser eingesetzt werden müssen, bei Biobaumwolle 5.000 Liter und bei konventioneller Baumwolle sogar 11.000 Liter. Die Holzproduktion in Europa sei außerdem ein relativ naturnahes Verfahren, bei dem anders als im Baumwollanbau keine Pestizide verwendet werden, sagt Gindl-Altmutter.

Konsumentinnen und Konsumenten, die auf der Suche nach möglichst umweltfreundlichen Textilien aus Holz sind, sollten auf bestimmte Gütesiegel achten. „Blauer Engel“, „OEKO-Tex“ und das „EU-Ecolabel“ zertifizieren einen schonenden Ressourcenumgang bereits bei der Fasergewinnung.

Atmungsaktiv und knitterfrei

Das Angebot an Produkten aus Viskose, Lyocell und ähnlichen Fasern ist groß, so Gindl-Altmutter: „Überall wo man Baumwollfasern einsetzen kann, kann man auch Zelluloseregeneratfasern verwenden“. Das Material sei besonders saugfähig und eigne sich deshalb gut für Bettwäsche und für medizinische Textilien im Wundbereich.

Im alltäglichen Gebrauch bieten Textilien aus Lyocell einen Vorteil gegenüber Bauwolle, da sie strapazierfähiger sind und kaum knittern. Alleine im Preisvergleich kann das holzbasierte Material noch nicht mithalten. Es ist gegenwärtig teurer als Baumwolle oder synthetische Stoffe.

Lyocell als „Faser der Zunkunft“

Wegen des Klimawandels seien in den kommenden Jahren schlechtere Baumwollerträge zu erwarten, wodurch die Bedeutung von Regeneratfasern weiter zunehmen werde, vermutet der BOKU-Professor. Und noch etwas spricht für Lyocell als „Faser der Zukunft“: „Bei der Produktion kommt in unserem Raum vor allem die Buche zum Einsatz, deren Bestände stark zunehmen werden“. Es brauche also mehr hochwertige Verarbeitungsmöglichkeiten für den Rohstoff, wofür sich die Textilfaserproduktion gut eignen würde, so Gindl-Altmutter.

Jana Wiese, help.orf.at

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