Glyphosatverbot in Österreich: Debatte um die Folgen

Umweltschützer sprechen von einem Meilenstein, Agrarvertreter befürchten negative Auswirkungen auf Landwirtschaft und Umwelt. Das österreichische Totalverbot könnte gegen EU-Recht verstoßen.

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Am 2. Juli 2019 untersagte Österreich den Einsatz des Unkrautvernichters Glyphosat. Der Nationalrat stimmte mehrheitlich für einen Verbotsantrag der SPÖ. Ein nationaler Alleingang in dieser Angelegenheit könnte nach Meinung einiger Experten jedoch gegen geltendes EU-Recht verstoßen. Eine Machbarkeitsstudie im Auftrag des Umweltministeriums kam zu dem Schluss, dass ein komplettes Glyphosatverbot in Österreich nicht machbar sei, da das Herbizid in der gesamten EU bis Ende 2022 zugelassen ist. Die EU-Kommission kann nun innerhalb von drei Monaten Einspruch gegen den Beschluss einlegen.

Greenpeace: Glyphosatverbot ist ein Meilenstein

Das Verbot sei längst überfällig gewesen, meinte Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftssprecher von Greenpeace Österreich gegenüber help.ORF.at. Die EU-Kommission habe die Möglichkeit nationaler Alleingänge zugesichert und dürfe nun keinen Rückzieher machen, so Theissing Matei.

Roundup

APA/AFP/JOSH EDELSON

Nicht nur Bäuerinnen greifen zu Unkrautvernichtern, die Glyphosat enthalten

Seitens der Agrarwirtschaft befürchtet man hingegen negative Auswirkungen auf Landwirtschaft und Umwelt. Der Wegfall von Glyphosat bei der Unkrautbekämpfung werde dazu führen, dass Bäuerinnen und Bauern vermehrt den Boden aufackern müssen, so Manfred Weinhappel, Leiter der Abteilung Pflanzenproduktion in der Landwirtschaftskammer Niederösterreich (LK NÖ) gegenüber help.ORF.at. Dies könne zur Bodenerosion beitragen. Durch Wind und Wasser könnte das Erdreich verblasen werden. Dadurch würde die besonders fruchtbare obere Bodenschicht verloren gehen. Auf der anderen Seite könnten große Erdmengen durch die Ortschaften getragen werden und so zu einer erheblichen Umweltbelastung werden, so Weinhappel.

Glyphosat wird nur vor der Aussaat eingesetzt

Der Einsatz von Glyphosat erfolge in Österreich auf höchst sorgsame Weise, ist Weinhappel überzeugt. Der Unkrautvernichter werde ausschließlich vor der Aussaat angewendet. Auf diese Weise sei garantiert, dass das Herbizid nicht mit geernteten Nahrungsmitteln in Kontakt komme. Studien hätten belegt, dass kaum Glyphosatrückstände auf in Österreich produzierten Lebensmitteln nachgewiesen werden konnten. Es bestehe absolut kein gesundheitliches Risiko, so Weinhappel.

Ausbringung von Glyphosat (Frankreich)

APA/AFP/JEAN-FRANCOIS MONIER

Glyphosat vernichtet Unkraut, bevor die Landwirte mit der Aussaat beginnen

Dass Glyphosat in Österreich nur mäßig angewendet wird, kann Greenpeace-Experte Theissing-Matei nicht bestätigen. Seit dem Jahr 2000 sei der Einsatz massiv gestiegen. Jedes Jahr würden abhängig von der Wetterlage zwischen 250 und 400 Tonnen Glyphosat in Österreich eingesetzt. Neben der Landwirtschaft werde das Pflanzenschutzmittel auch in öffentlichen Räumen wie Parks oder Spielplätzen benutzt. Auch im Privatbereich komme das Mittel zur Anwendung, so Theissing-Matei. Dies sei mit ein Grund dafür, dass die Ausbreitung von Glyphosat so weitläufig sei.

Experten uneins bei der Gefahrenbewertung

Außerdem seien sehr wohl Glyphosat-Rückstände in österreichischen Lebensmitteln gefunden worden, so der Greenpeace-Experte. So wurden etwa in Honig, Brot, Traubensaft und Bier Spuren des Unkrautvernichtungsmittels festgestellt. Diese Rückstände seien keineswegs harmlos, ist Theissing-Matei überzeugt. Glyphosat ist bei Tieren krebserregend und wurde von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IRAC), einer Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), als für den Menschen „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft.

Die Studienlage zu Glyphosat ist nicht eindeutig. Anders als die IRAC kommt etwa die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (efsa) zu dem Schluss, dass von Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung keine Gefahr für den Menschen ausgehe. Die efsa, der auch die Österreichische Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) angehört, will den Wirkstoff im Jahr 2022 routinemäßig neu bewerten. Weinhappel verweist in diesem Zusammenhang auch auf die erwähnte Machbarkeitsstudie des Umweltministeriums, die einen Tag vor dem österreichischen Glyphosatverbot veröffentlicht wurde. Diese Studie wurde von der Universität für Bodenkultur (BOKU) und der AGES erstellt und komme ebenfalls zu dem Schluss, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher sei, so Weinhappel.

Greenpeace: Krebswarnung ernst nehmen

Theissing-Matei rät hingegen dazu, die Warnungen der WHO und der IRAC sehr ernst zu nehmen. Die IRAC sei ein Zusammenschluss führender Expertinnen und Experten und habe sich große Verdienste erworben. So habe sie etwa als erste Organisation die Gefahren des Passivrauchens erkannt, sagt Theissing-Matei. Der Umweltexperte verweist außerdem darauf, dass viele Studien, die Glyphosat in einem positiven Licht zeigen, von den Herstellern des Herbizids selbst in Auftrag gegeben wurden.

An einigen Studien habe der umstrittene ehemalige Glyphosathersteller Monsanto sogar als Co-Autor fungiert. Dies gehe aus Gerichtsunterlagen aus den USA hervor. Gegen das mittlerweile im Besitz des deutschen Chemiekonzerns Bayer befindliche Unternehmen laufen in den USA etliche Klagen. Da die Behörden nicht über ausreichende Ressourcen verfügen, um selbsttätig Studien zu erstellen, würde man hier stets die Studien der Industrie als Grundlage im Zulassungsverfahren heranziehen, sagt der Umweltexperte.

Glyphosat Roundup

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Gegen Roundup Hersteller Monsanto laufen etliche Verfahren

Landwirtschaftskammer sieht Wettbewerbsnachteil

Der Vertreter der Landwirtschaftskammer möchte diese Darstellung nicht akzeptieren. Die Studien würden unter ständiger Kontrolle und nach strengen Vorgaben der Behörden erstellt, so Weinhappel. Den Vorwurf, dass die Behörden Studien der Industrie einfach durchwinken würden, weist der Landwirtschaftsvertreter zurück. Durch das Glyphosatverbot auf nationaler Ebene würde hingegen die österreichische Landwirtschaft einem Wettbewerbsnachteil erleiden. Produkte aus dem Ausland könnten verstärkt auf den Markt drängen. Dies habe lange Transportwege zur Folge. Außerdem könne es dazu führen, dass Lebensmittel auf österreichischen Tellern landen, die weit stärker mit Glyphosat belastet seien als österreichische Produkte.

Dass es durch das österreichische Glyphosatverbot zu Engpässen bei der Versorgung kommt, die durch Importe ausgeglichen werden müssten, glaubt der Greenpeace-Experte nicht. Die biologische Landwirtschaft beweise schon jetzt, dass es möglich sei, ohne das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel auszukommen. Man dürfe die Landwirtschaft in der Umstellungsphase aber nicht allein lassen, so Theissing-Matei. Er plädiert dafür, dass der Verzicht auf Pestizide und Herbizide stärker durch Agrarförderungen belohnt werden soll, als das bisher der Fall ist. Er appelliert außerdem an die Supermärkte, Produkte auch dann im Sortiment zu halten, wenn diese etwa durch das Glyphosatverbot um ein paar Cent teurer werden sollten.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at