Lebensmittelstandards könnten verwässert werden
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Größtes Handelsabkommen der EU
Mercosur, kurz für „Mercado Comun del Sur“, also „gemeinsamer Markt des Südens“ ist eine südamerikanische Freihandelszone, der Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay angehören. Die Staaten haben sich 1991 zusammengeschlossen und standen seit 1999 mit der EU in Verhandlungen um ein Handelsabkommen.
Das EU-Mercosur-Abkommen soll das größte Handelsabkommen werden, das die EU jemals getroffen hat. Die dadurch entstehende Freihandelszone wird zur größten der Welt gehören und soll den transatlantischen Handel durch den Abbau von Zöllen erleichtern. Beide Vertragsparteien versprechen sich davon große wirtschaftliche Vorteile.
Genaue Inhalte des Abkommens noch unklar
Valentin Wedl von der Arbeiterkammer (AK) kritisiert, dass das Abkommen intransparent sei: „Es gibt nur eine Zusammenfassung der wichtigsten Punkte, aber den Text haben wir noch gar nicht gesehen.“ Der genaue Inhalt wird erst bekanntgegeben, wenn ihn beide Vertragspartner rechtlich geprüft haben. Damit das EU-Mercosur-Abkommen in Kraft treten kann, muss das EU-Parlament darüber abstimmen. Ein zweiter Vertragsteil, in dem es um Investitionsgerichte geht, muss zusätzlich von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.

APA/AFP/Frederick Florin
Die ausgehandelte Einigung muss noch vom Europaparlament gebilligt werden
Es sei im Moment schwierig einzuschätzen, welche Auswirkungen das Handelsabkommen letztlich haben werde, so Wedl. Anhand von Abkommen aus der Vergangenheit gehe die AK aber davon aus, dass alle Bedenken zu EU-Mercosur zutreffen werden.
Lebensmittelstandards grundsätzlich verschieden
In Südamerika seien die Hygienestandards in der Lebensmittelerzeugung weit weniger streng als in der EU. In der Fleischproduktion würden sehr häufig Antibiotika und Leistungsförderer eingesetzt, die in der EU nicht zugelassen seien, so Wedl. Er lehnt das Abkommen in seiner jetzigen Form ab.
In Europa werde viel Wert auf Konsumentenschutz gelegt, weshalb das Vorsorgeprinzip in der Lebensmittelproduktion gilt. Erst wenn die Unbedenklichkeit von verwendeten Präparaten und Substanzen bewiesen ist, darf man in der EU Produkte damit auf den Markt bringen. „In den USA und in Südamerika gilt eher das Gegenteil, da ich alles auf den Markt bringen kann, solange nicht bewiesen ist, dass es schädlich ist“, erklärt der EU-Experte der AK.
Traditionelle Lebensmittel namentlich geschützt
Um kostengünstigere Imitationen von europäischen Traditionslebensmitteln zu vermeiden, ließ die EU im Abkommen 357 Produkte mit geografischer Bezeichnung schützen. „Tiroler Speck“ muss beispielsweise wirklich aus Tirol stammen, damit er unter dieser Bezeichnung in den Handel gebracht werden darf.
Bei der Herkunftsbezeichnung von Lebensmitteln könnten sich allerdings trotzdem noch Nachteile für Konsumentinnen und Konsumenten in der EU ergeben. Verbraucherschutzorganisationen kritisieren, dass derzeit noch unklar ist, ob die Herkunft von Zutaten bei verarbeiteten Lebensmitteln angegeben werden muss. Wenn nicht, könnte südamerikanisches Fleisch, das möglicherweise unter niedrigeren Standards hergestellt wurde als europäisches, ohne Kennzeichnung in der österreichischen Tiefkühllasagne landen.

APA/Robert Jaeger
Die Nachfrage nach Zuckerrohr führt zu Rodungen in großen Teilen Brasiliens
Menschenrechte und Umweltschutz
Die EU-Komission beteuert, dass Standards zu Menschenrechten und Umweltschutz auch bei Importen aus der Mercosur-Region eingehalten werden müssten. AK-Experte Wedl sieht das kritisch: „Konsumenten in Österreich können nicht darauf vertrauen, dass Lebensmittel aus Mercosur-Staaten ohne klimaschädliche Urwaldrodungen erzeugt werden und dass Produkte ohne Verletzung wesentlicher internationaler Arbeitsnormen hervorgebracht werden.“
Die Arbeitsbedingungen auf brasilianischen Zuckerrohr- und Sojaplantagen könnten teilweise als sklavenähnlich beschrieben werden, und Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter würden sogar für ihre Arbeit verfolgt, warnt der AK-Vertreter. Mit der neuen Regierung unter Präsident Jair Bolsonaro hätten sich diese Probleme noch verschärft.
Jana Wiese, help.orf.at
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Publiziert am 06.07.2019