Wie Streaming das Klima belastet

Wer gerne Filme schaut oder Musik hört, hortet heute kaum noch CDs oder DVDs, sondern ist Mitglied bei einer Streaming-Plattform. Auf den ersten Blick eine umweltfreundliche Sache: Es gibt keine Transportwege oder Abfall, alles läuft online über Handy oder Tablet. Doch der ökologische Fußabdruck des Internets scheint größer als bisher angenommen.

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Hier ein Video, dort ein ganzer Film und nebenbei die Lieblingsmusik - immer mehr streamen, viele haben ein Abo bei einer großen Online-Videothek oder einem Musikstreamingdienst. Auf Knopfdruck hat man riesige digitale Bibliotheken zur Verfügung. Die Streaming-Plattformen sind so beliebt, dass sie schon zu neuen Wortschöpfungen geführt haben - Binge-Watching ist eine davon.

Mehr Daten, mehr Treibhausgas

Binge-Watching heißt, sich einem stundenlangen Fernsehexzess hinzugeben und sich unzählige Folgen oder ganze Staffeln der Lieblingsserien auf einmal reinzuziehen. Das sei nicht nur als Zeitvertreib exzessiv, auch die Datenströme, die hier durch das Netz strömten, seien ausschweifend, sagt der Techniksoziologe Felix Sühlmann-Faul, der sich auf das Thema Digitalisierung und Nachhaltigkeit spezialisiert hat. Er hat den ökologischen Fußabdruck des Internets in seinem Buch „Der blinde Fleck der Digitalisierung“ analysiert.

„Es gab da 2014 beispielsweise eine Studie, die gezeigt hat, dass einen Film zu streamen, eine bessere Ökobilanz hat, als mit dem Auto zur Videothek zu fahren“, so Sühlmann-Faul. Fahre man allerdings mit dem Fahrrad wiege sich der ökologische Vorteil des Streamings schon wieder auf. Und dieser Vorteil geht schnell gegen null, wenn man am laufenden Band Videos schaut oder Musik laufen lässt. Wer eine Stunde in High Definition streamt, verbraucht drei Gigabyte an Daten. Hier entstehe zwar kein Müll, ergänzt Felix Sühlmann-Faul. Klimaneutral sei der Datenverbrauch allerdings auch nicht.

Serverfarmen fressen Energie

Denn um diese riesigen Datenmengen bereitstellen zu können, brauchen Streaming-Plattformen wie Netflix, Amazon Prime, Youtube oder Spotify riesige Serverfarmen. Hier steht ein Rechner gereiht an den nächsten. Die verbrauchen jede Menge Strom und müssen außerdem gekühlt werden, um optimal zu funktionieren. Damit sorgen sie auch für Treibhausgasemissionen, die den Klimawandel vorantreiben.

Eine aktuelle Studie des französischen Think Tanks „The Shift Project“ beziffert den Anteil von Informations- und Kommunikationstechnologien am globalen CO2-Ausstoß mit 3,7 Prozent. Das ist fast doppelt so viel wie der Anteil der zivilen Luftfahrt mit 2 Prozent. Und der Datenstrom wird immer größer. „Im Jahr 2002 lag der globale Datendurchsatz des Internets bei 100 Gigabyte pro Sekunde, bis zum Jahr 2021 soll sich das auf 106.000 Gigabyte pro Sekunde steigern“, so Sühlmann-Faul.

Ökologischer Fußabdruck wird größer

Auch für die Treibhausgasemissionen gibt es eine Prognose: Strömen weiterhin solche Datenmengen durch das Netz, wird die Branche im Jahr 2025 bereits für acht Prozent aller Treibhausgasemissionen verantwortlich sein und dann so viel CO2 in die Luft pumpen, wie es derzeit weltweit alle PKW und Motorräder tun. Den meisten Internetnutzerinnen und -nutzern sei allerdings nicht bewusst, dass Surfen und Streamen ihren ökologischen Fußabdruck vergrößern, sagt Sühlmann-Faul.

„Jeden Tag werden umgerechnet einhunderttausend Jahre Youtube geschaut“, so der Techniksoziologe. Das verdeutliche das mangelnde Bewusstsein. Die Menschen müssten ihren Internetkonsum kritisch betrachten und gegebenenfalls reduzieren. Und die Politik müsste entsprechende Anreize setzen bzw. Rahmenbedingungen schaffen. „Die Digitalisierung aller Lebensbereiche auf Teufel komm raus ist auf jeden Fall nicht die Lösung“, ergänzt Sühlmann-Faul.

Marlene Nowotny, help.ORF.at

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