Verspätungen: Welche Ansprüche Bahnkunden haben

Züge verspäten sich aus ganz unterschiedlichen Ursachen, doch ärgerlich ist es immer. Kunden haben immerhin oft Anspruch auf eine Entschädigung. Dabei gilt es Einiges zu beachten, wie eine Konsumentin feststellen musste, die sich ein Taxi nahm, weil sie den Anschlusszug verpasst hatte. Sie dürfte auf dem Großteil der Kosten sitzen bleiben.

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Im EU-Vergleich ist die Pünktlichkeit im österreichischen Bahnverkehr hoch. 2017 waren im Personenvekehr 95,5 Prozent der Züge pünktlich - das bedeutet, dass sie nicht mehr als 5 Minuten 29 Sekunden zu spät waren. Trotzdem ist es ärgerlich, wenn Reisende zu spät an ihre Ziel kommen oder ihren Anschluss versäumen.

„Da kommen Sie heute nicht mehr hin“

„Nerven sparen – Bahn fahren“, dachte sich eine Oberösterreicherin, als sie vergangenen Herbst von Linz in die kroatische Küstenstadt Opatija fahren wollte. Wegen einer Streckenunterbrechung nahm sie auf Anraten eines ÖBB-Mitarbeiters die Verbindung über Wien und Villach mit zweimaligem Umsteigen. In Wien Meidling betrug die geplante Umsteigezeit für den Zug nach Villach neun Minuten. Doch der Railjet war schon in Linz sieben Minuten verspätet, in Wien waren es dann genau neun Minuten.

Passagiere besteigen einen ÖBB-Nightjet

APA/AFP/Alex Halada

Die Bahn wartet nicht auf verspätete Zubringerzüge

„Unser Zug ist eingefahren, die Türen sind aufgegangen und in diesem Moment ist der andere Zug abgefahren“, so die Konsumentin. Ihr Anschlusszug war fort und sie suchte Rat bei einer Mitarbeiterin am ÖBB-Infoschalter. Nach einem Blick in den Computer habe ihr die Mitarbeiterin mit einem Achselzucken lediglich mitgeteilt: „Heute kommen Sie nicht mehr nach Opatja“. Sie habe keinerlei Vorschlag für eine Lösung ihres Problems erhalten.

Mit dem Taxi zum Anschlusszug

Die Konsumentin beschloss ein Taxi nach Villach zu nehmen, um ihren nächsten Zug nach Opatja doch noch zu erreichen. Die ÖBB-Mitarbeiterin habe dazu gemeint: „Taxi zahlen wir nur bis 50 Euro, aber in Ihrem Fall...“ und habe das so ausklingen lassen. Was die Bahnkundin so interpretierte, dass ihr die Kosten ersetzt würden. Sie fuhr also mit dem Taxi nach Villach, wo sie knapp, aber rechtzeitig zu ihrem zweiten Anschlusszug kam und pünktlich am Zielort Opatija eintraf. Die Fahrtkosten in der Höhe von 820 Euro wollte sie von den ÖBB ersetzt haben.

Die ÖBB lehnten die Übernahme der gesamten Kosten ab und schrieben ihr: „Aus tariflicher Sicht besteht, da Sie den Zielbahnhof laut Ticket mit nur wenigen Minuten Verzögerung erreicht haben, schlichtweg kein Anspruch auf Entschädigung“. Auch einen Rechtsanspruch auf Ersatz der Taxikosten habe sie nicht. Weiters habe sie ihre Schadenminderungspflicht verletzt, weil die Taxirechnung mit 820 Euro elf Mal so hoch war wie der Preis des Tickets: 72 Euro. Üblicherweise würden höchsten 50 Euro bei Taxifahrten ersetzt. In Ihrem Fall werde man jedoch 100 Euro genehmigen.

ÖBB: Kundin hätte andere Lösung finden müssen

Weiters wiesen die ÖBB die Kundin in einem Schreiben darauf hin, dass es ihr an besagtem Reisetag möglich gewesen wäre, die Reise mit alternativen Verbindungen jedenfalls bis Villach, oder bis Ljublijana fortzusetzen. „Die Kundin hätte in der Folge Anspruch auf Ersatz von Hotelkosten gehabt und hätte am Folgetag in der Früh nach Opatija weiterreisen können“. Was die Konsumentin möglicherweise auch gemacht hätte, wenn man sie über diese Möglichkeiten informiert hätte.

In dem Schreiben bedauerte das Bahnunternehmen, dass die Kommunikation mit der Mitarbeiterin am Bahnhof irreführend gewesen sei, meint aber: „Die Aussage, wenn auch nicht besonders freundlich, ‚heute kommen Sie da nicht mehr hin‘ impliziert logischerweise, dass übernachtet werden muss“. Die Kundin hätte also von selbst darauf kommen müssen, dass sie ein Hotel braucht. Außerdem hätte sie sich vorab über die AGBs, ihre Rechte und Pflichten, über die Fahrgastrechte und über etwaige Verkehrsstörungen informieren sollen. Züge des Fernverkehrs würden generell nicht auf Zubringerzüge warten.

Bahn muss Kunden informieren und betreuen

Die Agentur für Passagier- und Fahrtgastrechte (apf), eine staatliche Schlichtungsstelle, sieht Fehler auf beiden Seiten. „Das Bahnunternehmen hätte die Konsumentin über ihre Möglichkeiten und Rechte informieren müssen“, so Maria Theresia Röhsler, Geschäftsführerin der apf. Da es sich letztlich um eine Verspätung von mehr als zwei Stunden gehandelt habe, seien der Konsumentin 50 Prozent der Ticketkosten zu erstatten. Außerdem hätte man ihr eine Übernachtung in einem Hotel anbieten müssen, da eine Weiterreise nicht möglich war.

Ein Zug im Salzburger Hauptbahnhof

APA/Barbara Gindl

Das alternative Verkehrsmittel muss angemessen sein

Die Konsumentin wiederum hätte für die Weiterreise ein vergleichbares Verkehrsmittel wie Bahn oder Bus wählen müssen und nicht ein teures Taxi. „Ein Taxi für eine so lange Fahrt mit Kosten über 800 Euro wird nicht als vergleichbare Verbindung anzusehen sein“, so Röhsler. Die ÖBB kamen der Bahnkundin dann doch noch ein wenig entgegen. Sie erhielt noch einen Reisegutschein über 150 Euro. Diesen will sie auch nutzen, denn aus Umweltschutzgründen werde sie weiter mit der Bahn fahren – auch, wenn sie vom Kundenservice enttäuscht sei.

Was bei Verspätungen zu tun ist

Bei Verspätungen und Zugausfällen haben Fahrgäste verschiedene Möglichkeiten: Sie können von der Reise zurücktreten, wenn diese für sie sinnlos geworden ist. Die Kosten für die Fahrkarte werden dann ersetzt, Bahnkunden müssen ohne Aufzahlung an ihren Ausgangsort zurückgebracht werden. Sie können aber auch einen späteren Zug oder einen Bus nehmen. Diese Alternativen müssen angemessen und für Fahrgäste zumutbar sein.

Ab einer Stunde Verspätung am Zielort erhält man 25 Prozent des Ticketpreises zurück, ab mehr als zwei Stunden sind es 50 Prozent. Ein Bahnunternehmen kann sich bei dieser Verspätungsentschädigung auch nicht auf außergewöhnliche Umstände berufen. Ab einer Stunde Verspätung müssen Fahrgäste auch mit Getränken und Mahlzeiten versorgt werden.

Wenn die Bahn kein Hotel anbietet, kann man sich auch selbst eines suchen und die Kosten verrechnen. Für Übernachtungen in Österreich werden maximal 80 Euro bezahlt, im Ausland mehr. Wichtig ist: Die Verspätung muss vom Bahnunternehmen bestätigt sein, Belege muss man aufheben. Für Rückforderungen ist immer jenes Bahnunternehmen zuständig, bei dem das Ticket gekauft wurde. Das gilt für die gesamte EU.

Karin Fischer, help.ORF.at

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