„Scamming“: Teure Mitleidsmasche per E-Mail

Eine Erbschaft, eine Notlage, oder der altbewährte Neffentrick. Mit solchen und ähnlichen Geschichten versuchen Internetbetrüger die Empfänger von E-Mails zu Überweisungen zu bringen. Ein Wiener wandte sich an help.ORF.at, nachdem sein Vater wegen solcher „Scams“ mehrere tausend Euro überwiesen hatte.

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Bei „Scams“ handelt es sich um Vorschussbetrug. Zuerst soll das Geld überwiesen werden, versprochen werden dafür etwa Provisionen oder Gewinnbeteiligungen. Auf diese Überweisungen wartet das Betrugsopfer vergeblich, nachdem es selbst bereits mehrere Transaktionen getätigt hat.

Die klassische Mitleidsmasche

Ein Wiener schildert, dass sein Vater auf mehrere solcher E-Mails reagiert habe. Der Absender einer dieser Nachrichten gab sich als Notar aus, der eine schwerkranke Frau vertreten würde. Sie benötige Hilfe. Als sich der Sohn einschaltete, flog der Betrug schnell auf. Ein Anruf bei der im E-Mail angegebenen Anwaltskanzlei genügte, um festzustellen, dass es dort keinen Mitarbeiter mit dem Namen des Notars gibt. Der Vater des Wieners überwies noch an einen weiteren Empfänger. Dabei sei es um eine große Erbschaft in Gold gegangen, die dringend außer Landes zu bringen sei, so der Wiener. Hier habe die Erbin, eine junge Frau aus Ghana, um Hilfe für die Transporte gebeten.

Goldbarren im Goldtresorraum der Nationalbank

APA/Keystone/Martin Ruetschi

Geerbtes Gold und falsche Notare - die Scammer schreiben kreativ

Solche rührseligen und frei erfundenen Geschichten seien ein Phänomen von Scams dieser Art, so Franz Rudorfer. Er ist der Geschäftsführer der Bundessparte Bank und Versicherung bei der Wirtschaftskammer Österreich (WKO). Die Absender der E-Mails wollten damit die Emotionen der Empfänger ansprechen und appellieren an die Hilfsbereitsschaft. Würden auch nur ein paar wenige darauf reagieren, so sei das bei den massenhaft ausgesendeten Nachrichten bereits lukrativ, so Rudorfer.

Schadensbegrenzung durch Angehörigen nicht möglich

Der 81-Jährige hatte bei mehreren Zahlungsdiensten überwiesen, schildert sein Sohn. Zunächst bei Western Union und MoneyGram. Bald wurden der Vater und die Empfänger für weitere Transaktionen gesperrt. Die Gründe dafür seien dem Sohn nur deshalb bekannt, weil er bei der Hotline der Unternehmen nachfragte. Dort erfuhr er, dass die Transaktionen aufgrund von vermuteten kriminellen Vorgängen eingestellt wurden.

Als der Sohn feststellte, dass der Vater sich von der Sperrung nicht abbringen ließ und zur Hausbank, der Raiffeisenbank, gewechselt hatte, wollte er sich einschalten. Bei der Raiffeisenbank erhielt er die Auskunft, dass er in die Bankgeschäfte des Vaters nicht eingreifen dürfe. Als Grund wurde ihm das Bankgeheimnis genannt. Das verstehe er, schreibt der Wiener, er habe lediglich seinen Verdacht auf Betrug äußern und um eine genaue Prüfung seitens der Bank bitten wollen. Er gab sich verwundert, dass Zahlungsdienste wie MoneyGram scheinbar schnell einen Betrugsverdacht hatten, aber bei der alteingesessenen Hausbank nichts dergleichen auffiel.

Euroscheine und eine Bankkarte

APA/HELMUT FOHRINGER

Am Bankgeheimnis ist auch bei vermutetem Betrug nicht zur rütteln

Von der Raiffeisenbank heißt es gegenüber help.ORF.at, dass solche Auffälligkeiten nicht zu definieren seien. Weder das Empfängerland noch die Höhe des Betrags gäben darüber Aufschluss. Man sähe sich als Dienstleister, wolle die Wünsche der Kunden erfüllen und sie nicht in ihrer Verfügung einschränken. Auch Franz Rudorfer von der WKO gibt zu bedenken, dass Banken laut Zahlungsdienstegestz eine Überweisung durchführen müssen, wenn ein Kunde darauf besteht. Der Wiener hätte sich für seinen Vater ein anlassbezogenes Gespräch mit einem Bankberater gewünscht. Bisher habe das nicht stattgefunden.

Was Banken bei Betrugsverdacht tun

Bei Auslandsüberweisungen arbeite im Hintergrund die „Fraud-Detection-Control“, lässt die Raiffeisenbank wissen. Dieser Algorithmus soll Betrug verhindern. Eine Nachfrage bei den Kundinnen und Kunden erfolge zum Beispiel dann, wenn die Unterschrift eines Auftraggebers nicht mit den bisherigen Proben übereinstimme. Es gäbe keine Gruppen, wie etwa junge Menschen mit dem ersten eigenen Konto oder ältere Kunden, bei denen man Vorgänge genauer überprüfe. Auch Franz Rudorfer ist kein Profiling dieser Art bekannt. Auffallen könnte aber für den einzelnen Kunden ungewöhnliches Verhalten, so der Geschäftsführer Bundessparte Bank und Versicherung der WKO. Zum Beispiel wenn jemand auf einmal ins Ausland überweist, der das bisher noch nie tat.

Laut Bernd Lausecker vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) sei es schwierig, bei solchen Fällen allgemeine Aussagen zu treffen. Wie gut Kunden informiert werden, hänge auch von den einzelnen Bankmitarbeitern ab. Erfahrungsgemäß würden die Institute konstant an Schutzmaßnahmen arbeiten, aber aus Verbrauchersicht befürworte und fordere der VKI, dass mehr in die Sensibilisierung und Information der Bankmitarbeiter investiert werde. „Den Informationsvorsprung, den Finanzdienstleister vor den Konsumenten haben, sollten diese auch nutzen, damit schneller auf geänderte Methoden und Zahlungswege bei Internetbetrügereien reagiert werden kann“, so Bernd Lausecker.

Wie sich Kunden schützen können

„Der beste Schutz vor Betrügern ist Information“, so Franz Rudorfer. Er empfiehlt Aussendungen von Banken oder auch deren Posts in sozialen Netzwerken aufmerksam zu lesen. Auch von der Raiffeisenbank heißt es, dass man Kundinnen und Kunden über die eigene Homepage und über Nachrichten im Onlinebanking auf aktuelle Fälle hinweise. Franz Rudorfer rät, gerade bei älteren Angehörigen, sich offen miteinander zu unterhalten und vielleicht auch eine Zeichnungsberechtigung in Erwägung zu ziehen. Kein leichter Schritt, immerhin werde das häufig als Einschränkung der eigenen Unabhängigkeit empfunden. So manchen Irrtum könnte man damit aber vielleicht verhindern.

Ist das Unglück schon passiert, so rät die unabhängige Informationsplattform Watchlist Internet zu einigen ersten Schritten, nachdem Scamming betrieben wurde. Zu den Absendern solle man jeglichen Kontakt abbrechen, sich eine neue E-Mail-Adresse zulegen, auf keine weiteren Forderungen reagieren und Beweise, wie den Nachrichtenverlauf, sichern. Und, auch wenn es meist nicht gelingt die international agierenden Täter zu fassen, zur Polizei gehen. So könnten weitere potentielle Opfer geschützt werden.

Elisabeth Stecker, help.ORF.at

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