Diskussion über MSC-Siegel für Meeresfisch

Der WWF und Greenpeace haben ihre Empfehlungen zu nachhaltigem Fischkonsum für das Jahr 2018 präsentiert. Für große Meinungsunterschiede zwischen den Umweltorganisationen sorgt hier seit jeher das MSC-Siegel für Meeresfisch. Während der WWF das Zertifikat empfiehlt, wird es von Greenpeace Österreich strikt abgelehnt.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1.

Am vergangenen Donnerstag haben der World Wide Fund For Nature (WWF) und Greenpeace Österreich ihre Ratschläge für nachhaltigen Fischkonsum per Presseaussendung publiziert. Diese Empfehlungen, die jedes Jahr meist in der Adventzeit veröffentlicht werden, sollen eine Entscheidungshilfe für Konsumentinnen und Konsumenten darstellen, die zu Weihnachten Fisch essen möchten, ohne ihr ökologisches Gewissen zu belasten.

Am MSC-Siegel scheiden sich die Geister

Im Kern sind sich der WWF und Greenpeace Österreich einig, wenn es um nachhaltigen Fischkonsum geht. Beide Organisationen empfehlen, zu Biofisch aus Österreich zu greifen und hier vor allem auf Karpfen, Saibling und Forelle zu setzen. Große Auffassungsunterschiede zwischen den Umweltverbänden ergeben sich jedoch, wenn es um das MSC-Siegel für Meeresfisch geht. Während der WWF Produkte, die das MSC-Siegel tragen, als „gute Kaufentscheidung“ empfiehlt, wird es von Greenpeace Österreich strikt abgelehnt. Während der WWF das Siegel vor 21 Jahren mitbegründet hat, hat Greenpeace Österreich das Zertifikat, das auf nachhaltige Fangmethoden hinweisen soll, sogar als „Nicht vertrauenswürdig“ eingestuft.

Greenpeace: Mogelpackung für Konsumenten

Im Gespräch mit help.ORF.at kritisiert Nunu Kaller, Konsumentensprecherin bei Greenpeace Österreich, dass auch Fischereien, die noch nicht nachhaltig wirtschaften, das Zertifikat vorläufig erhalten können. So würden derzeit auch Betriebe das MSC-Siegel führen, die beispielsweise Grundschleppnetze einsetzen, was schädlich für den Meeresboden sei, so Kaller: „Der größte Kritikpunkt von uns ist, dass der MSC bereits Aktionspläne auszeichnet.“ Eine Fischerei, die etwa ankündige, dass sie in absehbarer Zeit etwa nicht mehr in einem überfischten Fanggebiet arbeiten wolle, könne damit ihre Produkte bereits vorab als nachhaltig vermarkten, so Kaller. Greenpeace Österreich beurteilt diese Praxis als irreführend und spricht von einer Mogelpackung für Konsumentinnen und Konsumenten.

Marktstand mit Fisch

ORF.at/Carina Kainz

Meeresfisch: Greenpeace will Verzicht, der WWF mahnt zu maßvollem Konsum

Der Marine Stewardship Council (MSC), der hinter dem MSC-Siegel für nachhaltigen Meeresfisch steht, ist eine gemeinnützige Organisation mit Sitz in London. Sie wurde 1997 von Unilever und dem WWF ins Leben gerufen, ist seit 1999 unabhängig und finanziert sich mittlerweile vor allem aus Spenden und Lizenzgebühren. WWF-Meeresexperte Axel Hein argumentiert, dass mit den „noch“ nicht nachhaltig produzierenden Fischereien, die in das Programm aufgenommen werden, genaue Aktionspläne erarbeitet würden, deren Umsetzung vom MSC genau überwacht werde. Betriebe, die die vereinbarten Standards nicht in der vorgegebenen Zeitspanne umsetzen, würden die Auszeichnung auch wieder verlieren.

WWF: MSC trägt dazu bei, Fischfang zu reformieren

Selbstverständlich gebe es Verbesserungspotenzial bei den zu Grunde liegenden MSC-Standards, entsprechende Vorschläge seien auch vom WWF bereits eingebracht worden und würden bis Ende des kommenden Jahres umgesetzt. Es sei jedoch ein notwendiger Ansatz, auch die Interessen der Fischereien zu berücksichtigen, wenn man langfristig Verbesserungen im Fischfang erreichen wolle, so Hein: „Es ist ein klarer Modus, den man absolut unterstützen muss, von innen heraus Unternehmen zu verbessern und nicht mit einer Keule zu kommen, die letzten Endes der Fischerei nichts bringt.“

Wenn man die globale Situation betrachte, werde man feststellen, dass sich derzeit 90 Prozent der weltweiten Fischereien noch keiner Zertifizierung unterworfen hätten, so Hein. Problematische Fischereien innerhalb des MSC-Programms könne man an „wenigen Händen abzählen“. Im Programm des MSC befänden sich derzeit über 300 Fischereien, daher könne man schon feststellen, dass es „in die richtige Richtung geht“, so Hein.

90 Prozent der Meere über- oder maximal befischt

Die komplette Diskussion zwischen Nunu Kaller und Axel Hain können interessierte Radiohörerinnen und Radiohörer am kommenden Samstag im Rahmen von „help – das Konsumentenmagazin“ auf Radio Österreich 1 hören.

Primäres Ziel von Umweltorganisationen wie WWF und Greenpeace in Hinblick auf Meeresfisch ist es, die Überfischung der Ozeane zu stoppen. Derzeit gelten etwa 90 Prozent der Meeresgebiete entweder als überfischt oder als maximal befischt. Etwa 30 Prozent gelten als überfischt, das bedeutet, dass mehr Fisch entnommen wird, als auf natürlichem Wege nachkommen kann. Weitere 60 Prozent gelten als maximal genutzt, es wird also gerade noch so viel Fisch gefangen, dass aus Expertensicht kein nachhaltiger ökologischer Schaden entsteht.

Leichter Rückgang bei Fangmengen seit 1996

Auch wenn diese Zahlen nach wie vor dramatisch seien, so zeige die jüngere Entwicklung doch, dass sich der Grad der Überfischung in den vergangenen Jahren zumindest stabilisiert habe, sagt Christian von Dorrien, der Leiter des Arbeitsbereiches Fischerei & Umwelt am Thünen Institut für Ostseefischerei im deutschen Rostock. Das gehe auch aus den jüngsten Zahlen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) hervor.

Laut FAO-Daten habe der globale Fischfang von 1950 bis 1967 stark zugenommen, dann sei der Anstieg etwas abgeflacht. Seit 1996 seien die Fangmengen global gesehen leicht nach unten gegangen. Selbstverständlich handle es sich bei der Erholung überfischter Meeresgebiete aber um ein langfristiges Vorhaben, so Dorrien: „Hier sind wir letztlich doch auf die Kräfte der Natur angewiesen.“ Der Experte begrüßt in diesem Zusammenhang auch eine Initiative der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die es sich zum Ziel gesetzt hat, eine nachhaltige Fischerei bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Hierfür wurde im Jahr 2015 ein Katalog mit 46 Maßnahmen erarbeitet.

Beifänge nach wie vor ein Problem

Der WWF kritisiert in diesem Zusammenhang allerdings, dass nahezu alle EU-Mitgliedsstaaten, die über relevante Fischereiflotten verfügen, bei der Umsetzung der selbst gesteckten Ziele säumig seien. Von den 46 Maßnahmen seien bisher nur etwas mehr als die Hälfte (24 Maßnahmen) teilweise umgesetzt worden, der Rest sei noch überhaupt nicht in Angriff genommen worden, so der WWF.

Unter anderem kritisiert der WWF, dass es nach wie vor zu einer beträchtlichen Menge an Beifängen kommt. Ab 1. Jänner sollten an sich alle EU-Fischer dazu verpflichtet werden, ihren gesamten Fang in den Hafen zu bringen. Dennoch werde nach wie vor ein beträchtlicher Teil des Fangs verletzt oder tot zurück ins Meer gekippt. Auch größere Meerestiere wie Delfine und Robben landen nach wie vor als Beifang in den Netzen.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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