Aufholbedarf bei Barrierefreiheit in Einkaufsstraßen

Seit dem Jahr 2016 müssen laut dem Behindertengleichstellungsgesetz alle öffentlich zugänglichen Geschäftslokale barrierefrei sein. Das bedeutet unter anderem einen stufenlosen Zugang. Eine aktuelle Studie des Österreichischen Zivil-Invalidenverbands (ÖZIV) zeigt jedoch, dass selbst nach zehn Jahren Übergangsfrist nur rund die Hälfte der Geschäfte in den untersuchten Städten diese Aufgabe erfüllt.

Das Gesamtergebnis zeigt, dass ziemlich genau die Hälfte der Geschäftseingänge (50,8 Prozent) stufenlos zugänglich ist. Die andere Hälfte der Geschäfte verfügt über zumindest eine Stufe, die höher als drei Zentimeter ist. Das bedeutet keinen barrierefreien Zugang, der gesetzlich jedoch vorgeschrieben wäre. Das teilte der Behindertenverein ÖZIV in einer Aussendung mit.

Salzburg ist Schlusslicht bei Barrierefreiheit

Die Ergebnisse sind je nach Stadt sehr unterschiedlich. Am besten schneidet Innsbruck ab, wo 58 Prozent der Geschäfte stufenlos zugänglich sind. In Salzburg hingegen sind es nur 39,2 Prozent, womit die Stadt an der Salzach den letzten Platz bezüglich Barrierefreiheit einnimmt. St. Pölten mit 57,6 Prozent stufenlosen Eingängen und Hallein mit 54,8 Prozent bewegen sich dazwischen.

Mann im Rollstuhl im Altenheim

APA/dpa/Frank Rumpenhorst

Echte Barrierefreiheit gibt es derzeit nur im Gesetzestext

Im Branchenvergleich zeigt sich, dass Bank- und Postfilialen (66,7 Prozent stufenlos) und Trafiken (60,7 Prozent) vergleichsweise gut barrierefrei zugänglich sind. Die Gastronomie mit nur 45 Prozent stufenlosen Geschäftslokalen und die Branche Körperpflege, in der auch viele Friseure erfasst sind, schnitten hingegen am schlechtesten ab (48,3 Prozent).

Große regionale Unterschiede

Im Vergleich zu einer 2016 in Wien durchgeführten Studie ergaben sich ebenfalls einige Unterschiede. In Wien waren 44,5 Prozent der Geschäftslokale stufenlos zugänglich, der Durchschnittswert der Erhebungen in Hallein, Innsbruck, Salzburg und St. Pölten zeigte mit 50,8 Prozent eine höhere stufenlose Zugänglichkeit. Dafür gibt es aber deutlich mehr Geschäftslokale mit drei oder mehr Stufen (13,0 Prozent) als in Wien (3,4 Prozent).

Echte Barrierefreiheit nach wie vor in weiter Ferne

Erhoben wurden die Daten in der zweiten Jahreshälfte 2017 - die Bewertungen von 1.138 Geschäftslokalen in den Städten Salzburg, Innsbruck, St. Pölten und Hallein wurden in der Studie, die vom ÖZIV Access beim ÖZIV Bundesverband koordiniert wurde, berücksichtigt.

Fazit der Studie ist, dass von vollständiger Barrierefreiheit in Einkaufsstraßen nach wie vor keine Rede sein kann, obwohl das Gesetz das vorsieht. In vielen Fällen wären stufenlose Eingänge - beispielsweise durch Rampen - leicht herstellbar, hieß es von Seiten des ÖZIV.

Betroffene müssen selbst Initiative ergreifen

Die Einhaltung des Behindertengleichstellungsgesetzes wird nicht kontrolliert. Von Produkten und Dienstleistungen ausgesperrte Betroffene müssen selbst die Initiative ergreifen und den jeweiligen Unternehmer auf seine Pflichten aufmerksam machen. Das kann manchmal schon zum Erfolg führen, denn oft wird Barrierefreiheit nicht absichtlich oder bewusst ignoriert, sondern ist das Fehlen einzig durch Unwissenheit begründet.

Ist keine Einsicht bzw. kein Einlenken seitens des Unternehmers in Sicht, kann der Fall kostenlos bei einer Schlichtungsstelle im Sozialministeriumservice vorgebracht werden. Dieses lädt den Unternehmer schriftlich zu einem Gespräch wegen fehlender Barrierefreiheit, andernfalls droht eine Klage. Die meisten Probleme lassen sich aber erfahrungsgemäß schon bei dem Gespräch ausräumen.

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