Acrylamid: Braun, brauner, ungesund

Eine neue EU-Verordnung reguliert seit dieser Woche den Bräunungsgrad von Speisen wie Pommes frites, Chips oder Brot. Denn wird Stärkehaltiges zu stark und zu lang erhitzt, entsteht potenziell krebserregendes Acrylamid - auch in der eigenen Küche.

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Der eine mag sein Schnitzel nur leicht gebräunt, die andere fast schwarz. Gesünder ist Ersteres. Denn je länger und heißer stärkehaltige Lebensmittel frittiert, gebraten oder gebacken werden, desto mehr Acrylamid entsteht. Dieser Stoff gilt als wahrscheinlich krebserregend und erbgutschädigend für den Menschen und sollte deswegen möglichst vermieden werden.

Fritteuse runterdrehen

Acrylamid entsteht durch eine Reaktion von Zucker mit Eiweißbausteinen bei Temperaturen ab 120 Grad Celsius. Ab 170 Grad Celsius steigen die Acrylamidgehalte noch einmal sprunghaft an. Beim Bräunen entstehen nicht nur die erwünschten Geschmackstoffe und Röstaromen, sondern eben auch das unerwünschte Acrylamid.

Die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) empfiehlt deswegen, angelehnt an die Vorgaben für die heimische Nahrungsmittelindustrie und Gastronomie, die Temperatur der Fritteuse in der eigenen Küche möglichst niedrig einzustellen, also im Idealfall unter 170 Grad Celsius zu frittieren.

Das gilt etwa für Speisen wie Schnitzel mit einer Panier aus Semmelbrösel, Pommes frites und Kroketten. Bäckt man stärkearme Gemüse wie Sellerie oder Zucchini schwimmend im Fett heraus, entsteht wesentlich weniger Acrylamid als bei Erdäpfel- und Getreideprodukten.

Kartoffeln richtig lagern

Generell gilt die Empfehlung, bei der Lagerung der Kartoffeln auf die Temperatur zu achten. Bei Temperaturen unter sechs Grad Celsius verändert sich die Stärkestruktur in den Knollen, und es entsteht mehr Acrylamid beim starken Erhitzen. Will man Acrylamid vermeiden, sollte man Erdäpfel- und Getreideprodukte jedoch gar nicht stark erhitzen, also scharf anbraten oder Ähnliches. Kocht man die Kartoffeln vor, entsteht ebenfalls weniger Acrylamid beim Braten als bei rohen Kartoffelscheiben.

Beim Backen gilt: Die Temperatur sollte 180 Grad Celsius bei Umluft und 200 Grad Celsius bei Ober-/Unterhitze nicht überschreiten. Backpapier verhindert, dass Tiefkühlpizza, Pommes und Brot zu stark von unten gebräunt werden. Auch der Frühstückstoast kann Acrylamid enthalten, wenn er zu lange im Toaster bleibt. Dunkelbraune bis schwarze Streifen auf dem hellen Brot sollte man vermeiden.

Bei Mäusen krebserregend

Seit 2002 kennt die Wissenschaft den Stoff Acrylamid. Diese Substanz steht im Verdacht, das Erbgut zu verändern und Krebs zu erzeugen. Bei Versuchen mit Mäusen schädigten höhere Dosen von Acrylamid zudem das Nervensystem der Tiere und beeinträchtigten die Fortpflanzung. Eindeutige Belege für diese Wirkung bei Menschen gibt es nicht. Dennoch wurde diese Substanz von der Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als wahrscheinlich krebserregend für den Menschen eingestuft.

Die neue Regelung zu Acrylamid in der Europäischen Union gebe es nicht ohne Grund, sagte Ingrid Kiefer, Leiterin des Fachbereichs Risikokommunikation der AGES. Trotz Gesprächen mit der Nahrungsmittelindustrie und der Gastronomie sei der Acrylamidgehalt in Fertigprodukten und frisch gekochten Speisen nicht so weit zurückgegangen, wie die Behörden gehofft hatten.

Kartoffelchips führen Liste an

Die AGES hat über mehrere Jahre hinweg Lebensmittel auf den Acrylamidgehalt hin untersucht. Demzufolge nehmen Erwachsene in Österreich am meisten Acrylamid über Kartoffelchips zu sich, nämlich mehr als 25 Prozent. Pommes frites liegen bei 15 Prozent, Lebkuchen bei 18 Prozent. Bei Kindern unter neun Jahren waren ebenfalls Kartoffelchips die Hauptquelle, doch sie liegen hier mit 30 Prozent noch weiter vorne.

Kiefer von der AGES betonte, dass die neue EU-Regelung vor allem auch Kinder schützen soll. Denn laut Bericht der AGES nehmen Kinder im Durchschnitt doppelt so viel Acryalmid zu sich wie Erwachsene. Will man die Aufnahme der Substanz reduzieren, ist das laut Experten gar nicht so schwer. Werden Speisen wie Pommes frites, Chips oder Cracker nur einmal pro Woche gegessen, lässt sich die durchschnittliche Acrylamidbelastung schon auf ein Fünftel reduzieren.

Marlene Nowotny, help.ORF.at

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