Zeitwert: Aus für alte Autos schon bei kleinen Unfällen

Kleiner Rempler, großer Schaden: Vor allem bei älteren Autos kann schon ein harmloser Parkunfall zu einer vernichtenden Diagnose führen - dem wirtschaftlichen Totalschaden. Für betroffene Fahrzeughalter ist das eine unangenehme Überraschung, gegen die sich wenig unternehmen lässt.

Ein zerkratzter Kotflügel, eine lädierte Felge, die Heckschürze etwas verbeult - nach einem kapitalen Schaden sahen die Folgen des Parkplatzremplers eines Wieners nicht aus. Die Ernüchterung kam mit der Reparaturprognose. Die Hinterachse sei verzogen und müsse ersetzt werden, die Reparatur würde 6.000 Euro kosten. Das Auto, ein Toyota Prius Baujahr 2006 mit 180.000 Kilometern Laufleistung, wurde vom Sachverständigen der gegnerischen Versicherung auf einen Zeitwert von 4.700 Euro geschätzt. „Wirtschaftlicher Totalschaden“, so die Diagnose.

Kein gleichwertiger Ersatz für Zeitwert

Für Fahrzeughalter Thomas H. doppelt ärgerlich. Erstens hing sein Herz an dem Hybrid-Toyota; und zweitens würde er sich mit dem Ersatzangebot der Versicherung des Unfallverursachers keinen gleichwertigen Prius kaufen können. „Für vergleichbare Autos werden mindestens 6.000 Euro verlangt“, sagt er gegenüber help.ORF.at. Er selbst hatte vor drei Jahren 7.000 Euro gezahlt, damals hatte das Auto 150.000 Kilometer auf dem Zähler. Wie der Sachverständige auf den seiner Ansicht nach zu niedrigen Zeitwert kommt, ist dem Wiener schleierhaft.

Bei der Bewertung von Unfallwagen greifen Versicherungen auf Marktwertverlauflisten (zb. Eurotax-Liste) von privaten Anbietern zurück - und diese liegen gewöhnlich unter den Verhandlungsbasispreisen in den Kleinanzeigen. Ganz unumstritten sind solche Bewertungen allerdings nicht. So weist der ÖAMTC darauf hin, dass zu geringe Bewertungen nicht zwingend hingenommen werden müssen.

Eigenes Gutachten kostet

ÖAMTC-Chefjurist Martin Hoffer dämpft jedoch gegenüber help.ORF.at die Erwartungen. Theoretisch könnte man zwar sogar ein eigenes Gutachten in Auftrag geben, dann müsse jedoch mit hohen Kosten und einem Rechtsstreit mit der Versicherung gerechnet werden. Das Gegengutachten werde sicher nicht ohne weiteres akzeptiert.

Ein Anfechtung des Wertgutachtens lohne sich nur in speziellen Fällen, so Hoffer: „Wenn es sich um ein Fahrzeug handelt, bei dem man darlegen kann, dass die serienmäßige Ermittlung den Zeitwert nicht richtig berücksichtigt hat. Besondere Ausstattungen, Fahrzeuge mit prominentem Vorbesitzer, Kleinserien mit besonderen Eigenschaften, und ähnliches.“

Tipp: Günstigere Reparatur in anderer Werkstatt möglich

Im Fall von Thomas H. lautete das Angebot der Versicherung wie folgt: Über die sogenannte Wrackbörse wurde ein Händler gefunden, der 2.550 Euro für das havarierte Auto zahlen würde. Weitere 2.150 Euro - die Differenz zum Zeitwert von 4.700 Euro - würde die Versicherung an Thomas H. auszahlen. Glücklich war er damit nicht, ging jedoch wegen akuten Fahrzeugsbedarfs darauf ein.

Was er nicht wusste: Er hätte auf eigenen Faust eine Werkstatt suchen können, welche die Reparatur günstiger durchgeführt hätte. Günstiger als die Toyota-Niederlassung, welche den ersten Voranschlag für die Reparaturkosten erstellt hatte. „Diese Reparaturwerte werden immer auf der Grundlage berechnet, dass kaputte Teile gegen Neuteile getauscht werden und dass Lackierungen nach dem Standard angefertigt werden, die die Hersteller empfehlen“, sagt dazu ÖAMTC-Jurist Hoffer. „Ich kann aber mit jemandem, der das Fahrzeug repariert – natürlich immer im Rahmen der gewerbe- und steuerrechtlichen Voraussetzungen – eine Vereinbarung treffen, dass man mit Gebrauchtteilen und Verkitten und Ausklopfen statt Austauschen arbeitet, und so die Reparaturkosten deutlich senkt.“

Diese Kosten müsste die gegnerische Versicherung dann übernehmen. Sogar, wenn sie geringfügig über dem geschätzten Zeitwert liegen. Der Oberste Gerichtshof hat bisher eine Überschreitung von zehn Prozent toleriert.

Matthias Däuble, help.ORF.at

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