20 Jahre MSC-Siegel für Nachhaltigkeit im Fischfang

Frischer Meeresfisch droht zur Mangelware zu werden. Vor 20 Jahren wurde deshalb das MSC-Siegel entwickelt. Es soll für Nachhaltigkeit im Fischfang sorgen, wobei Auswirkungen auf das Ökosystem in Grenzen gehalten werden sollen. Unumstritten ist das Zertifikat aber nicht. Kritisiert werden lasche Zertifizierungskriterien sowie ein viel zu großer Einfluss des Handels und der Industrie.

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Vor 20 Jahren wurde das MSC-Siegel aus der Taufe gehoben. Ein Nachhaltigkeitszertifikat für wild lebenden Meeresfisch, das sicherstellen soll, dass Fischbestände erhalten bleiben und das ökologische Gleichgewicht geschützt wird. MSC steht für Marine Stewardship Council. Diese private Vereinigung wurde von der Umweltschutzorganisation World Wide Fund for Nature (WWF) und dem Unilever Konzern gegründet. Seit 1997 wacht der MSC über eine freiwillige Selbstverpflichtung von Fischereien zu nachhaltigem Fischfang.

89 Prozent des Meeres sind über- oder maximal befischt

Derzeit gelten 39 Prozent der Meeresgebiete als überfischt, es werden also mehr Fische gefangen als auf natürliche Weise nachkommen können. Weitere 50 Prozent sind maximal befischt. Hier deckt die Menge des entnommenen Fisches gerade einmal den Bedarf, ohne ökologische Schäden zu verursachen. Keine direkte Verbesserung zur Situation vor 30 Jahren, aber zumindest auch keine Verschlechterung, sagt Christopher Zimmermann, Leiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei in Rostock. Die Lage habe sich auf niedrigem Niveau stabilisiert. Viele Fischbestände hätten sich fast flächendeckend erholt, so Zimmermann, es gebe leider auch einige im Fanggebiete im Süden, wo die Ausbeutung eher zugenommen habe.

Thunfisch

Marine Stewardship Council

Bei der Jagd nach Thunfischen geraten auch immer wieder Delfine ins Netz

Christopher Zimmermann steht dem MSC grundsätzlich positiv gegenüber. Er war unter anderem ehrenamtlich als Berater für die Organisation tätig. Der MSC möchte ohne staatlichen Druck arbeiten. Man sei bestrebt die Marktkräfte zu nutzen, um Fischerei nachhaltiger zu gestalten. Dafür sei es notwendig, Balance zu halten, so Zimmermann. Zwischen den Interessen der Umweltverbände ebenso wie zwischen denen des Handels und der Fischerei.

Licht und Schatten

Nach 20 Jahren habe man einiges erreicht, meint der Fischereiexperte. Es seien mittlerweile auch ehemals kritische Fischereibetriebe dem MSC-Programm beigetreten. Viele hätten sich grundlegend gewandelt. Als Beispiel nennt Zimmermann Seevogelbeifänge in der Langleinenfischerei auf südafrikanischen Seehecht. Hier seien früher tausende Albatrosse ums Leben gekommen. Nach der Zertifizierung durch das MSC seien es heute wenige hundert.

Es gibt aber auch Kritik an den Methoden des MSC. Kürzlich bekam eine mexikanische Thunfischfischerei das Siegel verliehen, bei der auch Delfine in den Netzen landen können, kritisiert etwa Ulrike Kirsch, Obfrau der Deutschen Stiftung Meeresschutz in München. Hier sei eine Fischerei als nachhaltig zertifiziert worden, bei der ganz gezielt Delfine gejagt und eingekesselt würden. Die Delfine würden mit den Netzen mitgefangen. Zwar würden diese anschließend wieder frei gelassen, weil man ja nur den Thunfisch fangen wolle, dennoch würden bei der Prozedur hunderte von Delfinen ihr Leben verlieren. So eine Fischerei zu zertifizieren habe mit Nachhaltigkeit nichts zu tun, so Kirsch.

Frischer Fisch auf Eis

APA/dpa/Holger Hollemann

Der MSC möchte Fisch als Nahrungsmittel und Konsumgut erhalten

Anreiz zur Nachhaltigkeit oder „Verbrauchertäuschung“?

Christopher Zimmermann verteidigt die Entscheidung des MSC. Bei der betroffenen Fischerei habe es Fortschritte gegeben, man habe dort versucht den Beifang von Delfinen zu reduzieren. Schließlich seien mittlerweile de facto alle unbedenklichen Fischereien vom MSC zertifiziert. Man könne für die Meere deutlich mehr erreichen, wenn man auch kritische Fischereien dazu bringt, dem Programm beizutreten, ist Zimmermann überzeugt. Diese Fischereien müssten größere Anstrengungen unternehmen, um das MSC-Siegel auf lange Frist tragen zu dürfen. Dazu würden bindende und konkrete Aktionspläne verlangt, die Fortschritte bei der Erreichung der Ziele würden vom MSC laufend kontrolliert.

Ulrike Kirsch hat Zweifel an der Lernfähigkeit der Fischindustrie. Sie wirft dem MSC vor, zunächst das Vertrauen der Konsumenten zu erlangen, um anschließend immer industriefreundlicher zu werden. Was als vielversprechendes Projekt begonnen habe, sei mittlerweile zur Verbrauchertäuschung verkommen, so Kirsch. Ähnlich argumentiert auch Greenpeace Österreich. Der MSC agiere zu wirtschaftsfreundlich und habe viel zu lasche Regelungen. Aus ökologischer Sicht dürfe man nur Fischereien auszeichnen, die tatsächlich alle Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Ziel müsse langfristig eine Reduktion des weltweiten Fischkonsums sein, fordert Greenpeace gegenüber help.ORF.at.

MSC: Ware Fisch soll als Konsumgut erhalten bleiben

Christopher Zimmermann hält von einem solchen Gold-Standard wenig. Denn das würde bedeuten, dass man global nur etwa zwei Prozent der Fischereien zertifizieren könnte, meint der Leiter des Thünen-Instituts. Die Ware wäre auf dem Markt kaum sichtbar, und dadurch gebe es keine Nachfrage im Handel oder bei den Verbrauchern. Dies hätte zur Folge, dass es auch keinen Anreiz gebe, sich zertifizieren zu lassen und letztlich zu verbessern.

Der Anteil der MSC-zertifizierten Wildfänge weltweit liegt derzeit bei 12 Prozent und soll bis 2020 auf 20 Prozent wachsen. Anders als viele Umwelt- und Tierschutzverbände möchte der MSC, dass die Ware Fisch als Konsumartikel erhalten bleibt. Was die als lasch kritisierten MSC-Standards betrifft, so müssten diese selbstverständlich kontinuierlich weiterentwickelt und verbessert werden, so der ehemalige MSC-Mitarbeiter Zimmermann.

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

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