Multiresistente Keime auf dem Vormarsch

Greenpeace hat antibiotikaresistente Keime in Faschiertem gefunden. Ursache sei der massive Einsatz von Antibiotika in der Massentierhaltung. Infektionen, die durch solche Keime hervorgerufen werden, können nur schwer behandelt werden. Aber wie gefährlich ist der Verzehr von antibiotikahaltigem Fleisch? Ist das postantibiotische Zeitalter bereits angebrochen?

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1

Die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) hat im Auftrag der Umweltorganisation Greenpeace österreichische Fleischerzeugnisse auf antibiotikaresistente Keime untersucht. Sechs Proben wurden von Faschiertem genommen, bei immerhin der Hälfte wurde man fündig. Antibiotikaresistente Keime sind Erreger, gegen die gegen einzelne oder auch mehrere Antibiotika nicht mehr wirksam sind.

Bei Schweinefleisch ist nur zwei Prozent Bio

Laut AGES sind die Ergebnisse an sich nicht weiter überraschend. Mehrere Studien hätten bereits ergeben, dass etwa die Hälfte der bisher getesteten Fleischproben solche resistenten Keime enthalten. Greenpeace macht die Massentierhaltung dafür verantwortlich. Die Tiere würden aufgrund der Haltungsbedingungen krank, was wiederum den Einsatz von Antibiotika notwendig mache. Besonders problematisch sei die Situation in der Schweinezucht. Nur zwei Prozent der Tiere werden nach biologischen Kriterien gehalten, das heißt 98 Prozent des Schweinefleischs in Österreich stammt aus konventioneller Produktion, in der laut Greenpeace sehr viele Antibiotika eingesetzt würden.

Schweinezucht

ORF.at/Roland Winkler

Glückliche Bioschweinderln gibt es in Österreich fast nur in der Werbung

Auch Biobauern dürfen Antibiotika einsetzen

75 Prozent der österreichweit in der Viehzucht eingesetzten Antibiotika landen im Schweinestall. Auch in der biologischen Landwirtschaft ist die Behandlung mit Antibiotika gestattet. Zwar gelten hier weit strengere Regeln als im konventionellen Bereich, ein garantiert antibiotikafreies Fleisch erhalten Konsumenten aber in Österreich nicht.

Generell ist die Menge der in der Landwirtschaft verwendeten Antibiotika derzeit rückläufig. Wurden im Jahr 2013 noch 54,98 Tonnen verkauft, so waren es laut AGES im Jahr 2016 nur mehr 44,41 Tonnen. Multiresistente Keime seien dennoch ein ernstes globales Problem, sagt Oskar Janata, er ist Hygienefacharzt und einer der führenden Antibiotikaexperten Österreichs. Denn Antibiotika hin oder her: Resistente Keime sind mittlerweile überall. Wühlmäuse. Ratten und Zugvögel können Überträger sein. So könne es auch bei einem an sich antibiotikafreien Hof passieren, dass etwa ein paar Zugvögel das Trinkwasser verunreinigen, und damit habe auch ein Landwirt, der an sich auf dein Einsatz von Antibiotika komplett verzichtet, möglicherweise resistente Keime im Stall.

Stare

APA/dpa/Patrick Pleul

Zugvögel können antibiotikaresistente Keime übertragen

Antibiotika im Fleisch sind nach zwei Stunden abgebaut

Wichtig sei es, zwischen antibiotikaresistenten Keimen und antibiotikahaltigem Fleisch zu unterscheiden, so Janata. Antibiotikaresistente Keime können, im Fall, dass sie zu einer Infektion führen, ein ernstes Problem sein. Aber die Vorstellung, dass man sich durch den Verzehr eines Tieres, das mit Antibiotika behandelt worden ist, in Gefahr bringe, etwa indem man dadurch selbst eine Antibiotikaresistenz entwickelt, sei eine Verzerrung, so der Experte.

Die Halbwertszeit handelsüblicher Antibiotika betrage in etwa zwei Stunden. Somit sei nach dieser Zeit nur noch die Hälfte des Wirkstoffs vorhanden, nach vier Stunden ist es bloß noch ein Viertel. Nach etwa zwei Tagen sei ein Antibiotikum im Körper vollständig abgebaut, so Janata. Und sollte ein Tier tatsächlich bei der Schlachtung noch Antibiotikarückstände im Körper aufweisen, so würden sich diese während der Lagerung zersetzen.

Multiresistente Keime können jeden treffen

Anders sei das bei antibiotikaresistenten Keimen. Da diese mittlerweile weit verbreitet seien, können sie auch jeden treffen. So könne theoretisch auch ein Veganer, der in seinem Leben noch nie ein Antibiotikum eingenommen hat, zum Opfer eines antibiotikaresistenten Keims werden.

81 Prozent aller durch Lebensmittel bedingten Infektionen passieren in privaten Haushalten. Die Keime können etwa bei der Fleischverarbeitung durch eine kleine Wunde in den Körper gelangen. Die Besiedlung des Körpers an sich kann theoretisch völlig unbemerkt verlaufen. Sollte es zu keiner Infektion kommen, würden die Keime wieder ausgeschieden, ohne dass die betroffene Person das überhaupt mitbekommt, so Janata. Sollte es aber zu einer Infektion kommen, etwa wenn sich die Wunde entzündet, dann beginnt die Antibiotikaresistenz zu greifen, und die Probleme bei der Behandlung fangen an.

Tabletten

Getty Images/AlexRaths

Ob Antibiotika oder nicht: Die Keime können jeden treffen

„Umweltverschmutzung durch resistente Keime“

Bei großen Schlachttieren gebe es genaue Regelungen, bis zu welchem Zeitpunkt eine Infektion mit Antibiotika behandelt werden darf, damit im Fleisch keine Rückstände des Medikaments vorhanden sind, so Janata. Dies bedeute aber nicht zwangsläufig, dass das Tier nicht Träger eines antibiotikaresistenten Keims ist. Ein vorrangiges Problem sieht der Experte in der Tatsache, dass multiresistente Erreger nun mal das Spital oder den landwirtschaftlichen Betrieb längst verlassen und sich global ausgebreitet haben. Janata spricht von der „Umweltverschmutzung durch multiresistente Keime“.

Spontanmutationen jederzeit möglich

MRSA (Methicillin-resistant Staphylococcus aureus) sind multiresistente Keime, die gegen Antibiotika wie Penicilline und Cephalosporine unempfindlich sind. Sie können die Haut und Schleimhaut von Mensch und Tier besiedeln. Ist ein Mensch, der mit MRSA in Kontakt kommt, geschwächt oder gelangt der Keim in eine Wunde, dann kann MRSA zu ernsthaften Infektionen führen.

Der Mediziner weist darüber hinaus darauf hin, dass nicht ausschließlich antibiotische Medikamente für das Entstehen antibiotikaresistenter Keime verantwortlich sein müssen. Es gebe auch Spontanmutationen. Der Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA) sei ein resistenter Keim, der in den sechziger Jahren zum ersten Mal aufgetaucht ist, so Janata. Bei diesem Keim handle es sich um eine reine Spontanmutation. MRSA-Keime sind auch auf den von Greenpeace beanstandeten Fleischproben festgestellt worden.

„Greenpeace verschweigt Keimanzahl“

Der Experte begrüßt grundsätzlich die regelmäßigen Überprüfungen im Auftrag der Umweltorganisation. Er kritisiert aber, dass Greenpeace in den Veröffentlichungen nichts über die Menge der gefundenen Erreger erwähnt. Bei einer einzigen Keimkolonie sei das Ergebnis zwar positiv, der Verzehr des Produkts sei aber dennoch unbedenklich, da die einzelnen Keime durch die Magensäure umgehend zerstört würden. Eine Infektion sei in so einem Fall auszuschließen. Sollten die Proben hingegen mit antibiotikaresistenten Keimen übersät gewesen sein, würde man wohl mit ziemlicher Sicherheit krank werden.

„Keinesfalls Schneidbretter aus Holz verwenden“

Grundsätzlich sei Faschiertes stets ein optimaler Nährboden für Keime. Faschiertes sei eine der gefährlichsten Fleischarten, die es in der Küche gibt, meint Janata. Das Auftauen bei Zimmertemperatur, sowie die zu lange Lagerung vor der Zubereitung begünstigen das Entstehen von Bakterien jeder nur erdenklichen Art.

Faschiertes an der Theke

dpa/Hauke-Christian Dittrich

Ohne penible Hygienemaßnahmen kann Faschiertes zur Keimschleuder werden

Bei der Zubereitung sollte man peinlichst auf Hygiene achten, so der Experte. Das Fleisch sollte keinesfalls gemeinsam mit Gemüse oder dem Salat zubereitet werden, da man sonst eventuelle Keime auf dem ganzen Essen verbreitet. Die Frage der Schneidbretter ist eine Glaubensfrage. Viele sind der Ansicht, dass es im Hinblick auf die Hygiene keinen Unterschied zwischen Schneidbrettern aus Holz und aus Plastik gibt. Manchen Hölzern wird sogar eine antibakterielle Wirkung nachgesagt. Aus Sicht von Oskar Janata sollten Schneidbretter jedoch grundsätzlich aus Kunststoff gefertigt sein. Keime die sich einmal auf einem Holzbrett niedergelassen haben werde man auch bei gründlicher Reinigung nicht mehr los, so der Experte.

„Multiresistente Keime werden wir nie wieder los“

Das Postantibiotische Zeitalter sei in gewissen Bereichen längst angebrochen, sagt Oskar Janata. Es gebe heute Keime die nicht mehr mit handelsüblichen sondern nur noch mit speziell gemischten Reserveantibiotika behandelt werden können. Diese Reservepräparate seien aber in jedem Fall das Ende der Fahnenstange. Der Experte warnt: „Wir müssen schleunigst neue antibiotisch wirksame Substanzen finden. Die Keime, die diese Resistenzen haben, die werden wir nicht mehr loswerden.“

Paul Urban Blaha, help.ORF.at

Links:

Mehr zum Thema: