Das Geschäft mit der Angst vor Handystrahlen

Viele Nutzer von Handys sorgen sich, sie könnten durch die Strahlung der Geräte gesundheitliche Schäden erleiden. Im Handel floriert das Geschäft mit teuren Aufklebern, die davor schützen sollen. Die Hersteller der Produkte werben mit Erfahrungsberichten begeisterter Kunden und umfangreichen Studien. Doch Beweise für die Wirksamkeit fehlen, so Wissenschaftler und Konsumentenschützer.

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Handyaufkleber, Chips, Magnetplättchen, Armbänder, Halsketten und Magnetmatten - der Verein für Konsumenteninformation (VKI) und die Onlineplattform Medizin transparent der Donau-Universität Krems bekommen laufend Anfragen über die Wirksamkeit derartiger Produkte. Verkauft werden diese Waren als „Schutz vor Strahlung und Elektrosmog“.

„Magnetfeldspitzen werden geglättet“

Die Handyaufkleber haben ihren Preis: Das Plastikpickerl der Firma Waveex kostet 24 Euro 90. Für ein ähnliches Produkt, den Gabriel-Chip, sind 35 Euro zu bezahlen. Einmal auf das Handy geklebt soll der Waveex-Aufkleber „dauerhaften Schutz vor Mobilfunkstrahlen“ bieten. „Waveex reduziert das Risiko. So fühlen Sie sich rundum geschützt und müssen sich keine Gedanken mehr bei der Nutzung mobiler Geräte machen“, so die Firma auf ihrer Webseite.

Ein Konsument betrachtet die Webseite der Firma Waveex

Matthias Däuble/help.ORF.at

Das Geschäft mit angeblich schützenden Aufklebern boomt

Die Wirksamkeit wird damit erklärt, dass Mobilfunkstrahlung für den Körper „verträglich“ gemacht werde, indem „Magnetfeldspitzen geglättet“ würden. „Waveex erhält die Kristallstruktur von Wasser. Beim Telefonieren mit Waveex entstehen keine zusätzlichen Schädigungen der DNA“. Bewiesen ist das laut Waveex über Messungen bzw. im eigenen Labor.

Keine aussagekräftigen Studien zur Wirksamkeit

Medizin transparent überprüfte diese Behauptungen anhand einer ausführlichen Suche in medizinischen Datenbanken. „Wir fanden dort keine einzige Studie zu Waveex oder zu anderen gleichartigen Aufklebern wie zum Beispiel dem Gabriel-Chip“, so Verena Ahne, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Wissenschaftsplattform. Trotzdem werben beide Firmen auf ihren Internetseiten mit Forschungsarbeiten und wissenschaftlichen Studien. Wie ist das möglich?

„Das sind Gutachten im Auftrag der Firma, die ungeeignet sind die Wirksamkeit von Waveex nachzuweisen“, so Ahne. Der Hersteller des Gabriel-Chips kündigt zwar eine Wirksamkeitsstudie an, die für einen wissenschaftlichen Gegencheck in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht werden soll, doch passiert ist das bisher nicht. Für die Expertin von Medizin transparent ist die Sachlage eindeutig: „Nach derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen können diese Produkte nicht vor Handystrahlen schützen oder beruhen nicht auf wissenschaftlich plausiblen Erklärungsansätzen“.

VKI sieht Gefahr von Geldmacherei

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) rät Verbrauchern zu großer Skepsis. „Die Gefahr ist recht groß, dass es sich bei derartigen Produkten tatsächlich um reine Geldmacherei handelt“, so Bernhard Matuschak vom VKI. Bis jetzt gebe es keine Belege, dass sie tatsächlich nützen würden. Konsumenten sollten vor einer Bestellung daher genau überlegen, damit sie nicht auf eine Behauptung hereinfallen. Die Strahlung, die unbestritten von Handys ausgeht, könne durch diese Produkte nicht vermindert werden, so Matuschak.

Help.ORF.at bat die Hersteller von Waveex und dem Gabriel-Chip um eine Stellungnahme. Kritik, dass hier mit der Angst vor Handystrahlung und Elektrosmog Konsumenten das Geld aus der Tasche gezogen werden könnte, wiesen beide Unternehmen entschieden zurück. Waveex bezeichnet die Recherchen von Medizin transparent als „dilettantisch“. Es gebe zwar eine Vielzahl von Produkten, die reine Geldmache seien, Waveex gehöre aber nicht dazu. „Waveex arbeitet nicht mit Angst, sondern mit Aufklärung und klaren Untersuchungen und Gutachten“.

Hersteller: „Wirkung nicht wissenschaftlich anerkannt“

Der Hersteller des Gabriel-Chips antwortet auf Anfrage von help.ORF.at, es gebe auch Produkte, die messtechnisch nachweisbare Wirksamkeit zeigen würden: „Wir sind schon immer bemüht diese messtechnische Nachweisbarkeit zu beweisen. Wir schüren keine Ängste, sondern gehen auf eine Risikobeurteilung ein“.

Ein Konsuemnt betrachtet die Webseite der Firma Gabriel Tech

Matthias Däuble/help.ORF.at

Hersteller bleiben nachprüfbare Beweise für die Wirksamkeit schuldig

Nur im Impressum von Gabriel Tech findet sich der kleingedruckte Hinweis: „Weder das Wirkprinzip, noch die Herstellungstechnologie noch eine positive Wirkung auf das gesundheitliche Wohlbefinden sind bisher allgemein wissenschaftlich anerkannt“. Ähnliches steht auch im Impressum von Waveex: „Die schädliche Wirkung von Erdstrahlen und elektrischen und magnetischen Feldern ist wissenschaftlich ungesichert und umstritten“.

Tipps zur Verringerung von Handystrahlung

Bei vielen Menschen bleibt das Unbehagen vor der Strahlung. Zwar wird seit rund 20 Jahren darüber geforscht, ob Handynutzung die Entstehung von Krebs fördert, die Ergebnisse seien bisher nicht eindeutig, so Verena Ahne von Medizin transparent. Experten raten deshalb vorsorglich dazu, nur wenig und kurz mit dem Handy zu telefonieren, eine Freisprecheinrichtung oder ein Headset zu benützen, um den Abstand zum Kopf zu vergrößern und nur dort zu telefonieren, wo die Verbindung auch gut ist – also nicht im Auto oder im Zug.

"Mit ein paar sehr einfachen Tipps und ganz ohne Aufkleber kann man die Bestrahlung, die von Smartphones oder Handys ausgeht, sehr stark verringern, so Ahne. Nicht alle Geräte strahlen gleich stark. Für jedes Handy lässt sich der SAR-Wert ermitteln. SAR steht für „Spezifische Absorptionsrate“. Je niedriger der SAR-Wert, desto besser.

Karin Fischer, help.ORF.at

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