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AFP / OLIVIER DOULIERY
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Geoblocking: Wenn Kundinnen und Kunden an ihre Grenzen stoßen

In der EU gilt freier Warenverkehr. Unternehmen dürfen ihre Produkte im ganzen Unionsgebiet anbieten. Das Problem: Manche Händler wollen das gar nicht. Oder sie wollen unterschiedliche Preise verlangen, abhängig von der Kaufkraft der jeweiligen Kundinnen und Kunden. Man spricht in so einem Fall von Geoblocking. Seit 2018 gilt in der EU ein weitreichendes Geoblocking-Verbot, es gibt aber Ausnahmen.

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Es sind vor allem zwei EU-Verordnungen, die sicherstellen sollen, dass Konsumentinnen und Konsumenten grenzenlos einkaufen können, sagt Reinhold Schranz, er ist Jurist beim Europäischen Verbraucherzentrum, kurz EVZ. Da wäre zunächst die seit Dezember 2018 gültige Geoblocking-Verordnung (EU) 2018/302. Demnach muss es für Kundinnen und Kunden aller EU-Mitgliedsstaaten möglich sein, Waren und Dienstleistungen zu den gleichen Bedingungen zu erwerben oder in Anspruch nehmen zu können, so Schranz. Ein Thermenbesuch oder ein Mietwagen beispielsweise dürfe für EU-Ausländer nicht mehr kosten als für Einheimische.

Heimisches Streaming-Angebot muss verfügbar sein

Auch im digitalen Bereich ist Geoblocking weitgehend untersagt. Hier komme meist die so genannte Portabilitäts-Verordnung zum Einsatz, sagt Schranz. Diese richtet sich an Anbieter von kostenpflichtigen Streamingdiensten wie Netflix oder Prime. Wer über ein entsprechendes Abo verfügt, muss auch im EU-Ausland Zugriff auf das vertraglich vereinbarte Programmangebot haben. Zumindest für einen gewissen (nicht näher definierten) Zeitraum. Wer sich dauerhaft in einem anderen Land niederlässt, sollte natürlich früher oder später einen lokalen Streaming-Vertrag abschließen.

Videospieler beim spielen
AFP/OLI SCARFF
Der Betreiber der Gaming-Plattform Steam wurde zu einer Millionenstrafe verdonnert

Gamingplattform Steam im Visier der EU-Behörden

Die Verordnungen hätten die Situation für Konsumentinnen und Konsumenten verbessert, viele Anbieter halten die entsprechenden Regeln ein, sagt Schranz. Doch vor allem im digitalen Bereich kommt es noch zu Problemen. Das US-Unternehmen Valve beispielsweise betreibt die Gamingplattform Steam und bietet Videospiele zum Download an. Österreichische oder deutsche Gamer, die ihre Spiele in einem osteuropäischen Store gekauft haben, konnten den erworbenen Downloadcode aber nicht nutzen.

Steam-Betreiber zu Millionenstrafe verurteilt

Hier wurde bewusst die Kaufkraft der verschiedenen EU-Länder einkalkuliert, sagt der EVZ-Jurist. In Osteuropa und im Baltikum wurden die Spiele billiger angeboten, in Österreich oder Deutschland wurden erheblich höhere Preise verrechnet. In diesem Zusammenhang habe Steam auch Preisabsprachen mit Spiele-Herstellern getroffen. Solche Vertriebsvereinbarungen sind nach dem Wettbewerbsrecht und auch nach der Geoblocking-Verordnung verboten, sagt Schranz. Steam-Betreiber Valve wurde deshalb vor einigen Wochen zu einer Strafzahlung in Millionenhöhe verurteilt.

Es gibt aber auch Bereiche, in denen Geoblocking nach wie vor zulässig ist. Beispielsweise bei urheberrechtlich geschützten Werken, was etwa bei E-Books eine Rolle spielen kann. Auch der Steam Betreiber hat sich auf urheberrechtliche Gründe berufen, die vom Gericht aber zurückgewiesen wurden.

Ländersperren öffentlich-rechtlicher Sender zulässig

Auch beim Streaming können Konsumentinnen und Konsumenten an ihre Ländergrenzen stoßen. Ein Beispiel: Da hat man gerade eine interessante Dokumentation gesehen und möchte das in der entsprechenden Mediathek nochmal tun. Plötzlich wird mitgeteilt, dass der Inhalt im entsprechenden Land nicht zur Verfügung steht. Ärgerlich für Konsumentinnen und Konsumenten, aber zulässig, sagt EVZ-Jurist Schranz.

Die Portabilitäts-Verordnung richtet sich ausschließlich an Anbieter von kostenpflichtigen Streamingdiensten. Ausgenommen sind Gratisangebote privater oder öffentlich-rechtlicher Anbieter, so Schranz. Diese können frei entscheiden, ob sie sich der Portabilitäts-Verordnung unterordnen wollen oder nicht. Ist das nicht der Fall, können sie auch weiterhin gewisse Inhalte im EU-Ausland blockieren.

VPN-Dienste können Geoblocking umgehen

Solche Ländersperren lassen sich allerdings relativ leicht umgehen. Wer einen VPN-Dienst nutzt und damit seinen Standort verschleiert, kann die Blockierung außer Kraft setzen. Die Nutzung von VPN-Diensten ist legal, und die Wahrscheinlichkeit erwischt zu werden, oder dass es zu strafrechtlichen Konsequenzen kommt, wird von vielen Experten als eher gering eingestuft. Reinhold Schranz rät dennoch zur Vorsicht. Da diese Beschränkungen meist aufgrund fehlender Lizenzen oder Urheberrechte zum Einsatz kommen, sehe man seitens des EVZ das Umgehen solcher Sperren als rechtlich nicht zulässig an, so Schranz.

EVZ ist Geoblocking-Kontaktstelle

Die EU-Geoblocking-Verordnung wird derzeit evaluiert. Es sei beispielsweise möglich, dass es hinsichtlich der länderspezifischen Urheberrechte zu einer Überarbeitung kommt, sagt der EVZ-Jurist. Mit einer Entscheidung rechnet der Experte innerhalb der kommenden zwei Jahre. Das EVZ fungiert in Österreich auch als Geoblocking-Kontaktstelle. Wer das Gefühl hat, hinsichtlich seines Wohnortes beim Erwerb von Waren oder der Inanspruchnahme von Dienstleistungen diskriminiert zu werden, kann sich jederzeit an das EVZ wenden, so Schranz.