Eine Frau isst Kartoffelchips
APA/BARBARA GINDL
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Ernährung

Zu süß, zu fett: Mehr Kinderschutz in der Werbung

In Deutschland wird derzeit über ein Werbeverbot diskutiert: Werbung für ungesunde Snacks und Getränke, die sich explizit an Kinder richtet, soll zukünftig stark eingeschränkt werden. Verbraucherschutzorganisationen und medizinische Fachgesellschaften fordern das auch seit geraumer Zeit für Österreich sowie eine bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln, die viel Zucker und Fett enthalten. Wissenschaftliche Studien geben dieser Forderung recht.

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„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1 und als Podcast.

Um deutlich zu machen, dass junge Menschen in Deutschland zu viel Zucker konsumieren, haben Verbraucherschutz- und Kinderschutzorganisationen den „Kinder-Überzuckerungstag“ ins Leben gerufen. Am 12. August haben Kinder und Jugendliche demnach bereits die von Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Jahresmenge an Zucker zu sich genommen. Die gesundheitlichen und sozialen Folgen dieses ungesunden Ernährungstrends sind auch in Österreich offensichtlich: Jedes vierte Kind ist übergewichtig, der Anteil der schwer übergewichtigen Kinder wächst.

Weniger Werbung für Kinderprodukte

Die Verbraucherschutzorganisation Foodwatch fordert deswegen für Österreich Verbote für Werbung, die sich gezielt an Kinder richtet und ungesunde Snacks und Getränke anpreist, sagt die Ernährungswissenschaftlerin Heidi Porstner von Foodwatch Österreich. Die Kinder würden viel zu oft ganz gezielt mit Werbemaßnahmen, mit Comics, mit Spielbeigaben zu ungesunden Lebensmitteln geködert, sagt Porstner gegenüber help.ORF.at. Es handle sich um Schokoladeriegel, süße Limonaden oder fette Fertiggerichte, die in einer ausgewogenen eines Schulkindes nur die Ausnahme sein sollten.

„Das heißt, wir sehen eine große Notwendigkeit, in Österreich Werbung für Lebensmittel, die ungesund und unausgewogen sind, zu verbieten, wenn sich die Produkte und Werbemaßnahmen gezielt an Kinder richten“, so die Ernährungswissenschaftlerin weiter. In Deutschland wird derzeit über ein solches Werbeverbot diskutiert, ein Gesetzesentwurf liegt bereits vor. Das geplante Gesetz soll Plakatwerbung im Umfeld von Schulen und Fernsehwerbung in Zeiten, in denen vor allem Kinder schauen, verbieten.

Soziale Medien als Problem

Es soll zukünftig auch nicht mehr möglich sein, Influencerinnen und Influencer anzuheuern, die ihren jungen Followern süße Energy Drinks, Limonaden oder Gummizeug schmackhaft machen. Kinder könnten erst ab einem sehr späten Alter einordnen, was Werbung bewirkt, so Porstner. Erst im Alter von 12, 13 Jahren könnten sie wirklich gut einordnen, das Werbung darauf abziele, zum Kauf anzuregen. Wenn Influencer Produkte, die ungesund sind, bewerben, sei das besonders problematisch, weil diese Werbemaßnahmen gerade für Kinder und Jugendliche schwerer zu identifizieren seien. Die Werbung für diese Produkte fließe in reguläre Beiträge ein, die Inhalte gingen ineinander über.

Dafür gibt es mittlerweile den Begriff der „Junkfluencer:innen“, die dafür bezahlt werden, ungesunde Snacks in ihren Clips und Postings auf Xoutube, TikTok oder Instagram zu bewerben. Diese Werbung ist oft sehr erfolgreich, weil den jungen Nutzerinnen und Nutzern eine kritische Distanz zu ihren „Idolen“ fehlt. Eine Studie der Med Uni Wien zeigte, dass drei Viertel der Getränke, Snacks und Süßigkeiten, die in Sozialen Medien über Influencer beworben werden, sind so ungesund, dass sie gegen die Werbestandards der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Kinder verstoßen.

Werbeverbot reicht nicht

Werbeeinschränkunegn seien wichtig, das sei aber nicht die einzige wichtige Maßnahme, sagen Verbraucherschützer in ganz Europa. Man müsse die Eltern erreichen, ihnen den Einkauf gesunder Lebensmittel erleichtern, betont auch Heidi Porstner. Genau das würde eine Lebensmittelampel tun, etwa der Nutri-Score, der in einigen europäischen Ländern, wie Frankreich oder Deutschland, von Unternehmen zumindest freiwillig verwendet werden kann. „Eine Nährwertampel wie der Nutriscore ermöglicht auf den ersten Blick Produkte in einer bestimmten Kategorie zu vergleichen“, so Porstner.

Also welches Müsli mehr Zucker enthält, welcher Salzstangen salziger sind, welche Fertigpizza mehr Kalorien hat, sei so viel leichter zu erkennen. In Österreich gibt es keine Regelung zur Verwendung dieser Lebensmittelampel. Findet man Produkte mit Nutriscore in österreichischen Supermärkten, stammen sie meist von internationalen Produzenten.

Lebensmittelampel hilft Eltern

Eltern brauchten gerade bei Produkten mit Kinderoptik Unterstützung, so Porstner. Das unterstreicht auch eine Studie des deutschen Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel. Die zeigte vor kurzem: Auf Kinder zugeschnittene Produkte enthalten teilweise sogar noch mehr Zucker und Fett als andere vergleichbare Produkte. Und eine Studie der Universität Göttingen kam zu dem Ergebnis, dass der Nutriscore Verbraucherinnen und Verbrauchern auch dann leichte Orientierung gibt, wenn sich auf der Verpackung eines Lebensmittels irreführende Angaben zum Zuckergehalt befinden, wie „ohne Zuckerzusatz“ oder „weniger süß“.

Dass sich bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln oder dem an Kinder gerichteten Marketing süßer Limonaden und ungesunder Snacks in Österreich bald etwas ändert, hält Heidi Porstner für unwahrscheinlich. In Österreich stehe man am Anfang der politischen Debatte, trotz anhaltender Forderungen von Kinderärztinnen und Verbraucherschützern. Die Reaktionen der österreichischen Lebensmittelindustrie zu Werbeverboten und einfacher Ampelkennzeichnung fielen in der Vergangenen gemischt aus und reichen von neutral bis ablehnend. Ein Argument, das in der Diskussion immer wieder auftaucht: Konsumentinnen und Konsumenten würden durch beide Maßnahmen bevormundet.