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Im Frühjahr 2020 reichte ein Zivildiener aus Kärnten Klage gegen Sony ein. Er spielte ein Videospiel der FIFA-Reihe. Um seine Gewinnchancen zu verbessern, kaufte er sogenannte Lootboxen (Beutekisten), das sind Pakete, die eine zufällige Sammlung virtueller Gegenstände beinhalten. Beim Fußballsimulationsspiel FIFA heißen diese Lootboxen FIFA-Packs. Enthalten sind virtuelle Mannschaftsspieler, von denen man zum Zeitpunkt des Kaufs aber nicht weiß, wie gut sie tatsächlich sind, sagt Michael Linhard, juristischer Mitarbeiter der Rechtsanwaltskanzlei Salburg in Wien, die den Konsumenten vertritt.
Die Lootboxen könne man mittels FIFA-Points erwerben. Diese wiederum müssen zuvor mit echtem Geld gekauft werden. Mit viel Glück erhalte man virtuelle Fußballstars wie Marko Arnautovic oder Cristiano Ronaldo. Die Methode sei als Pay To Progress oder auch Pay To Win bekannt. Das bedeutet, man bezahlt dafür, dass man im Spiel weiterkommt, so Linhard.
Tausende Euro für „Beutekisten“ in Videospiel
Für das Spiel selbst bezahle man jährlich bereits zwischen 50 und 70 Euro. Um damit erfolgreich zu sein, werde man zusätzlich dazu gedrängt, Lootboxen in Form der FIFA-Packs zu erwerben, um das eigene Team zu verbessern, so der juristische Mitarbeiter. Influencer wie der deutsche Livestreamer Trymacs würden jährlich mehrere tausend Euro dafür ausgeben, so Linhard. Der Kärntner Konsument habe während der vergangenen Jahre zwischen 800 und 3.000 Euro investiert.
Am 26. Februar 2023 entschied das Bezirksgericht Hermagor als erstes Gericht in Österreich, dass FIFA-Packs als illegales Glücksspiel einzustufen sind. Sony müsse dem Kläger mehr als 300 Euro rückerstatten, die er für Lootboxen ausgegeben hatte. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Konzern hat noch Zeit, zu berufen. Auf eine Stellungnahme gegenüber help.ORF.at verzichtete das Unternehmen.
Welchen Wert haben virtuelle Güter?
Beim Prozess selbst habe es sich um ein klassisches Beweisverfahren gehandelt, sagt Linhard: „Es galt, zu ermitteln, inwieweit FIFA-Packs die Faktoren für Glücksspiel erfüllen.“ Die entscheidende Frage sei gewesen, ob virtuelle Güter einen Wert haben, beziehungsweise, ob die Lootboxen einen Gewinn in Aussicht stellen. Gerade bei Spielen der FIFA-Reihe gebe es einen Schwarzmarkt, auf dem einzelne Spieler gegen Echtgeld gehandelt werden. Dadurch könne den Lootboxen eindeutig ein Wert beigemessen werden, genauso wie beim herkömmlichen Glücksspiel, so Linhard.
Das Bezirksgericht Hermagor habe die Existenz dieses Schwarzmarktes bestätigt und damit auch den in Echtgeld bemessbaren Wert der virtuellen Güter. Durch diesen Sekundärmarkt bestehe zudem die Möglichkeit, Gewinn zu machen. Wie man zu den Produkten kommt, sei computergesteuert und zufallsabhängig, so das Kärntner Bezirksgericht.
Lootboxen in manchen EU-Ländern bereits verboten
Wird das Urteil rechtskräftig, könnte das gravierende Folgen für den Computerspielmarkt haben, ist Michael Linhard überzeugt. In Belgien und den Niederlanden sind Lootboxen bereits verboten. Global gesehen handle es sich dabei um einen Milliardenmarkt. Viele Anbieter würden sich künftig darauf einstellen müssen, dass Verfahren und Urteile auf sie zukommen, so der Jurist. Außerdem seien Regulierungen in Hinblick auf Jugendschutz und Konsumentenschutz zu erwarten.
Hinsichtlich der Sportsimulation FIFA wäre es denkbar, dass man bald einzelne Spieler direkt käuflich erwerben kann. Werbung für Lootboxen innerhalb eines Spieles könnten komplett verboten werden. Jedenfalls müssten die Spielehersteller dann dafür garantieren, dass sie nicht mehr gegen das Glücksspielgesetz verstoßen, so Linhard.