Landwirt spritzt Felder
dpa/Patrick Pleul
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Studie: Konventionelle Pestizide deutlich giftiger als natürliche

Bis 2030 soll der Pestizideinsatz in der EU um die Hälfte reduziert, und der Anteil der Biolandwirtschaft auf 25 Prozent ausgeweitet werden. Kritiker argumentieren, Pestizide in der biologischen Landwirtschaft seien ähnlich giftig wie konventionelle. Eine Studie der Umweltschutzorganisation Global 2000 konnte jetzt das Gegenteil belegen: Demnach sind mehr als die Hälfte der Pestizide in der konventionellen Landwirtschaft gesundheits- oder umweltschädlich, in der Biolandwirtschaft sind es nur drei Prozent.

Mit dem Gesetzesentwurf zur EU-weiten Pestizidreduktion geht ein weiteres Ziel einher: der Anteil an Biolandwirtschaft in der EU soll auf 25 Prozent ausgeweitet werden. Derzeit liegt er bei sieben Prozent. Diese Vorhaben rufen Gegner auf den Plan. Die Widerstände gegen die Pestizidreduktion sind groß, sagt Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker bei der Umweltschutzorganisation Global 2000. „Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass es eine Industrie gibt, die mit dem Verkauf von Pestiziden in Europa jährlich rund zehn Milliarden Euro Umsatz macht“, so Burtscher.

Zehn Milliarden Umsatz mit Pflanzenschutzmitteln

Hersteller wie Bayer, Syngenta oder BASF, aber auch immer öfter Vertreter politischer Parteien argumentierten, dass man ohne konventionelle Pestizide in der Landwirtschaft nicht auskomme. Die Umweltorganisation habe dagegen gehalten und auf den erfolgreichen Bioanbau, etwa in Österreich, verwiesen. Darauf werde häufig entgegnet: auch in der biologischen Landwirtschaft würden Pestizide verwendet, die genauso giftig seien, so der Biochemiker.

Teilweise krebserregend und fortpflanzungsgefährdend

Um diesen Argumenten zu begegnen, hat Helmut Burtscher-Schaden im Rahmen einer Studie der Umweltschutzorganisation gemeinsam mit zwei Kollegen sämtliche Pestizide untersucht, die in der EU im Freien ausgebracht werden dürfen. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte der Pestizide in der konventionellen Landwirtschaft haben gefährliche Eigenschaften. Bei den biologischen Wirkstoffen waren es nur drei Prozent. Herkömmliche Pestizide seien teilweise krebserregend, fortpflanzungsgefährdend und hätten bei Aufnahme über Haut, Atemluft oder bei Verschlucken sogar tödliche Wirkung. Keine einzige dieser Eigenschaften sei bei den Pestiziden der Biolandwirtschaft zu finden, so Burtscher.

Ursache liegt in synthetischer Herstellung

Warum konventionelle Pestizide soviel giftiger sind als solche für den Bioanbau, lasse sich auch aus deren Herkunft erklären, sagt Helmut Burtscher: 90 Prozent der untersuchten Pestizide wurden synthetisch hergestellt. Sämtliche biologischen Wirkstoffe sind dagegen natürlichen Ursprungs: Bakterien, Viren oder Pilze etwa. Und noch ein weiteres Argument der Gegner der Bio-Erweiterung kontert der Biochemiker in der Studie: Biobäuerinnen und -bauern, hieße es oft, würden ähnlich häufig Pestizide verwenden wie in der konventionellen Landwirtschaft. Dazu Burtscher: Bei einem konventionellen, hochgiftigen Insektizid würden oft fünf Gramm für einen Hektar ausreichen. Bei einem vergleichbaren Insektizid aus der Biolandwirtschaft, zum Beispiel Rapsöl, benötige man für einen Hektar zehn Liter, also das 2000-Fache, so der Biochemiker.

90 Prozent der Bio-Landwirtschaft ohne Pestizide

Dazu kommt, sagt Helmut Burtscher: Auf mehr als 90 Prozent der bio-landwirtschaftlichen Nutzfläche werde auf Pestizide komplett verzichtet. Beim Anbau von Getreide etwa. Bei manchen Getreidearten benötige der biologische Ackerbau 20 bis 30 Prozent mehr Fläche, um die gleichen Erträge zu erzielen wie im konventionellen Anbau. Bei Erbsen, Bohnen und Linsen dagegen seien die Hektarerträge von biologischer und konventioneller Landwirtschaft gleich groß, so der Biochemiker.

Zur Unterstützung des EU-Gesetzesentwurfs zur Pestizidreduktion hat Global 2000 im Jänner eine Petition gestartet: „Gift für die Biene. Gift für dich. Beenden wir die toxische Beziehung!“ 20.000 Unterschriften konnten bisher gesammelt werden. Erst am 15. März 2023 habe die EU-Kommission entschieden, dass es im Oktober eine Gesamtabstimmung geben soll, so Burtscher. „Wenn das passiert, dann besteht die Chance, dass dieses Gesetz einen Systemwandel in der Landwirtschaft bewirkt“, so Helmut Burtscher.