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Strom aus Erneuerbaren ist in der Produktion deutlich günstiger als bei fossilen Energieträgern. Ein Umstand, der auch von Seiten der Politik gerne betont wurde. Der Verbund erzeugt Strom nach eigenen Angaben zu 95 Prozent aus Wasser- und Windkraft, also aus den vermeintlich günstigen erneuerbaren Energien. Trotzdem hat der Konzern die Preise kräftig angehoben, zuletzt im Mai des vergangenen Jahres um mehr als das Doppelte.
OGH: Verbund-Klausel nachteilig für Kundinnen und Kunden
Begründet wird die Preiserhöhung mit den hohen Einkaufspreisen an der Börse. Dies sei unzulässig, urteilte kürzlich das HG Wien, die entsprechende AGB-Klausel zur Anpassung des Strom-Arbeitspreises sei nachteilig und komme für Kundinnen und Kunden überraschend. Da der Verbund-Konzern den Strom selbst produziere und auch speziell damit werbe, österreichischen Strom aus Wind- und Wasserkraft anzubieten, hätten Verbraucherinnen und Verbraucher auch genau diese Erwartung, sagt dazu der Jurist Maximilian Kemetmüller vom Verein für Konsumenteninformation (VKI).
„Herstellungskosten für Preisgestaltung maßgeblich“
Man gehe davon aus, mit österreichischer Wasserkraft sicher und nachhaltig versorgt zu sein, schließlich könne man die Verbund-Kraftwerke auch überall sehen, sagt Kemetmüller. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum es in den AGB eine „Wertsicherungsklausel“ gebe, die sich am Einkaufspreis an der Börse orientiere. Vielmehr müsse der Verbund seine Preispolitik nach den tatsächlichen Kosten ausrichten, die für Stromerzeugung und beim Personal anfallen, so der Jurist. Dieser Ansicht folgte auch das Gericht.

Verbund: Müssen zu Marktpreisen zukaufen
Trotz Eigenproduktion müsse auch der Verbund innerhalb der Verbund-Gruppe Strom zu Marktpreisen zukaufen, argumentiert hingegen das Unternehmen. Man verfolge hier das Ziel, sicherzustellen, dass Verbraucherinnen und Verbraucher langfristig mit ausreichend Versorgung rechnen können, heißt es auf der Webseite des Konzerns. Aufgrund unsicherer Zeiten und starker Preisschwankungen orientiere man sich daher am österreichischen Strompreisindex, also dem Preis, der an der Börse gehandelt wird.
Der Börsenpreis wiederum folgt dem so genannten Merit-Order-Prinzip. Der Preis orientiert sich demnach am teuersten Kraftwerk in der Versorgungskette, und das ist in der Regel ein Gaskraftwerk. In der Praxis wäre es hinsichtlich der Preisgestaltung also gleichgültig, ob Strom aus erneuerbaren oder aus fossilen Quellen gewonnen wird, weil in jedem Fall der derzeit hohe Gaspreis maßgeblich ist. Doch genau diese Praxis hat das Handelsgericht im Falle des Verbunds als unzulässig eingestuft.
VKI-Jurist: Verbund kauft nicht an der Börse
Der Verbund kaufe zusätzlich benötigten Strom innerhalb der Verbund-Gruppe ein, sagt Kemethofer. Die entsprechenden Kraftwerke seien entweder im Besitz des Verbunds oder gehören einer Tochtergesellschaft. Er decke den Bedarf also nicht über die Börse, und insofern sei das Merit-Order-Prinzip bezüglich des Einkaufspreises des Verbund in Wahrheit irrelevant, so der VKI-Jurist.

Was aber bedeutet das Urteil des Handelsgerichts nun für Konsumentinnen und Konsumenten? Das Erkenntnis erging in erster Instanz. Ob Kundinnen und Kunden also tatsächlich bald mit Rückzahlungen rechnen können, ist noch keine ausgemachte Sache. Der Verbund wird in Berufung gehen, zunächst bleiben also die Gerichte am Wort. Über die Berufung müsse in weiterer Folge das Oberlandesgericht Wien entscheiden. Letztlich wäre dann der Oberste Gerichtshof (OGH) am Zug, um ein letztgültiges rechtskräftiges Urteil zu fällen, so Kemetmüller. Theoretisch könnte der Verbund auch noch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit der Angelegenheit befassen, womit der Jurist aber derzeit eher nicht rechnet.
Experte rechnet mit Verfahrensdauer von einem Jahr
Bis zum Abschluss des Verfahrens könne es noch mehrere Monate dauern, sagt Kemetmüller, der Rechtsexperte rechnet mit etwa einem Jahr. Die tatsächliche Verfahrensdauer lasse sich aber nur schwer schätzen, diese hänge unter anderem davon ab, wie schnell sich die Gerichte mit der Causa befassen. Der VKI werde aber jedenfalls auch nach der zweiten Instanz über das dort ergangene Urteil berichten, dann könne man genauere Vorhersagen treffen.
Sollte das Unternehmen letzten Endes Geld erstatten müssen, würden jene profitieren, die von der Preiserhöhung ab 1. Mai 2022 betroffen waren. Denn nur in diesem Fall habe sich der Verbund auf die beanstandete AGB-Klausel berufen, so Kemetmüller. Es geht also um Bestandsverträge, nicht um Neukunden.

Bei Neuverträgen „die Hände gebunden“
Bei Neuverträgen habe man keine Handhabe. Weder eine Verbraucherschutzorganisation wie der VKI noch die Regulierungsbehörde E-Control können einen ursprünglich vereinbarten Preis überprüfen, das sei in Österreich nicht vorgesehen, sagt Kemetmüller. Hier seien dem VKI „die Hände gebunden“.
Das Urteil des Handelsgerichts bezieht sich außerdem ausschließlich auf den Verbund. Andere Energieanbieter sind momentan nicht betroffen. Es sei aber zu hoffen, dass die weiteren gerichtlichen Instanzen die Grundsätze der Preisgestaltung am Energiesektor genau auslegen und man daraus schließen könne, ob die Preiserhöhungen anderer Energielieferanten zulässig waren oder nicht, so der VKI-Jurist.
Ob das erstinstanzliche Urteil tatsächlich hält, wird sich wie gesagt erst weisen. Maximilian Kemetmüller hält das Erkenntnis aber für „schön begründet": " Ich denke schon, dass es sehr gute Argumente dafür gibt, dass das Urteil halten wird.“ Die Vergangenheit habe außerdem gezeigt, dass die österreichischen Energieanbieter immer bereit sind, einen Vergleich mit dem VKI zu schließen, sobald ein rechtskräftiges Urteil vorliegt. Ist das der Fall, werde es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Rückzahlungen an Konsumentinnen und Konsumenten kommen, so Kemetmüller.