Ein KFZ-Servicetechniker in einer Autowerkstatt hält die Abdeckung vor einem vom Abgas-Skandal betroffenen Dieselmotor vom Typ EA189.
APA/dpa/Julian Stratenschulte
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Erstes OGH-Urteil im Dieselskandal gegen VW

Erstmals konnte ein vom VW-Dieselskandal betroffener Konsument eine Klage gegen den Autokonzern vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) gewinnen. Peter Kolba vom Verbraucherschutzverein (VSV) sieht darin ein richtungsweisendes Urteil und fordert Geschädigte auf, sich der Sammelaktion des VSV gegen VW anzuschließen. Die Chancen auf Rechtsdurchsetzung seien deutlich gestiegen, so Kolba.

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Nach Aufdeckung des Dieselskandals im September 2015 habe das US-amerikanische Justizsystem bewiesen, wie effektiv seine Instrumente sind, sagt der Jurist Peter Kolba, Obmann des österreichischen Verbraucherschutzvereins (VSV). Er meint damit eine Besonderheit der amerikanischen Sammelklage, die alle von einem Fall Betroffenen automatisch von der Klage erfasst.

Schadenersatz in Milliardenhöhe in den USA

Obwohl in den USA nur 600.000 Fahrzeuge verkauft wurden, habe Volkswagen 26 Milliarden Euro an Schadenersatz und an Strafschadenersatz bezahlt. Damit seien in den USA alle vom Abgasskandal betroffenen Käuferinnen und Käufer von VW-Fahrzeugen zu ihrem Recht gekommen, so Kolba.

Anders in Europa, wo die Causa heuer bereits im achten Jahr verhandelt wird. In vielen Einzelfällen einigte man sich auf Vergleichszahlungen, für die der Autobauer aus Wolfsburg strenge Verschwiegenheitsverpflichtungen verlangte. 2019 hat der Verein für Konsumenteninformation (VKI) eine Sammelklage für 10.000 Betroffene eingebracht, die immer noch verhandelt wird. Bisher ohne Ergebnis.

OGH-Urteil in letzter Instanz

Umso erfreulicher sei das erste Urteil des OGH im Abgasskandal vom Dienstag vergangener Woche, so Kolba. Ein Mann, der den Kaufpreis seines Autos zurückverlangte, gewann in letzter Instanz. VW hatte dem Kläger angeboten, nachträglich ein Software-Update in den Wagen einzubauen, das einen emissionsmindernden Modus im Fahrbetrieb versprach. Allerdings nur bei Temperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius, dem sogenannten Thermofenster. Damit wäre der Mangel aber nicht behoben worden, entschied nun der OGH.

Abgasmessung bei einem Dieselfahrzeug
AFP
Die Fahrzeuge zahlreicher Automobilhersteller sind vom Dieselskandal betroffen

Kaufpreis muss fast zur Gänze erstattet werden

Das Höchstgericht habe damit das Thermofenster als eine illegale Abschalteinrichtung definiert, so Kolba. Der wirksame Temperaturbereich führe dazu, dass unter mitteleuropäischen Verhältnissen die Abgasreinigung mehr als die Hälfte des Jahres abgeschaltet ist. Ein Urteil in dieser Klarheit sei dem deutschen Bundesgerichtshof bisher nicht abzuringen gewesen, so der Jurist.

Das Ergebnis für den Kläger: Er bekommt den Kaufpreis seines Fahrzeugs in Höhe von 27.000 Euro zurück, abzüglich 7.500 Euro für die 70.000 Kilometer, die er seit März 2015 mit dem Auto gefahren ist. Zusätzlich erhält er Zinsen von vier Prozent jährlich aus dem Kaufpreis.

VW kritisiert das OGH-Urteil

VW kritisierte dieses Urteil in einer öffentlichen Stellungnahme. Die Entscheidung würde auf „unrichtigen Tatsachenfeststellungen zum Thermofenster“ beruhen. "Bei Zugrundelegung des korrekten Sachverhaltes wäre die Klage abzuweisen gewesen“, so der deutsche Automobilhersteller.

Stellungnahmen wie diese kennt Peter Kolba seit mehr als sieben Jahren. „VW verzögert die Verfahren mit immer absurderen Argumenten“, so der Jurist. Während der damalige VW-Chef öffentlich zugegeben habe, dass betrogen worden sei, würden die Anwälte von VW bei Gericht bis heute behaupten, alles sei ordnungsgemäß abgelaufen: „Das ist eine Besonderheit des europäischen Justizsystems, das sich für solche Massenschäden als nicht effizient erweist“, sagt Kolba.

Auch andere Autobauer vom Dieselskandal betroffen

Im Jahr 2020 hat der deutsche Bundesgerichtshof entschieden, VW habe seine Kundinnen und Kunden mit den manipulierten Autos „arglistig getäuscht“. Dafür gilt hierzulande eine Verjährungsfrist von 30 Jahren. Damit haben noch viele Autofahrerinnen und -fahrer Anspruch auf Schadenersatz, so Kolba. Betroffen sind Dieselmodelle von VW, die zwischen 2009 und September 2015 gekauft wurden. Allein in Österreich sind das 360.000 Fahrzeuge.

Vollständigen Schadenersatz müsse es auch für Dieselfahrzeuge mit Thermofenster geben, meint Peter Kolba. Diese illegale Abschalteinrichtung sei aber nicht nur in VW-Modelle eingebaut worden. Betroffen seien auch Autos von Daimler, BMW, Opel, Volvo, Fiat und Renault. Infrage kämen alle Dieselfahrzeuge dieser Hersteller, die nach 2015 bis etwa 2019 gekauft wurden.

Wer den Verdacht hat, mit seinem Auto dazuzugehören, kann sich beim VSV melden. Dort könne man prüfen, ob der Motor betroffen sei. Außerdem würden Prozessfinanzierer sicherstellen, dass man ohne Kostenrisiko klagen kann. Voraussetzung ist eine Mitgliedschaft beim VSV, die 30 Euro pro Jahr kostet. Dieses OGH-Urteil erhöhe die Wahrscheinlichkeit, sich gegen VW durchsetzen: „Die Chancen sind bestens, solche Verfahren zu gewinnen“, so Kolba.