Nano-Simkarte neben einem Mobiltelefon
Getty Images/iStockphoto/Andreypopov
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Mobilfunker könnten Servicepauschalen zurückzahlen müssen

Im vergangenen Herbst kippte der Oberste Gerichtshof (OGH) eine Reihe von Gebühren bei Fitnessstudios, weil nicht klar ist, wofür sie eigentlich verlangt werden. Betroffene Kundinnen und Kunden haben nun Anspruch auf Rückzahlung, und das Urteil strahlt auf andere Branchen aus: zum Beispiel auf Telekomunternehmen. Auch hier sind Servicepauschalen üblich und auch hier könnten sie unzulässig sein – inklusive Rückzahlungsansprüchen.

Eigentlich stellte der OGH nur fest, was auf der Hand liegt: Wer Geld verlangt, muss dafür auch liefern. In sechs Entscheidungen gegen die Fitnessstudiofranchisekette Cleverfit im vergangenen Herbst kassierte das Höchstgericht Gebührenklauseln, weil sie für keine erkennbare Gegenleistung verlangt wurden, oder, weil sie für etwas verlangt wurden, was ohnehin Teil des Vertrags ist.

Bei den Fitnessstudios war das etwa ein zusätzliches Entgelt für die Zutrittskarte. Unzulässig, sagte der Oberste Gerichtshof, weil die Unternehmen ihre Kundinnen und Kunden so oder so hineinlassen müssen. Ebenfalls nicht erlaubt ist es, eine Gebühr durch eine mehr oder weniger aufgedrängte Leistung zu rechtfertigen. Ein Beispiel dafür sind Gratis-Trainerstunden, egal ob sie erwünscht sind oder nicht.

Servicepauschale: Gebühr für Vages

Auch vage Leistungsversprechen gehen nicht, sagt Sebastian Schumacher, Rechtskonsulent der Ö1-Konsumentenredaktion: „Da werden Pauschalen eingehoben – hier sind wir dann schon bei den Mobilfunkbetreibern – wo es dann heißt, die Pauschale dient der Verbesserung des Services oder der Netzinfrastruktur oder Ähnliches. Das bringt mir als Kunde aber nichts, weil ich keinen Durchsetzungsanspruch habe.“

Ein zentraler Punkt: Man zahlt schließlich für eine bestimmte Leistung, so Schumacher: „Und wenn diese Leistung nicht oder nur schlecht erbracht wird, dann habe ich rechtliche Instrumente. Ich kann auf Vertragserfüllung klagen oder ich habe Gewährleistungsansprüche, ich kann also meine bezahlte, versprochene Leistung durchsetzen. Wenn allerdings jemand sagt, sehr vage, ‚verbesserte Netzinfrastruktur‘, das bringt mir nichts als Einzelner. Insofern ist das auch eine unzulässige Gebührenklausel.“

Zusatzgebühren greifen um sich

Man beobachte schon seit einiger Zeit, dass es immer mehr Usus werde, zusätzlich zu Grundentgelten weitere Gebühren zu verlangen, so Schumacher. Das gelte von Essenslieferdiensten über Kreditverträge bis hin zu Internet- und Mobilfunkverträgen. Diese Branchen sind von den OGH-Urteilen zu Fitnessstudios zwar nicht unmittelbar betroffen, und unzulässige Klauseln müssten auch hier erst einmal bis zur letzten Instanz bekämpft werden, aber: „Nach meiner Einschätzung ist die Judikatur nach sechs OGH-Entscheidungen relativ klar. In diesem Raster sind alle Zusatzgebühren in allen Branchen zu prüfen, und natürlich auch in der Mobilfunkbranche“, stellt Schumacher fest.

Rückzahlungsansprüche auf bis zu 30 Jahre möglich

Werden die Gebührenklauseln gekippt, ergeben sich daraus, wie auch schon bei den Fitnessstudios, Ansprüche auf Rückzahlung – unter Umständen 30 Jahre rückwirkend. Ausgehend von durchschnittlich knapp 30 Euro Servicepauschale pro Jahr und mehr Mobilfunkverträgen als Einwohner:innen handelt es sich um enorme Summen.

Wenig überraschend, dass die drei großen Mobilfunker Drei, A1 und Magenta help.ORF.at gegenüber einstimmig der Ansicht sind, dass ihre Servicepauschalen nicht von den Entscheidungen gegen Fitnessstudios betroffen sind. Sie seien nicht mit der Fitnessbranche vergleichbar, die Pauschalen deckten tatsächlich entstandene Kosten ab, man habe die eigenen Gebühren geprüft und sehe sich nicht tangiert, so der Tenor.

Erste private Sammelaktion zu Handy-Servicepauschalen

Von der Arbeiterkammer (AK), die schon die Fitnessbranche geklagt hat, heißt es, man prüfe derzeit die Gebührengepflogenheiten in weiteren Branchen, vor allem auch im Telekomsektor. Auch der private Prozessfinanzierer AdvoFin startete eine Sammelaktion zum Thema Handyverträge und Servicepauschalen. Das erlaubt den Schluss, dass die Chancen nicht so schlecht gesehen werden, Sammelaktionen sind immerhin das Geschäftsmodell von AdvoFin.

Verbandsklagen gehen üblicherweise jahrelange Wege durch die Instanzen, damit kann auch bei Mobilfunkgebühren gerechnet werden, sagt Schumacher. Nachdem sich der OGH jedoch schon so klar geäußert habe, brauche man nicht so lange zu warten.

Betroffene müssen nicht auf weiteres Urteil warten

„Aus meiner Sicht kann man schon versuchen, das auf individueller Ebene durchzusetzen. Zuerst mit einem Aufforderungsschreiben die gezahlten Servicepauschalen und Anmeldegebühren zurückverlangen, und wenn das nicht fruchtet, kann man das der Rechtsschutzversicherung geben und um Deckung ersuchen“, sagt Schumacher. Alternativ kann man sich damit an Verbraucherschutzorganisationen wie den VKI, den Verbraucherschutzverein oder die Arbeiterkammer wenden.