Ein Fußball fliegt ins Tor
APA/dpa/Tobias Hase
APA/dpa/Tobias Hase

Suchthilfen fordern: Sportwetten müssen Glücksspiel werden

Während großer Turniere wie der gegenwärtigen Fußballweltmeisterschaft haben Sportwetten Hochsaison. Rund 100.000 Personen gelten hierzulande als wettsuchtgefährdet. Dennoch ist Österreich das einzige Land in der EU, in dem Sportwetten nicht als Glücksspiel gelten. Österreichs Suchthilfen fordern dringend, Sportwetten in das Glückspielgesetz aufzunehmen.

Sendungshinweis

„Help“, das Ö1-Konsumentenmagazin, jeden Samstag um 11.40 Uhr in Radio Ö1 und als Podcast.

Vier von 100 erwachsenen Österreicherinnen und Österreichern platzierten im vergangenen Jahr Sportwetten, so Monika Lierzer, klinische Psychologin und Leiterin der Fachstelle für Glücksspielsucht in der Steiermark. Elf Prozent von ihnen gelten als wettsuchtgefährdet: das sind rund 100.000 Menschen. Es sind vor allem junge Männer von 18 bis Mitte 30. Die meisten sind sportinteressiert, schauen gerne Fußball oder sind selbst Amateursportler.

Leichter Einstieg in die Sportwette

„Der erste Kontakt mit Sportwetten ist relativ unspektakulär“, so Lierzer. Die meisten würden gemeinsam mit Freunden zunächst auf ihre Lieblingsmannschaft eine Wette platzieren, haben dann möglicherweise Erfolg und freuen sich, gewonnen zu haben.

Setzt man auf eine Mannschaft, die in diesem Spiel als Favorit gilt, sei die Quote relativ gering bei 1,2 bis maximal 1,4. Wer also zehn Euro einsetzt, könne im besten Fall 14 Euro zurückbekommen. Manche hätten dann das Gefühl, das öfter machen zu wollen, um sich damit ein kleines Zusatzgeld zu verdienen.

Wetten auf Kredit

Eines der Symptome pathologischer Wettsucht ist, dass Menschen gedanklich immer mehr von Sportwetten beherrscht würden, so die Psychologin. Teamaufstellungen und Wettquoten würden studiert. Außerdem würden Süchtige immer höher wetten, weil sie glaubten, damit ihre Verluste zurückholen zu können. Und es werde auch auf Mannschaften gesetzt, von denen man wenig Ahnung habe, nur um den Kick und das Rauschgefühl zu erleben, eine Wette platziert zu haben.

Ein weiteres Anzeichen einer Suchtgefährdung sei, wenn Menschen um Geld spielen, das sie eigentlich nicht für Sportwetten zur Verfügung haben. Wettsüchtige würden sich Geld ausborgen und dafür Kredite aufnehmen. Ab einem gewissen Zeitpunkt erzählten viele nur noch von ihren Gewinnen, während sie ihre Niederlagen verschweigen. „Es kommt in diesem Bereich sehr häufig zu Lügen und Verheimlichungen“, so Lierzer.

Großes Suchtpotential bei Sportwetten

Nach dem Automatenglücksspiel haben Sportwetten das zweithöchste Suchtpotenzial – noch vor Roulette, so die Psychologin. Allein in der Steiermark hat sich die Zahl der Wettsüchtigen in den vergangenen fünf Jahren fast vervierfacht.

Einerseits werden Sportwetten stark beworben, andererseits sind sie immer leichter verfügbar. „Wer früher einen Toto-Schein ausgefüllt hat, musste eine Woche auf das Ergebnis warten. Heute kann man im Internet in Echtzeit auf den nächsten Corner oder das nächste Tor wetten“, so Lierzer.

Ruf nach strengeren Schutzregeln

In der ganzen EU sind Sportwetten als Glückspiel eingestuft. Die einzige Ausnahme ist Österreich: hierzulande gelten Sportwetten als „Geschicklichkeitsspiel“. Die Spielsuchthilfen und -präventionsstellen in ganz Österreich fordern deshalb dringend, Sportwetten in das Glückspielgesetz aufzunehmen, so Lierzer.

Nur so könnten die offiziellen Spielerschutzregelungen auch bei Sportwetten verpflichtend angewendet werden. Das würde die Anzahl der Wettangebote einschränken und die Zugänglichkeit für die Teilnehmenden mittels Registrierungspflicht erschweren. Zudem könne man Werbung reglementieren, indem man sie etwa nur zu bestimmten Zeiten erlaubt, so die Psychologin.

Höhe der Wetteinsätze begrenzen

Auch eine Maximalhöhe der Wetteinsätze wäre wünschenswert. In Deutschland dürfe etwa pro Person und Monat nicht mehr als 2.000 Euro monatlich für Sportwetten ausgegeben werden. Derlei Regelungen würden auch dazu beitragen, dass die Gefahr von Sportwetten in der breiten Öffentlichkeit besser wahrgenommen wird. „Damit könnten Warnsignale früher erkannt und Menschen schneller geholfen werden“, so Lierzer.