Neben einer brennenden Gasflamme hält eine Hand Euro-Scheine und Münzen
dpa/dpa-Zentralbild/Z1022 Patrick Pleul
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Sinkende Gaspreise – Warum Haushalte kaum profitieren

Die Gaspreise sinken, zumindest an den Großmärkten. Verbraucherinnen und Verbraucher spüren von dieser Entwicklung aber relativ wenig. Im Gegenteil, auch im kommenden Jahr dürften die Preise für Energie weiter steigen. Die Zeiten, in denen die Energiekosten für Haushalte eine überschaubare Belastung dargestellt haben, dürften bis auf weiteres vorbei sein.

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Die Großmarktpreise für Gas sind in den vergangenen Wochen gesunken. Bei Verbraucherinnen und Verbraucher ist diese Entwicklung aber nur bedingt angekommen, die neuen Teilzahlungsbeträge, die per aktueller Jahresabrechnung ins Haus flattern, sind meist überdurchschnittlich hoch. Das liege vor allem daran, dass es sich derzeit nur um kurzfristige Effekte handle, die die Großmarktpreise drücken, sagt Leo Lehr von der zuständigen Regulierungsbehörde E-Control.

Warmes Wetter ließ Gaspreise sinken

Wichtig für die Tarife der privaten Haushalte seien vor allem langfristige Entwicklungen, so Lehr. Da die derzeit fallenden Gaspreise beispielsweise auf das milde Oktoberwetter und die derzeit gut befüllten Gasspeicher zurückzuführen seien, handle es sich dabei um temporäre Faktoren, die sich schon bei einem kurzfristigen Kälteeinbruch ändern können. Eine stabilisierende Wirkung sei aber dennoch zu beobachten, bei Neukundentarifen gebe es eine leichte Entspannung. Bei den Tarifen der Bestandskunden werde sich bis auf Weiteres aber wenig ändern.

Unternehmen mussten vorab zu Höchstpreisen einkaufen

Dass die sinkenden Preise nicht umgehend an Kundinnen und Kunden weitergegeben werden, habe mit der Beschaffungsstrategie der Unternehmen zu tun, sagt der E-Control-Experte. Diese hätten in den vergangenen Monaten große Energiemengen zu extrem hohen Marktpreisen einkaufen müssen, um für den Winter gerüstet zu sein.

Die wirtschaftliche Lage in Europa ist schwierig, das Wirtschaftswachstum wird im kommenden Jahr gering ausfallen. Die Inflation wird Berechnungen zufolge aber weiterhin hoch bleiben. Die Energiepreise dürften also auch im kommenden Jahr steigen, die Tarifanpassungen sollten aber nicht mehr so dramatisch ausfallen wie 2022, meint Lehr. Denn es habe sich zum Beispiel gezeigt, dass Unsicherheitsfaktoren wie angekündigte Erdgaslieferstopps zu geringeren Verwerfungen auf den Märkten geführt hätten als ursprünglich angenommen.

Neben einer brennenden Gasflamme hält eine Hand Euro-Scheine und Münzen
dpa/dpa-Zentralbild/Z1022 Patrick Pleul
Die Energiepreise dürften sich in den kommenden Jahren stabilisieren, werden aber wohl auch weiterhin hoch bleiben

Energiepreise werden weiter steigen

Generell rechnet Lehr damit, dass sich die Preise mittelfristig „auf hohem Niveau stabilisieren werden“. Aber natürlich sei die Entwicklung stark von globalen Ereignissen und Wettbewerbsverhältnissen abhängig, eine genaue Preisprognose sei zum jetzigen Zeitpunkt äußerst schwierig, so Lehr.

Um Energiepreise nachhaltig zu senken, sei es notwendig, die Nachfrage nach fossilen Brennstoffen zu reduzieren, etwa durch den Ausbau von erneuerbaren Energieträgern. Dabei handelt es sich aber um äußerst langfristige Projekte, in den kommenden Jahren werden die Kosten für Energie wohl ein erheblicher Faktor für die Haushalte bleiben. Zwar gehe man mittelfristig von einer leichten Entspannung aus, die günstigen Preise, die man aus den Zeiten vor der aktuellen Gaskrise gewohnt war, dürften aber auf längere Sicht nicht mehr zu erreichen sein, so Lehr.

„Gasmangel Hauptgrund für Krise“

Österreich gilt als Vorreiter bei der Liberalisierung des Energiemarkts. Der freie Markt wird nun von manchen für die Situation mitverantwortlich gemacht. Die Kosten für Verbraucherinnen und Verbraucher steigen, während Energiekonzerne teils lukrative Gewinne einfahren können, so einer der Vorwürfe. Lehr verteidigt die Marktliberalisierung. Die angespannte Situation habe mit dem liberalen Marktsystem nur wenig zu tun, sagt Lehr. Sie sei entstanden, weil es einen Mangel am Rohstoff Erdgas gebe. Auch ein staatlich gelenktes System hätte auf eine solche Mangellage nicht rasch reagieren können, meint der Experte.

Windräder neben Bäumen im Sonnenaufgang
APA/dpa/Tom Weller
Der Ausbau erneuerbarer Energien kann die Preise langfristig senken

„Liberalisierung hat Bewährungsprobe nicht bestanden“

Der Ökonom Oliver Picek vom Momentum Institut sieht das anders. Aus seiner Sicht hat die Liberalisierung ihre erste große Bewährungsprobe nicht bestanden. Die Marktliberalisierung habe dazu geführt, dass dem freien Wettbewerb und dem günstigen Beschaffungspreis eine höhere Priorität eingeräumt wurde als der Versorgungssicherheit, so Picek. Als Folge sei die ohnehin bereits große Abhängigkeit von russischem Gas weiter gestiegen. Der günstige Einkaufspreis sei wichtiger gewesen als eine Diversifizierung des Angebots.

Mit der Liberalisierung kam auch das Merit-Order-System. Das bedeutet: Der Energiepreis orientiert sich am teuersten Kraftwerk in der gesamten Versorgungskette, und das ist derzeit in der Regel ein Gaskraftwerk. Da sich also auch die Preise der Erneuerbaren am Gaspreis orientieren, können die Erzeugerinnen und Erzeuger von Wind- und Wasserkraft hohe Tarife verlangen, ohne von den Verwerfungen auf dem Gasmarkt betroffen zu sein.

Ökonom empfiehlt Schweiz als Vorbild

Picek schlägt vor, die Liberalisierung zumindest im privaten Sektor zurückzunehmen, und verweist auf das Beispiel Schweiz. Dort hätten lokale Unternehmen, die beispielsweise Strom aus Wasserkraft anbieten, die Verpflichtung, diese zu den entsprechend günstigen Preisen an die Haushalte weiterzugeben. Aus diesem Grund seien die Strompreissteigerungen in der Schweiz für private Konsumentinnen und Konsumenten deutlich moderater ausgefallen als in der Europäischen Union, so Picek. Während es etwa im Osten Österreichs zu Preissteigerungen von 100 Prozent und mehr gekommen sei, stiegen die Kosten der Haushalte in der Schweiz lediglich um rund 50 Prozent.

Die Schweiz ist allerdings kein EU-Mitglied und tut sich mit eigenständigen Marktregulierungen daher leichter. Ob man mit dem Wunsch nach Deliberalisierung auch in Brüssel durchkommen könnte, käme auf einen Versuch an, sagt Picek. Wenn Österreich eine klare Position beziehen und die Rücknahme der Liberalisierung für private Haushalte einfordern würde, könnte das durchaus umzusetzen sein, meint Picek. Das käme auf den darauf folgenden Verhandlungsprozess an. Wenn man hingegen „grundsätzlich kapituliert“, dann werde sich nie etwas ändern, so der Chefökonom des Momentum Instituts.