Ein Rapsfeld in Niederösterreich
APA/HELMUT FOHRINGER
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„Neue Gentechnik“: Kennzeichnungspflicht könnte fallen

Laut Global 2000 deuten die aktuellen Verlautbarungen der Europäischen Kommission darauf hin, dass es für „Neue Gentechnik“ (NGT) künftig keine Kennzeichnungspflicht mehr geben wird. Damit könnten NGT-Lebensmittel unerkannt in den Regalen der Supermärkte landen. Global 2000, Österreichs Lebensmittelhändler, Verbrauchereinrichtungen, sowie das Klimaschutz- und das Konsumentenschutzministerium sind alarmiert.

Der Unterschied ist schnell erklärt: Bei klassischer Gentechnik, sogenannter Transgentechnik, die es seit rund 30 Jahren gibt, werde die DNA einer anderen Pflanze oder mehrere Gene eines fremden Organismus eingeschleust, sagt Brigitte Reisenberger, die Landwirtschafts- und Gentechniksprecherin von Global 2000.

Bei „Neuer Gentechnik“, die es seit dem Jahr 2015 gibt, würden dagegen mittels Gen-Schere Teile aus dem Erbgut herausgeschnitten oder neu zusammengesetzt werden, ohne dass fremde DNA zugesetzt wird, so Reisenberger. Als bekanntestes Beispiel für Neue Gentechnik nennt sie die CRISPR-Cas-Methode.

Die gute Nachricht: Alle Lebensmittelhändler in Österreich haben sich dazu verpflichtet, keine gentechnisch manipulierten Lebensmittel zu verkaufen, weder mit klassischer noch mit „Neuer Gentechnik“, sagt Reisenberger.

Eine Lücke gibt es allerdings: Wer sicher gehen möchte, dass die Lebensmittel, die er kauft, auch keine Gentechnik enthalten, die über Futtermittel durch den Magen von Tieren gewandert ist, muss auf das grüne Label „Ohne Gentechnik hergestellt“ achten oder Bioprodukte kaufen. Das betrifft Milch, Eier oder Fleischprodukte.

Bald keine Kennzeichnung mehr?

Geht es nach Agrarindustrie und EU-Kommission könnten schon bald Lebensmittel mit „Neuer Gentechnik“ unerkannt in den Regalen der Supermärkte landen, warnt Reisenberger. Die Chemie- und Saatgutindustrie sei bestrebt, die Neue Gentechnik im Bereich der Pflanzen und Nahrungsmittel aus dem EU-Gentechnikrecht herauszunehmen oder zumindest dieses Recht sehr stark zu verwässern.

„Wir beobachten den Prozess sehr genau und sehen, dass die EU-Kommission den Weg bereitet, große Schlupflöcher für die Neue Gentechnik zu schaffen“, so die Global-2000-Gentechniksprecherin. Es sehe danach aus, dass es eine vereinfachte Zulassung geben soll, außerdem werde die Kennzeichnung als Gentechnik in Frage gestellt, so Reisenberger.

Das würde dazu führen, dass relativ ungeprüft NGT-Pflanzen nach Europa kommen, die nicht mehr rückverfolgbar sind. Auch Landwirte könnten dann nicht mehr wissen, was über ihr Feld hinwegweht, oder ob sie gentechnisch verunreinigtes Saatgut ausbringen.

Dasselbe gelte für verarbeitende Betriebe. Ein Müller etwa könne seinen Kunden dann nicht mehr garantieren, dass sein Weizen tatsächlich ohne Gentechnik hergestellt ist. „Das zieht sich bis in die Supermärkte, wo wir Konsumentinnen und Konsumenten dann nicht mehr wissen, was in unserem Essen drinnen ist“, so Reisenberger.

Gesetzesentwurf kommt im Frühjahr 2023

Der Gesetzesentwurf zum EU-Gentechnikrecht wird im Frühjahr 2023 vorliegen. Um gegen eine Verwässerung des Gesetzes anzukämpfen, hat Global 2000 die Petition „Pickerl drauf! – Neue Gentechnik im Essen regulieren und kennzeichnen“ gestartet. Sie richtet sich an die zuständigen Minister in Österreich.

Vom Klimaschutz- und dem Konsumentenschutzministerium heißt es gegenüber help.ORF.at: Man werde sich dafür einsetzen, dass die bestehenden Regelungen aufrecht bleiben und weiterhin auch für die Neue Gentechnik gelten. Sowohl was die Zulassung, die Risikoabschätzung als auch die Kennzeichnung betrifft.

Im Dezember 2021 habe man zum Thema einen internationalen Umweltrat mit 200 Teilnehmern einberufen, darunter auch Vertreter der EU-Kommission. Dabei habe man auch die möglichen Auswirkungen einer erleichterten Zulassung diskutiert.

„Das letzte Wort ist auf keinen Fall schon gesprochen“, sagt Global-2000-Gentechniksprecherin Reisenberger und hofft, dass möglichst viele Menschen die Petition unterzeichnen. Man müsse auf EU-Ebene zeigen, wie wichtig Konsumentinnen und Konsumenten die Transparenz am Teller ist und wie kritisch man die „Neue Gentechnik“ sieht.