Der Auspuff eines Volkswagen auf einem Mitarbeiterparkplatz vor dem VW Werk in Wolfsburg (
APA/dpa/Julian Stratenschulte
APA/dpa/Julian Stratenschulte

EuGH erklärt Thermofenster in VW-Dieselmotor für unzulässig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat ein mit Spannung erwartetes Urteil über die Rechtmäßigkeit von Thermofenstern bei Dieselautos gefällt. Demnach ist ein Thermofenster, das die Abgasreinigung bei sehr hohen und niedrigen Temperaturen reduziert, eine unzulässige Abschalteinrichtung. Eine Rückabwicklung des Kaufvertrags sei daher nicht ausgeschlossen. Anlass waren Klagen in Österreich gegen Volkswagen.

Bei einem Thermofenster wird die Abgasrückführung temperaturabhängig gesteuert. Bei bestimmten Temperaturen, die je nach Hersteller und Motor unterschiedlich sein können, wird die Abgasreinigung reduziert oder gar abgeschaltet, was zur Folge hat, dass die Stickoxidemissionen steigen. Die Autohersteller argumentieren, dass das zur Schonung des Motors notwendig sei.

Auflösung des Vertrags „nicht ausgeschlossen“

Nach dem Urteil des EuGH sind die Thermofenster in Dieselfahrzeugen unzulässig, wenn die Abgasreinigung nur in einer engen Temperaturspanne voll funktionsfähig ist. Wenn die Emissionen nur zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll gereinigt würden, außerhalb dieses Bereichs aber nicht, handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung.

Eine solche Vertragswidrigkeit sei auch nicht geringfügig, so das Gericht. Eine Auflösung des Kaufvertrags für ein Fahrzeug, das mit einem Thermofenster ausgestattet ist, sei deshalb nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Darüber müssten im Einzelfall die nationalen Gerichte entscheiden. Allerdings sei eine Zulässigkeit möglich, wenn die Einrichtung notwendig wäre, um einen Schaden am Motor und damit ein Unfallrisiko zu vermeiden, so das Urteil.

Auswirkung auf Fälle in der gesamten EU

Gerichte in Österreich müssen nun prüfen, ob so eine Notwendigkeit gegeben ist. Auslöser für das Urteil sind Klagen in Österreich gegen VW und zwei Autohändler. Die Kläger fordern eine Erstattung des Kaufpreises. Die Einschätzung des Europäischen Gerichtshofs ist aber auch für andere nationale Gerichte bindend, weswegen sie Auswirkungen auf Fälle in der ganzen EU haben kann.

Die Entscheidung betrifft Motoren des Volkswagen-Konzerns vom Typ EA 189. In diesen Motoren war im Dieselskandal eine illegale Abschalteinrichtung festgestellt worden, mit der die Abgasgrenzwerte auf dem Prüfstand eingehalten wurden, auf der Straße aber nicht. VW hatte diesen Mechanismus mit einem Software-Update behoben, der aber mit dem Argument der Motorschonung ein Thermofester enthält. Dieses erklärte der EuGH nun für unzulässig.

Forderungen nach Vertragsauflösung und Schadenersatz

Konsumentenschutzvertreter sehen die Position der Betroffenen nach dem EuGH-Urteil gestärkt. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) pocht nun auf Schadenersatz für Geschädigte. „Der EuGH stärkt mit der heutigen Entscheidung Geschädigten des VW-Abgasskandals den Rücken“, so auch Oliver Jaindl, Obmann der gemeinnützigen Plattform für kollektiven Rechtsschutz COBIN claims und Geschäftsführer der Vereins-Aktion „diesel-klage.at“. Geschädigte hätten nun grundsätzlich Anspruch auf Preisminderung oder Vertragsauflösung.

Auch Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereines (VSV), nennt das Urteil richtungsweisendend. „Damit ist Schluss mit der Argumentation der Dieselhersteller und auch deutscher Behörden, dass diese Thermofenster für die Schonung des Motors dienen und daher legal seien.“ Der VSV machte bislang rund 600 Klagen gegen VW in Deutschland anhängig.

VW sieht sich bestätigt

Der Autobauer Volkswagen erklärte hingegen nach der Entscheidung, er sehe sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt: „Nach den Kriterien, die der EuGH in seinem Urteil aufgestellt hat, bleiben die in Fahrzeugen des VW-Konzerns verwendeten Thermofenster zulässig.“ Sie schützten vor unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfall.